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Stuhr von unten: Der Gewölbekeller der Dorfschule Blocken diente den Lehrern früher als Vorratslager Als der Pauker noch Kartoffeln hortete

„Die Treppe durften wir nicht herunter.“ Horst True Stuhr.
25.01.2016, 00:00 Uhr
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Als der Pauker noch Kartoffeln hortete
Von Christoph Starke

Erich Sanders und Horst True steigen die hölzernen Stufen hinab, ihre Schritte hinterlassen einen dumpfen Hall. Direkt nach der Treppe blicken sie auf eine Steinwanne. „Da sind früher bei der Hausschlachtung die Schinken eingesalzen worden“, betont Sanders. „Also gepökelt worden“, ergänzt True.

Der 83-jährige Erich Sanders kümmert sich um die ehemalige Dorfschule Blocken, Horst True spielt hier mit seiner Heimatbühne Stuhr regelmäßig und weiß viel über die Geschichte des Gebäudes. Das weist noch einen alten kleinen Gewölbekeller auf. Und eben solche geschichtsträchtigen Untergeschosse stellt der WESER-KURIER in seiner Serie „Stuhr von unten“ vor.

Ein bisschen den Kopf einziehen müssen die beiden – selbst keine Riesen – im etwa 16 Quadratmeter großen und weniger als zwei Meter hohen Raum schon. True scherzt: „Die Leute, die hier früher gelebt haben, als der Keller gebaut wurde, waren nicht so groß.“ Der Raum wurde früher zu Vorratszwecken genutzt, erinnern sie sich. Beide waren früher selbst Pennäler in der damaligen Dorfschule in Blocken. Der heute 74-jährige True besuchte sie von 1948 bis 1956, Sanders von 1938 bis 1942, dann wechselte er nach Stuhr und kam 1946 noch einmal zurück nach Blocken, wie er wissen lässt. Die Schule hatte bis 1974 Bestand. Sein Lehrer Heinz Wolff fing nach dem Zweiten Weltkrieg an dort zu unterrichten, lässt True wissen.

Er schaut auf einen durch Holzlatten abgegrenzten Bereich direkt unter der Treppe. „Hier waren die Kartoffeln drin“, reist er in seine Schulzeit zurück. Und auf den Regalen hätten sich damals die Einweckgläser gereiht. „Alles, was im Garten wuchs, wurde schließlich verwertet“, erzählt True. Denn als er und Sanders noch zur Schule gingen, war der Lehrer nicht bloß Lehrer, sondern auch Hausmeister, Bauer und Gärtner. „Es gab sogar Lehrer, die sich Kühe hielten“, erzählt True. „Unser Lehrer Wolff hatte Schafe, die fraßen das Gras. Da brauchte kein Rasen gemäht werden.“ Gänse hätte Heinz Wolff ebenfalls gehabt.

Und in die landwirtschaftliche Arbeit wurden die Blockener Schüler sehr wohl mit eingebunden. True: „Ich weiß es noch, wir haben die Kartoffeln mit dem Handwagen in die Klasse hereingebracht.“ Der Lehrer nahm ihnen die Knollengewächse dann ab und hortete sie unten im Keller. True: „Die Treppe durften wir nicht herunter.“ Schließlich sollte keiner der Schüler stürzen.

Sogar selbst ernten mussten die Kinder die Kartoffeln, erinnert sich Sanders. Das mag zwar schwere Arbeit gewesen sein, hatte ihm damals aber nichts ausgemacht. Ganz im Gegenteil. „Das haben wir gerne gemacht“, blickt Sanders auf seine Zeit als Pennäler zurück und fährt schmunzelnd fort: „Dann mussten wir nicht zum Unterricht.“

Ab und zu schaut Sanders nach dem Rechten im Keller – und hatte vor drei, vier Jahren fast einmal nasse Füße bekommen. Aufgrund des Starkregens seien die Wassermassen in den Keller gelaufen. „Die Feuerwehr hat das wieder herausgepumpt“, erzählt Sanders. Die Flecken an der Wand sind noch Zeugen. „Das stand hier höher als einen halben Meter“, misst True mit dem Auge. „Das Wasser aus der Dachrinne ist hier durch den Keller hineingelaufen.“ Apropos Wasser: Unter dem Schulgebäude soll sich nach Angaben von True nicht nur der Gewölbekeller befinden. „Unter diesem Gebäude ist ein Brunnen, worunter genau, weiß ich aber nicht.“ Genutzt worden sei er, bis die Tiefbrunnen in Ristedt angelegt wurden. Das Wasserwerk im Syker Ortsteil nahm 1963 seinen Betrieb auf.

Als die Dorfschule 1974 schloss, wechselte Lehrer Heinz Wolff als Konrektor nach Moordeich, sagt True. Dort habe er bis in die 1980er-Jahre unterrichtet. Seinen Lebensabend habe er in Celle verbracht. True: „Wir sind damals zur Beerdigung gefahren.“ In den 1990er-Jahren seien Asylbewerber in der ehemaligen Schule untergebracht worden. Heutzutage nutzt sie die Heimatbühne Stuhr für ihre Aufführungen, außerdem proben dort Musikgruppen und Chöre. Platz gebe es durchaus noch für andere Vereine, wirbt Erich Sanders um weitere Nutzer. In den Keller muss aber keiner ausweichen. Denn der wird heutzutage im Grunde nicht mehr genutzt. Die leeren Regale sind weiterhin an den Wänden montiert, gelagert wird hier aber nichts mehr. Ein paar Rohrelemente sowie ein alter Federballschläger liegen zwar noch auf den Holzplatten, ansonsten ist das Untergeschoss aber leer – nicht so wie früher, als True und Sanders noch das kleine Einmaleins und das ABC lernten und Lehrer Wolff seinen Vorrat unter der Schule staute.

Wenn die Pennäler mal etwas ausgefressen haben, wurden sie übrigens nicht zur Strafe unten eingesperrt, beteuern True und Sanders lachend. Auch Schweinefleisch mussten sie dort nie selbst pökeln. True: „Das war vor unserer Zeit.“

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