Landkreis Rotenburg. Am helllichten Vormittag und auf offener Straße, nahe der Grundschule, wurde am 9. Januar 2017 in Visselhövede von einem Motorrad aus auf einen 46-jährigen Albaner geschossen. Der Familienvater erlag vier Tage später im Rotenburger Diakoniekrankenhaus seinen schweren Kopfverletzungen. Mehr als fünf Jahre nach der Tat und fast genau vier Jahre nach dem Urteil gegen den Fahrer der Maschine mit hannoverschem Kennzeichen beginnt am kommenden Montag, 14. März, am Landgericht Verden der Prozess gegen den mutmaßlichen Todesschützen sowie einen Mann, der als weiterer Komplize in dem Mordfall gilt.
In den Niederlanden festgenommen
Die beiden 35 und 31 Jahre alten Angeklagten waren im April vergangenen Jahres, wie berichtet, im Zuge europaweiter Ermittlungen der „Mordkommission Motorrad“ in den Niederlanden festgenommen worden. Beiden legt die Staatsanwaltschaft Mord aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen zur Last. Wegen gemeinschaftlichen Mordes war der damals 23-Jährige, der das Motorrad gesteuert hatte, Ende März 2018 nach 20 Verhandlungstagen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Den von ihm der eigentlichen Tat bezichtigten 24-Jährigen hatte die Schwurgerichtskammer schon drei Monate zuvor freigesprochen.
Auch die Staatsanwaltschaft war letztlich davon ausgegangen, dass die „dünne“ Beweislage für eine Verurteilung des 24-Jährigen nicht ausreiche. Nun ist sie sicher, dass der wahre Täter vor Gericht stehen wird. Bei dem 35-Jährigen soll es sich um den lange gesuchten Sozius handeln, der mit einer Pistole insgesamt zwölf Schüsse auf den Landsmann abgefeuert hat – „im Vorbeifahren“ und aus einer Entfernung von etwa einem Meter. Aufgabe des Mitangeklagten soll es gewesen sein, den 46-Jährigen zuvor zu observieren und dem Älteren mitzuteilen, wann der Mann seine Wohnung verlasse.
"Gründlich geplanter Racheakt"
Die weithin aufsehenerregende Tat soll ein gründlich geplanter Racheakt nach einem jahrhundertealten, in Nordalbanien noch erhaltenen „Gewohnheitsrecht“ und Ehrenkodex zur Wiederherstellung der Familienehre gewesen sein. Der in Visselhövede ermordete Mann, ein ehemaliger Militärpolizist, hatte 2011 in der Hauptstadt Tirana selbst ein Tötungsdelikt verübt, möglicherweise in Notwehr. Das 17-jährige Opfer war nach den Erkenntnissen der Mordkommission ein Bruder des 35-jährigen Angeklagten.
Der damals im Security-Dienst tätige Polizist war zu fast sieben Gefängnis verurteilt worden und nach vorzeitiger Entlassung Anfang 2016 nach Deutschland geflohen, wo sich schon Familienangehörige befanden. Nachdem sein Asylantrag zunächst abgelehnt worden war, hatte ihm das Verwaltungsgericht Braunschweig erst Mitte Dezember den subsidiären Schutzstatus zuerkannt. Wenige Wochen später war er umgebracht worden.
Es ist mit einem Mammutprozess zu rechnen. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat bislang 24 Verhandlungstage bis Anfang Oktober anberaumt. Neben nahezu 40 Zeuginnen und Zeugen sollen auch sieben Sachverständige befragt werden.