Osterholz-Scharmbeck. Das hat schon Stil: Der Anhänger, der die Moorhexe trägt, wird von einem roten Oldtimer-Traktor der Marke McCormick in den Osterholz-Scharmbecker Hafen geschoben. So weit, dass der voll verzinkte und doppelachsige Trailer fast ganz unter der Wasseroberfläche verschwindet und die Füße des Treckerfahrers so gerade noch trocken bleiben. „Das Hineinbekommen ist noch relativ unspektakulär“, informiert Manfred „Manni“ Loth, Vorsitzender des Vereins Torfkahnschiffer Osterholz-Scharmbeck. Umgekehrt den Torfkahn wieder auf den Anhänger zu bekommen, das sei ein ungleich schwierigeres Unterfangen. Wegen der trüben Brühe im Hafenbecken. Der Treckerfahrer sieht bei dem Manöver zunächst so gut wie nichts von seinem Anhänger.
Durstiger Kahn
Loth trägt bei strahlendem Sonnenschein („Wir haben Verbindung nach ganz oben!“) die traditionelle Kluft seiner Zunft, ein Fischerhemd Finkenwerder Art. Denn heute ist so etwas wie ein Feiertag für die Torfschiffer: Die Halbhuntkähne werden aus dem Winterlager an der Bremer Straße abtransportiert und in ihr Sommerquartier überführt. Voran die Moorfee, der letzte Eichenkahn, mit dem die Torfkahnschiffer ihre dreistündigen Hamme-Touren nach Worpswede-Neu Helgoland und zurück anbieten. „Der muss nämlich tüchtig Wasser ziehen, bis sich das Holz wieder so ausgedehnt hat, dass die Planken dicht sind“, erklärt Loth, der darauf hinweist, dass man die Boote früher während des ganzen Winters „unter Wasser gedrückt“ hat. Das heute übliche Prozedere kann gut und gern 14 Tage dauern.
Das vom Trockendock gekommene Transportmittel zieht schon nach 60 Minuten kräftig Wasser, aber auch nicht zu viel, denn die Vereinsmitglieder haben Tauchpumpen gesetzt. Ohne deren Einsatz würde die Moorfee irgendwann absaufen. Für Moorhexe, Moorgeist und Moorteufel wurde als Baumaterial Bootssperrholz verwendet. Übrigens schenke man den Namen unter dem Aspekt des Geschlechts Beachtung: Bei der Kahn-Taufe wurde auf Gender-Parität Wert gelegt.
Geruch nach Lack
Im Winterlager riecht es unterdessen noch nach frischem Lack. „In den vergangenen Tagen ist noch geschliffen und gestrichen worden“, berichtet Loth. Heutzutage wird kein Teer mehr verwendet, sondern schon wegen des Umweltschutzes eine Spezialfarbe, die die Osterholz-Scharmbecker bei einer Hamburger Firma bestellen. „Damit würde der Kahn sogar Salzwasser aushalten.“

Die Moorfee wird auf den letzten Metern im Osterholzer Hafen mit Muskelkraft bewegt.
Die rund ein Dutzend Ehrenamtlichen kontrollieren noch einmal das Tauwerk und bringen allerlei Zubehör an Bord: den Feuerlöscher, die Rettungswesten und den Gasgrill. Insgesamt seien während der Wintermonate 548 Arbeitsstunden geleistet worden, hat der Vorsitzende akribisch festgehalten. „Wir arbeiten ständig an kleinen Verbesserungen. Jetzt haben wir für die Unterbringung von Schwimmwesten und Regenjacken Böden in die Kajüten eingezogen.“
Neu im Angebots-Portfolio ist auch ein Fahrradanhänger, der – entsprechend dem für die Kähne erlaubten Maximum an Passagieren – 16 Fahrräder aufnehmen kann. In dieser Saison werden erstmals Radtouren, auch geführte, angeboten. Der Gast wird nach Worpswede geschippert, wo die vom Verein transportierten Räder bereits warten. Von dort empfehlen sich Touren zum Niedersachsenstein oder zum Hoetger-Ensemble um die Große Kunstschau.
Meistens mit E-Motor
Zusammen mit dem Moorteufel soll der Fahrradträger beim internationalen Museumstag in der Osterholzer Museumsanlage besichtigt werden können. Die Torfkahnschiffer wollen dem Moorteufel in dieser Saison eine schöpferische Pause gönnen. Er ist der letzte Kahn, der noch mit einem Benzinmotor betrieben wird. Die anderen drei gleiten bereits mit elektrisch erzeugten zehn Pferdestärken über die Hamme. „Der Kunde weiß diese Art der Fortbewegung zu schätzen, vor allem wegen der Geräuschlosigkeit des Antriebs“, so der Chef der Torfkahnschiffer. Man kann dem Zwitschern der Vögel lauschen und kommt auf diese Weise der Natur ganz nah.

Spannender Moment: Der Torfkahn wird, noch auf dem Trailer liegend, ins Wasser geschoben.
Loth würde daher am liebsten noch in diesem Jahr einen weiteren Elektrokahn anschaffen. Er hat sich bereits nach den Preisen erkundigt – und sich daraufhin „erst einmal auf den Mors gesetzt“. Zwischen 45 000 und 67 000 Euro müssten investiert werden. Das kann der 21 Mitglieder starke Verein nicht stemmen, aber er verfügt über Förderer und hofft auf Spenden.
Der neue Kahn sollte aus Eichenholz gefertigt sein. „Das ist wertbeständiger und entspricht auch der Tradition der alten Torfkahnschifffahrt“, so der Vorsitzende, der seinen Verein nicht nur im Dienste des Tourismus', als eines der Aushängeschilder des Landkreises, sondern auch der Heimatpflege und der Traditionsbewahrung sieht. Die vier vorhandenen Kähne wurden alle um die Jahrtausendwende gebaut und sind jeweils zehn Meter lang und 1,90 Meter breit.
Weitere Informationen auf der Internetseite der Torfkahnschiffer unter www.torfkahnschiffer-ohz.de.