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Minister im Interview Warum dauert das so lange, Herr Lies?

Olaf Lies im Gespräch: Wie profitieren Energieregionen wie Tarmstedt von der Energiewende und dem digitalen Fortschritt? Und warum braucht die Umsetzung mancher Vorhaben so lange?
12.07.2024, 05:30 Uhr
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Von Johannes Heeg

Herr Lies, eine Frage an den Verkehrsminister: Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven wurde innerhalb von nur acht Monaten geplant, genehmigt und gebaut. Für die simple Erneuerung der Brücke zwischen Wilstedt und Tarmstedt ist ein Jahr veranschlagt. Verstehen Sie das?

Olaf Lies: Die Planung des LNG Terminals war schon ganz herausragend. Da haben wir Niedersachsen gezeigt, dass es auch in Deutschland sehr schnell gehen kann. Der Druck war natürlich auch enorm, alternative Möglichkeiten zum Import russischen Gases zu schaffen. Und wenn man das mit bedenkt, ist ein Jahr für den Neubau einer Brücke gar nicht schlecht. Das ist in der Tat vor Ort sehr unangenehm, gleichzeitig ist ein Jahr faktisch nicht lang. Solche Projekte sind technisch und damit planerisch sehr komplex. Und auch die Planungsbehörden haben vielerorts mit den Herausforderungen zu kämpfen wie dem Fachkräftemangel, die wir auch aus ganz vielen anderen Bereichen auch aus der Wirtschaft kennen.

Mehrere Jahre dauert es sogar, bis ein Solarpark oder gar ein Windpark genehmigt und gebaut wird. In der Zwischenzeit steigen regelmäßig die Kosten. Warum geht das nicht schneller?

Auch die Genehmigungsverfahren für Solar- und Windparks sind anspruchsvoll und umfassen umfangreiche Umweltprüfungen, Bürgerbeteiligungen – und oft eben auch Klagen. Wir arbeiten auf Landes- und Bundesebene daran, diese Prozesse zu beschleunigen – ohne dabei aber auch den Umweltschutz und die Beteiligung der Bürger zu vernachlässigen. Bei der Planungsbeschleunigung hat hier auch die an anderer Stelle oft gescholtene Ampel-Regierung in Berlin einiges auf den Weg gebracht. Ich bin zuversichtlich, dass das nun Wirkung entfalten wird.

Wichtig fürs Gelingen der Energiewende ist auch der Bau neuer Stromtrassen von Nord nach Süd. Warum dauert das so lange? Sie wissen, dass in naher Zukunft allein in der Samtgemeinde Tarmstedt weitere 100 oder noch mehr Windräder aufgestellt werden. Was nützen die, wenn sie ständig abgeschaltet werden, weil der Strom nicht abgeleitet werden kann?

Der Umbau unseres Stromnetzes ist elementar für die Energiewende. Und auch hier resultieren die Verzögerungen oft aus langwierigen Genehmigungsverfahren, Einwänden und technischen Herausforderungen. Aber auch hier kommen wir weiter. Und gerade auch der wirtschaftliche Nutzen muss in den Regionen deutlich spürbar sein. Windenergie nutzen statt abregeln – das wird die Überschrift für die nächsten Jahre sein. Strom muss wieder günstiger werden, denn so geben wir auch unserer Wirtschaft eine neue Perspektive. So profitieren am Ende die Energieregionen wie Tarmstedt in Deutschland.

Wenn schon die Leitungen fehlen: Warum nutzen die Anlagenbetreiber den Strom nicht, um Wasserstoff zu erzeugen? Der wird doch für die Industrie, für Antriebe von Lkw, Bussen und Bahnen sowie als Speichermedium dringend gebraucht.

