Grasberg. Sabine Alpers und Günter Otten wuchten nacheinander zwei Betonplatten von der Ladefläche des Minilastwagens. Ihre gebückten Körper lassen deren Gewicht ahnen. Der vom Regen aufgeweichte Boden und das nasse Laub schmatzen hörbar, als der Beton darauf klatscht. Aber schwer müssen die Platten nun mal sein am Straßenrand des Grasdorfer Nebenwegs, gegenüber der Bushaltestelle Saatmoorgraben. Sie sollen einer Bank Halt geben, die mit einem Schild auf der Rückenlehne ihre Bestimmung kund tut: „Mitfahrerbank.“ Es ist die erste ihrer Art in Grasberg. Der Ortsverband der Grünen hatte sich dafür eingesetzt, und dessen Mitglied Sabine Alpers lächelt zufrieden im kalten Regen. Ab jetzt können Grasdorfer direkt zur Linie 4 und zum Falkenberger Kreisel nach Lilienthal fahren, vorausgesetzt ein Autofahrer hält an und nimmt sie mit. Alpers Arbeit ist noch nicht zu ende. Demnächst will sie mit Otten in Huxfeld die zweite der Grasberger Mitfahrerbänke aufstellen.
Das Netz der bereits aufgestellten Mitfahrerbänke durchzieht Grasbergs Nachbargemeinden von Tarmstedt bis Quelkhorn. Sabine Alpers versteht die Grasberger Bänke als Lückenschluss. Und sie hat eine Vision: dass Menschen mittels Mitfahrgelegenheiten etwa von Grasberg bis nach Quelkhorn und weiter fahren können. Oder, wie im jetzigen Fall, einen direkten Anschluss an die Straßenbahn in Richtung Bremen haben. Das Zielschild am Balken über der Bank zeigt den Wunsch desjenigen, der auf dieser Bank künftig wartet, sichtbar an: „Linie 4.“
Hinsetzen und warten, bis ein Auto anhält. So einfach funktioniert das Prinzip. Die weiteren Spielregeln verrät ebenfalls ein Schild auf der Rückenlehne: „Benutzung ab 18 Jahre. Auf eigene Gefahr.“ 500 Euro kostet jeweils eine Bank, gefertigt von den Steinfelder Werkstätten. Sabine Alpers sagt: „Bisher sind die Grünen dafür in Vorleistung gegangen.“ Aber demnächst wolle sie Spendendosen im Ort aufstellen. Die Adolphsdorfer Radbloggerin Christiane Seeger hat das Projekt ebenso unterstüzt wie ein Tarmstedter Autohaus.
Außerdem hat Seeger diese Art des ökologisch sinnvollen Reisens von einem Dorf zum nächsten für ihren Blog getestet. Während Alpers und Otten noch im Gras knien und die Schrauben festziehen, erzählt sie von ihren Erfahrungen beim „Trampen mit Sitzmöglichkeit“. In Tarmstedt habe sie keine fünf Minuten warten müssen, bis eine Frau angehalten habe, und kurz darauf saß sie auf der nächsten Bank in Wilstedt vor dem Pflegeheim. Dort lief es nicht. Vielleicht, mutmaßt sie, weil ein Auto die Sicht auf die Bank verdeckt habe und neben ihr ein Heimbewohner saß. Das wirkte dann eher wie ein Besuch. Also wechselte sie zur Bank auf der anderen Straßenseite und „rucki, zucki innerhalb von drei oder vier Minuten“ habe sie wieder jemand mitgenommen.
„Trampen für Senioren“
Margret Jungmichel vom Ortsverband der Grünen hört aufmerksam zu. Die Rautendorferin interessiert sich für das Projekt und denkt dabei auch an die Zeit „wenn ich mal nicht mehr Auto fahren kann“. Sie habe schon viel über Mitfahrerbänke gelesen. „Das ist die erste, die ich sehe.“ Sabine Alpers lädt Jungmichel zu einer Probefahrt ein. Sie hole sie auch in Lilienthal wieder ab. Doch weder mit einer trocken gewienerten Sitzfläche noch der Aussicht auf mitleidige Autofahrer, die bestimmt bald anhalten würden, kann sie die Parteifreundin überzeugen. Zaghaft erwidert Jungmichel: „Ich bin schon lange nicht mehr getrampt.“ Das Stichwort für Christiane Seeger. „Ich nenne das Trampen für Senioren.“
Bis jetzt funktioniert das von dieser Bank nur in eine Richtung. Das Gegenstück am Falkenberger Kreisel fehlt. Eine Entscheidung darüber haben die Mitglieder des Lilienthaler Bauausschusses vor wenigen Wochen vertagt. Zu viele offene Fragen, „juristisch noch nicht endgeprüft“, hieß es. Bei der nächsten Ausschusssitzung am 16. November soll die Mitfahrerbank aber wieder auf der Tagesordnung stehen, so Stephen Riemenschneider, Fachbereichsleiter für Baudienste im Rathaus. Dann sollen die Haftungsfragen geklärt sein.
Für Sabine Alpers und Günter Otten ist die Arbeit noch nicht vollständig getan. Demnächst soll die zweite Bank aufgestellt werden. Weil sie nicht zu dicht an der Kreisstraße und dem Radweg stehen soll, habe die Verwaltung den Standort Huxfelder Straße/Ecke Schmiedestraße neben dem Bushäuschen ausgewählt, so Bürgermeisterin Marion Schorfmann. Wer auf dieser Mitfahrerbank Platz nimmt, signalisiert mit dem jeweiligen Richtungsschild, dass er nach Fischerhude oder Wilstedt will.