An diesem Dienstag fährt Vanessa Zobel, die frisch gewählte neue Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis 30, nach Berlin, um sich mit ihren künftigen Fraktionskolleginnen und -kollegen der CDU zu treffen. Vor ihr und der neuen Bundesregierung liegt ein Berg voller Aufgaben. Mit Blick auf das gute Abschneiden der in Teilen rechtsextremen AfD deutschlandweit, aber auch im eigenen Wahlkreis, sagt die Bremervörderin: "Das ist ein bundesweiter Trend. Wir müssen jetzt zeigen, dass wir auf Bundesebene die Themen angehen und die Probleme auch lösen." Nur so könne man "den Trend drehen und die Wähler zurückgewinnen". Sie werde jedenfalls "für einen starken ländlichen Raum kämpfen" und "für mehr Realität in Berlin".
An der Basis sind die Erwartungen an die neue Abgeordnete jedenfalls hoch. "Sie wird nun erst einmal in der Hauptstadt ankommen und sich orientieren und vernetzen müssen", sagt Stephan Kück-Lüers aus Wilstedt, Mitglied der CDU-Fraktion im Samtgemeinderat Tarmstedt. Gleichzeitig wünsche er sich, "dass sie in der Region mehr Präsenz zeigt als ihr Vorgänger". Das sei wichtig, damit die Menschen die Volksvertreter nicht als abgehoben empfinden. Als eines der wichtigsten Themen, die die neue Regierung angehen müsse, sei die faire Umsetzung der Energiewende. "Die Menschen in der Region müssen angemessen an den Erträgen der Wind- und Solarparks beteiligt werden, sonst wird das nichts mit der Akzeptanz", so Kück-Lüers. Gebraucht werde ein Modell, von dem jeder Einwohner profitiere: "Die Bundesregierung muss einen verpflichtend vergünstigten Strompreis einführen, davon haben alle was." Schließlich werde sich die Samtgemeinde Tarmstedt in wenigen Jahren zum Zentrum der Energiewende im Landkreis entwickeln, mit mehr als einhundert neuen Windrädern.
Blick auf die Infrastruktur
Die SPD-Ratsfrau Janina Meyer aus Hanstedt wünscht sich von der neuen Abgeordneten einen verschärften Blick auf die Infrastruktur im ländlichen Raum. Buslinien und das öffentliche Ladenetz für E-Autos müssten ausgebaut werden. Vor allem aber wünscht sie sich eine Förderung der politischen Bildung an den Schulen. Daran mangele es, was einen Teil des Erfolgs der AfD erkläre. "Es gibt Programme, die Schülern die Politik nahebringen", so Meyer. Leider informierten sich junge Menschen hauptsächlich über Social-Media-Plattformen wie Tiktok, auf denen die AfD professioneller unterwegs sei als die Parteien der Mitte. SPD und CDU hätten es schwer, junge Menschen zu erreichen. Sie selbst sei mit ihren 21 Jahren "das mit Abstand jüngste SPD-Mitglied in Tarmstedt". Viele Jugendliche wüssten nicht einmal, dass es in Tarmstedt einen SPD-Ortsverein gebe.
Tarmstedts CDU-Chef Stephan Otten erwartet, dass Vanessa Zobel "in Berlin den ländlichen Raum ins Gespräch bringt". Gute Voraussetzungen habe sie dafür, denn sie komme aus der Region. Zu tun gebe es für die neue Regierung genug, sie müsse der teilweise verunsicherten Bevölkerung wieder Zuversicht vermitteln. Konkret handeln müsse die Regierung in den Bereichen ÖPNV, Energieversorgung, Wirtschaft, Landwirtschaft und Bürokratieabbau. "Nur wenn die Probleme gelöst werden, wenden sich die Menschen von der AfD wieder ab", meint der Hepstedter. Gerade das Gefühl der Unsicherheit treibe viele Menschen zur AfD, die aber "überhaupt keine Lösungen zu bieten hat".
Erschreckendes Ergebnis
Ottens Parteifreund Kück-Lüers sagt, er sei "ein bisschen erschrocken über das AfD-Ergebnis". Dieses sei "nicht akzeptabel". Er frage sich: "Woher kommen diese Wähler? Mir hat noch nie jemand gesagt, dass er AfD wählt." Daher habe er auch "noch keine Erklärung gehört, wie diese Partei denn substanziell die Probleme unseres Landes lösen will". In deren Wahlprogramm sei jedenfalls "nichts Positives zu finden".
Samtgemeindebürgermeister Oliver Moje gibt Vanessa Zobel mit auf den Weg, "dass Berlin die ländlichen Räume nicht vergessen" möge. Ein Problem sei beispielsweise, dass es für Kommunen schwierig sei, sich an Projekten der Energiewende zu beteiligen. "Da brauchen wir mehr Klarheit", so Moje. Überhaupt müsse die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden verbessert werden, damit diese ihre Aufgaben erfüllen könnten.
Das gute Wahlergebnis der AfD in der Samtgemeinde Tarmstedt habe auch ihn erschrocken. Dabei sei das Hauptthema des zurückliegenden Wahlkampfs, die Migration, in Tarmstedt gar kein Aufreger. "Seit zwei Jahren bekommen wir keine Menschen zugewiesen, die keine echte Bleibeperspektive haben", sagt Moje. "Das läuft hier alles in geordneten Bahnen, auch weil wir alle Flüchtlinge dezentral unterbringen und einen sehr engagierten Verein haben, der sich um die Menschen kümmert."