Die Erzeugung von grünem Wasserstoff aus überschüssigem Strom ist grundsätzlich eine vielversprechende Lösung und wir fördern bereits entsprechende Projekte. Allerdings bedarf es noch erheblicher Investitionen in Infrastruktur und Technologie. Die Frage aber wird sein, ob sich das im ganz großen Maßstab rechnet. Hier kommen wir wieder zum Umbau unseres Stromnetzes. Das bisherige Stromnetz ist für den Transport von zentralen Energieproduktionsstandorten zu den Endverbrauchern ausgelegt. Wir brauchen dieses neue, auf dezentrale Erzeugung ausgelegte Netz.

Sie sind auch für das Thema Digitalisierung zuständig. Wie zufrieden können Sie mit dem Stand des Glasfaserausbaus sein? Andere Regionen in der Welt sind viel weiter.

Der Glasfaserausbau in Niedersachsen macht echte Fortschritte – wir sind auf einem Spitzenplatz unter den Flächenländern. Nur mir ist auch bewusst: Das hilft dem, der noch keinen Anschluss hat, wenig weiter. Wir arbeiten intensiv daran, den Ausbau zu beschleunigen und auch ländliche Gebiete besser anzubinden. Da haben wir gerade im aktuellen Haushalt wieder 70 Millionen Euro sichern können. Dazu gehört aber genauso die Aussetzung der Frequenzversteigerungen im Mobilfunk im kommenden Jahr. Denn das bietet die Chance für neue Investitionen der Anbieter und damit für eine lückenlose Mobilfunkversorgung gerade auch in den ländlicheren Gebieten. Das hat eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung, denn damit halten wir Stadt und Land zusammen und arbeiten gegen ein weiteres Auseinanderdriften.

Wie kann der Öffentliche Personennahverkehr in den ländlichen Regionen gestärkt werden? Sehen Sie in autonom fahrenden Sammeltaxis oder Rufbussen eine realistische Möglichkeit? Falls ja, wann werden die fahren?

Wenn wir mehr Menschen für die Öffis begeistern wollen, müssen wir bei der Qualität des Angebots vorankommen. Und da sind innovative Ansätze wie autonom fahrende Sammeltaxis und Rufbusse interessant. Diese Technologien bieten flexible und bedarfsgerechte Lösungen, aber wir sehen auch, wie schwierig es noch, das technisch zu realisieren. Wir fördern Pilotprojekte und Forschung in diesem Bereich und erwarten, dass solche Systeme in den nächsten Jahren zunehmend in Betrieb genommen werden könnten. Das ist aber abhängig von den technologischen Fortschritten und rechtlichen Rahmenbedingungen. Niemand wird sich in ein unsicheres Fahrzeug setzen.

In einer Aktuellen Stunde des Landtags im November 2023 haben Sie für den Radweg von Dipshorn nach Otterstedt eine konkrete Förderzusage für das Jahr 2024 gegeben. Wann wird diese Radweglücke endlich geschlossen sein?

Das ist eine kommunale Maßnahme. Deshalb fördern wir diese auch nach dem Niedersächsischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (NGVFG). Die Zeitplanung kennt der Landkreis selbst am besten. Ich vertraue aber darauf, dass man hier jetzt sehr zügig vorankommt.

Zu solchen ärgerlichen Lücken kommt es immer mal, wenn Radwege mehrere Landkreise betreffen. Warum sagt das Land nicht: Zuschüsse von uns gibt es nur, wenn ihr euch geeinigt habt und es eine konsistente Planung gibt?

In solchen Fällen ist es immer hilfreich, wenn sich Landkreise auf eine gemeinsame Planung verständigen können. Und zunächst mal ist jedes Stück Radweg zu begrüßen und eine Verbesserung gegenüber dem Status quo. Und die Erfahrung zeigt auch, dass die meisten Landkreise schlussendlich auch eine gemeinsame Lösung finden – auch wenn es mal etwas länger dauert.

Künstliche Intelligenz (KI) ist auf der Tarmstedter Ausstellung ein wichtiges Thema. Für Sie eher eine Chance oder eher eine Gefahr?

