Der Österreicher David Helbock gilt als Ausnahmepianist in der Jazz-Szene. Am kommenden Freitag tritt er beim 18. Stuhrer Jazzfest auf. Eike Wienbarg sprach vorab mit dem 32-Jährigen.
Herr Helbock, ganz ehrlich: Haben Sie vor dem Anruf von Jens Schöwing, dem künstlerischen Leiters des Stuhrer Jazzfestes, schon einmal von der Gemeinde Stuhr gehört?
David Helbock: (lacht) Ehrlich gesagt nicht. Ich habe dann gegoogelt und gesehen, dass es in der Nähe von Bremen ist. Ich hatte vorher noch nicht davon gehört. Aber ich komme natürlich gerne. Ich bin immer wieder auf der Suche nach neuen Locations, wo ich spielen kann.
Sie haben bereits mit sechs Jahren angefangen Klavier zu spielen und gelten in Fachkreisen als Ausnahmepianist. Warum musste es genau dieses Instrument sein?
Das war mehr Zufall. Mein Vater ist auch Musiker, spielt aber Gitarre. Als ich sechs Jahre alt war, gab es einen Tag der offenen Tür in der Musikschule. Da bin ich mit meinem Vater hingegangen und habe mir alle möglichen Instrumente angeschaut. Ausgesucht habe ich mir das Klavier eigentlich mehr, weil ich die Lehrerin sympathisch fand. Es war nicht eine Entscheidung für das Instrument, sondern für eine sympathische Lehrerin. Es war ein glücklicher Zufall, dass mich das Klavier bis jetzt begleitet hat.
Hätten Sie gerne noch ein anderes Instrument gelernt?
Ich habe zwischenzeitlich ein bisschen Schlagzeug gelernt und auch sehr viel mit Synthesizern experimentiert. Aber das Klavier war es schon, weil einfach viel damit möglich ist. Man kann alleine spielen, man kann in verschiedenen Bandprojekten spielen, man kann das Klavier mit allem Möglichen kombinieren. Das ist super.
Jazz-Musik gilt oft als Nischenmusik. Wie sind sie dazu gekommen und was fasziniert Sie an dem Genre?
Die erste Klavierlehrerin, die ich hatte, war schon sehr offen. Da habe ich aber mehr so Pop-Songs, Beatles-Songs aber auch Klassik gespielt – Mozart, Beethoven. Ich bin dann aber recht früh mit elf Jahren in eine andere Musikschule gegangen. Das nennt sich bei uns in Vorarlberg, im Westen von Österreich, Jazzseminar. Dort wurde alles Mögliche unterrichtet. Später hatte ich das Glück, bei einem amerikanischen Jazzpianisten zu lernen. Der Begriff Jazz ist natürlich sehr weit, da fällt viel rein. Jazz hat so viel Musik beeinflusst. Hip-Hop würde es nie geben, wenn es Jazz nicht vorher gegeben hätte. Er ist ein großes Feld, das mich inspiriert. Aber ich würde mich jetzt nicht als reinen Jazzmusiker bezeichnen, sondern als jemand, der alle möglichen Formen von Musik interessant findet. Das kann auch Weltmusik sein. Ich habe mich auch mit brasilianischer Musik beschäftigt. Das alles fließt dann zusammen in meine eigene Musik. Aber ich improvisiere auch noch viel. Das ist vielleicht das jazzige Element.
Also ist es die Vielfalt der Musik, die sie fasziniert?
Genau!
Was würden Sie Menschen sagen, die nicht so viel mit Jazz anfangen können?
Ich glaube, man muss schon irgendwie offen sein und einfach mal experimentieren und probieren, gerade weil der Jazz so ein weites Musikfeld ist. Traditioneller Jazz aus den 1930er-Jahren klingt ganz anders als moderner Jazz von heute. Beides wird aber als Jazz verkauft. Wenn man dann mal etwas gehört hat, das einem nicht gefallen hat, kann man wieder auf ein anderes Jazz-Konzert gehen, und dass kann einem dann durchaus gefallen. Durch das Internet hat man heute die Chance, aktiv selbst auf die Suche zu gehen, sich nicht mehr nur berieseln zu lassen von Medien oder dem Radio, sondern aktiv auf die Suche zu gehen, was einem gefällt. Und da ist Jazz ein großer Pool von unterschiedlichen Musiken.
