Stehen im Plattenregal bei Sortierung alter Schule Arcade Fire und Arctic Monkeys auch dicht beieinander, verbindet die beiden Abschluss-Attraktionen des diesjährigen Hurricane-Festivals eigentlich nur ihre Eigenwilligkeit. Selbst der Wille zum Rocken ist bei Arcade Fire, die das Programm auf der Blue Stage beenden, eher unausgeprägt. Allerdings vereinen sie vieles, was in den drei Tagen zuvor an verschiedenen Orten vereinzelt zu erleben war; ihr Stilmix ist weitaus weniger aggressiv als der von Prodigy, den anderen großen Crossover-Spezialisten in diesem Jahr in Scheeßel, aber nicht minder spektakulär. Die Kanadier bringen eine freundlichere Attitüde mit, aber sie untermauern sie mit einer sehr nachdrücklichen Präsenz.
Zwischen Clubsounds und folkloristischen Versatzstücken tanzen die sieben Musiker wild durcheinander; dabei ist das, was sie dabei anrichten, nur vordergründig chaotisch. Das ungezügelte Auftreten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sehr kunstvoll und vollmundig verschwenderisch ihren ständig changierenden Klangkosmos zusammengeschraubt haben.
Unter der gigantischen Discokugel leuchten unzählige Sterne – ein Bild, das die Musik angemessen beschreibt. Die unverdientermaßen zu diesem Zeitpunkt schon sehr gelichteten Reihen teilen sich in jene auf, die immer noch feiern wollen, und jene, die immer noch konzentriert zuhören mögen. Auf ihre Kosten kommen beide Fraktionen reichlich.
Fast mehr Soulbrüder als Indierocker
Das gilt auch für den Schwanengesang des diesjährigen Festivals, den kurz darauf die Arctic Monkeys anstimmen. Ihr Sound ist trotz gewisser Experimentierfreude ihres aktuellen Albums „Tranqulility Base Hotel + Casino“ kompakter und fokussierter, aber nicht weniger faszinierend. Das Knistern in den letzten Sekunden, bevor Alex Turner und seine Band die Green Stage betreten, ist spürbar. Die Vier aus Sheffield bringen neuerdings Glamour ins Spiel und sind in manchen Momenten schon fast mehr Soulbrüder als Indierocker. Den Spagat zu ihren hochtourigen, gerne leicht überhitzten Hymnen der Frühphase bekommen sie irgendwie dennoch hin, obwohl es nicht völlig erklärbar ist, wie das eigentlich zusammen gehen kann.
Vielleicht haben sich die Arctic Monkeys gar nicht neu erfunden, sondern nur ihr Potenzial gründlicher ausgeschöpft? Vielleicht haben sie sich keinen Retro-Anstrich gegeben, sondern nur die bislang verdeckten Wurzeln ein wenig freier gelegt? Ihr Auftritt stellt viele Fragen und liefert keine eindeutigen Antworten. Wozu auch, wenn sich zu den entsprechenden Klängen alles erleben lässt, von nostalgischen Rückblicken bis hin zu großer Aufbruchstimmung. Ein erwärmender Soundtrack für ein ganzes Leben – mindestens aber für drei nur äußerlich unterkühlte Festivaltage.