Ganz klar: Sie ist eine Chance. Natürlich müssen wir die damit verbundenen Risiken, wie Datenschutz und ethische Fragen, sorgfältig abwägen und entsprechende Regulierungen entwickeln. Aber wir sprachen oben über den Fachkräftemangel etwa bei technischen Planungen, aber auch etwa beim autonomen Fahren. KI bietet hier die große Möglichkeit. Sie wird dann also keine Menschen ersetzen, sondern mithelfen, Arbeit zu erledigen, für die wir gar nicht mehr das notwendige Personal finden.

In der Samtgemeinde Tarmstedt gibt es immer noch Orte, an denen kein oder nur unzureichender Handy-Empfang ist. Wie kann dieses Problem gelöst werden?

Wir haben uns bei der Bundesnetzagentur gerade darauf verständigt, die eigentlich anstehenden Frequenzversteigerungen im kommenden Jahr auszusetzen. Das bedeutet einen echten Systemwechsel beim Mobilfunkausbau. Die dadurch für die Netzbetreiber eingesparten Milliarden-Summen müssen im Gegenzug in den Ausbau des Mobilfunknetzes gesteckt werden. Das werden wir natürlich eng kontrollieren. Das verbinde ich mit der begründeten Hoffnung, dass die Zeiten, in denen wir uns über die ständigen Lücken ärgern müssen, bald der Vergangenheit angehören werden. Mobilfunkversorgung immer, überall und für alle rückt damit in greifbare Nähe.

Wie klimafreundlich reisen Sie zur Tarmstedter Ausstellung an?

Noch nicht klimafreundlich genug, wenn ich ganz ehrlich bin. Wir nutzen derzeit noch Dienstwagen mit Verbrennungsmotor. Der ist von einem hiesigen Autobauer und auch schon hocheffizient. Wir warten aber derzeit auf die Auslieferung eines vollelektrischen Fahrzeuges – einem ID.7 von Volkswagen. Nicht nur aus Klimagesichtspunkten, sondern auch als Technikenthusiast und Autofan freue mich da schon drauf.

Zur Eröffnung der Ausstellung gibt es immer Livemusik. Welches Lied würden Sie dabei gerne hören?

Musikgeschmack ist ja immer eine persönliche Angelegenheit, aber ich würde mich über ein Lied freuen, das Optimismus und Aufbruchsstimmung vermittelt. Ein bisschen klassisch wäre da vielleicht „Don’t stop me now“ von Queen. Oder wie wäre es sonst mit einer etwas neueren Alternative? „Shut Up and Dance“ von Walk the Moon?

Das Interview führte Johannes Heeg.

Zur Person

Olaf Lies (SPD)

ist seit November 2022 Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung. Zuvor war Lies fünf Jahre lang Niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Der 57-Jährige studierte Elektrotechnik in Wilhelmshaven, arbeitete als Entwicklungsingenieur und als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent an der heutigen Jadehochschule in Wilhelmshaven. An diesem Freitag hält er die Festrede zur Eröffnung der Tarmstedter Ausstellung.

Zur Sache

Das Programm für Freitag, 12. Juli

Festzelt: 10 Uhr, Offizielle Eröffnungsveranstaltung mit Minister Olaf Lies und musikalischer Begleitung; 21 Uhr Party mit der Liveband „Certain Souls“

Show Ring: 10 und 14.15 Uhr, Shire-Horse-Präsentation; 10.15 und 12.15 Uhr, Bunte Tiershow mit Alpakas, Schafen, Ponys, Rindern und Ziegen; 10.45 und 12.45 Uhr, Rittershow; 11.10 und 13.10 Uhr, Islandpferde von Müllers Hoff; 11.35 und 13.35 Uhr, Die Haflinger von Claus Luber; 11.45 und 13.45 Uhr, Emsland Speed Rodeo Cup; 12 und 14 Uhr, Friesenpferde-Präsentation; 14.30 Uhr, Zentrale Stutenschau

Landwirtschaftsring: 13 und 15.30 Uhr, Ziegen-Präsentation

Podiumsdiskussionen (Zelthalle 7): 14 Uhr, Die Rolle der Netzbetreiber für die erneuerbaren Energien

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