Das Stuhrer Jazzfest bietet auch dem Nachwuchs aus der Region eine Chance. Zwei Tage sind jungen Künstlern vorbehalten. Was würden Sie ihnen raten?
(lacht) Das ist eine gute Frage. Ich hab immer das gemacht, was mich wirklich innerlich berührt. Wenn man das macht, was man selbst gerne hört und was einen interessiert, und das dann in seine eigene Welt hineinholt. Es gibt natürlich extrem viele Jazzschulen und da kann man die Musik lernen. Aber da würde ich wirklich nur das rauspicken, was einen innerlich tief berührt. Und daraus dann die eigene Musik machen. Das war immer mein Weg. Und ich würde auch jedem raten, dass er probiert, seine eigene Stimme zu finden.
2012 haben Sie eine CD mit Liedern des im vergangenen Jahr verstorbenen Prince aufgenommen. Wie sind sie gerade auf Prince gekommen?
Natürlich hat mich Prince schon als Jugendlicher fasziniert, ich war ein Fan. Was ich an ihm so toll finde ist, dass er dem Jazz so nah stand. Er hat selbst als Jazzpianist angefangen, also quasi Jazz gelernt. Und später hat er auch immer wieder Jazzmusiker engagiert in seinen Bands. Rein vom musikalischen Denken stand er mir sehr nah.
Welche Künstler würden Sie noch für solche Projekte reizen?
Ich mach das immer wieder mit unterschiedlichen Musikern. Ich habe natürlich auch Idole. Da ist zum Beispiel der brasilianische Komponist Hermeto Pascoal. Den finde ich interessant. Oder den amerikanischen Jazzpianisten Thelonious Monk, für den habe ich auch mal eine ganze CD gemacht, aber auch einzelne Stücke. Auch die Klassik fließt immer wieder ein. Ich hab auf der neuen CD, die wir rausgebracht haben, Beethoven ein bisschen vertont. Mit Arnold Schönberg habe ich das auch schon gemacht. Ich suche ständig nach neuen Inspirationen.
Die Strickmütze mit Klaviertasten gehört zu Ihren Markenzeichen. Wie kam es dazu?
Als ich 15 Jahre war, habe ich angefangen, die ersten Konzerte zu spielen und dann wollte ich schon ein Markenzeichen. Die Mütze hat meine Mutter dann gehäkelt und mittlerweile ist es mehr geworden als nur ein Markenzeichen. Es ist fast ein Ritual geworden. Bei jedem Konzert setze ich die Mütze auf. Sie hilft mir irgendwie. Sie bringt mich in eine ruhige Stimmung, sodass ich weiß: Jetzt gehe ich gleich auf die Bühne. Das hat fast eine spirituelle Bedeutung mittlerweile bekommen für mich.
Wird es auf der Bühne darunter nicht manchmal zu heiß?
Nein, das geht schon.
Welche Projekte stehen gerade für Sie an?
Im Moment ist gerade eine frische CD rausgekommen mit einem Trio. Sie heißt „Into The Mystic“. Da sind wir jetzt ständig auf Tour. Ich habe aber auch andere Ideen mit anderen Projekten, zum Beispiel mit meinem Trio eine neue CD aufzunehmen. Da ist noch viel im Hinterkopf.
Haben Sie eine Präferenz ob Sie lieber alleine spielen oder mit anderen zusammen?
Ich mache beides gerne. Die Abwechslung macht es auch aus. Wenn ich nur im Trio spiele, dann habe ich auch gerne mal wieder ein Solokonzert dazwischen. Und genauso umgekehrt.
Beim Jazzfest spielen Sie solo. Auf was darf sich das Publikum bei Ihrem auf Auftritt in Stuhr freuen?
Vielleicht auf ein paar ältere Stücke, vielleicht auch ein paar Prince-Stücke. Aber vor allem auf Stücke der neuen CD. Ich bin auf der Suche nach einem geheimnisvollen innerlich berührt werden, und dafür habe ich alle möglichen Stücke gewählt.
Zur Person: David Helbock (32) aus Österreich erhielt bereits zwei Mal einen Preis beim weltweit größten Jazz-Piano-Solo-Wettbewerb des Festivals in Montreux.