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Elbe-Lippe-Leitung Nord Erdverkabelung für Tennet keine Option

Entlang der von Tennet geplanten Stromleitungstrasse soll das neue Projekt des Netzbetreibers entstehen – die Elbe-Lippe-Leitung, die auf ihrem Weg von Nord nach Süd auch die Samtgemeinde Sottrum durchquert.
27.07.2022, 15:12 Uhr
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Erdverkabelung für Tennet keine Option
Von Lars Köppler

Der Ersatzneubau der Stromleitungstrasse von Stade nach Landesbergen bewegt die Menschen in Sottrum und Hassendorf schon seit einigen Jahren. Die Bürgerbewegung "Hassendorf unter Strom" hatte sich Ende 2019 formiert und ihren Protest gegen die von Tennet favorisierte Freilandleitung mit hohen Strommasten vehement unter anderem mit gelben Handzetteln zum Ausdruck gebracht. Umso mehr ist das Unternehmen darauf bedacht, die Bürger offen und transparent über das derzeit noch am Beginn des Planungsprozesses stehende Parallelprojekt Elbe-Lippe-Leitung Nord (Elli) zu informieren, welches ebenfalls Bereiche der Samtgemeinde Sottrum betrifft.

Und so stieß der Infomarkt in dieser Woche in Hellwege auf große Resonanz. "Uns ist es besonders wichtig, sowohl politische Verantwortungsträger als auch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort frühzeitig mit einzubinden", sagte Jennifer Bannick, die als Referentin für Bürgerbeteiligung gemeinsam mit ihrer Kollegin Renate Gaus immer wieder den Dialog mit den Menschen suchte. Erklärtes Ziel von Tennet sei es, mit allen Beteiligten die bestmögliche Lösung für das Projekt zu finden. Wie bereits die im Bau befindliche Leitung Stade – Landesbergen, die die bestehende 220-kV-Leitung ersetzen soll, ist auch die Elbe-Lippe-Leitung Nord dazu gedacht, eine bestehende 380-kV-Leitung zu verstärken und zu ersetzen. „Den Bedarf dazu hatte die Bundesregierung zu Beginn der Planung für Stade – Landesbergen 2013 noch nicht bestätigt“, erklärt Renate Gaus.

Auftrag durch die Bundesregierung

Der Planungsauftrag leitet sich demnach direkt aus dem im vergangenen Jahr durch den Deutschen Bundestag beschlossen Bundesbedarfsplangesetz ab und wurde 2021 von der Bundesregierung erteilt. Die zu ertüchtigende Bestandsleitung startet derweil westlich von Hamburg im Umspannwerk Dollern und erstreckt sich auf einer Länge von 150 Kilometern über die Kommunen Fredenbeck, Horneburg, Harsefeld, Zeven, Sottrum, Langwedel, Verden, Thedinghausen, Grafschaft Hoya, Marklohe, Siedenburg, Petershagen, Uchte, Mittelweser und Liebenau nach Ovenstädt. Damit ist die geplante Trasse das Schwesterprojekt der geplanten Leitung Stade – Landesbergen, die annähernd parallel zur 380-kV-Bestandsleitung verläuft.

Um also in Zukunft mehr Strom transportieren zu können, muss bis 2033 eine neue 380-kV-Leitung errichtet werden. Im Anschluss, so der Tennet-Plan, soll die bisherige Stromleitung zurückgebaut werden. Auch wenn es sich bei der Bestandsleitung bereits um eine 380-kV-Leitung handelt, ist der Unterschied zur geplanten Elbe-Lippe-Leitung Nord auffällig. "Die Transportkapazität wird mit dem Ersatzneubau von 2400 Ampere auf mehr als 4000 Ampere erhöht. Dafür werden mehr Leiterseile aufgelegt, die Masten werden deshalb mit 4er-Bündeln statt wie bisher mit 2er-Bündeln ausgestattet – das können die derzeitigen Masten nicht mehr leisten. Daher ist ein Ersatzneubau dringend notwendig", heißt es von Tennet.

Reges Interesse

Rund 50 Menschen hatten sich über den Tag verteilt bis zum späten Nachmittag beim Infomarkt eingefunden, um mit den Planern ins Gespräch zu kommen. Besonders der Fakt, dass das Projekt als Freilandleitung verwirklicht werden soll, stieß bei einigen Besuchern auf Kritik. "Die Problematik ist: Wir kämpfen für eine Erdverkabelung, doch Tennet will das nicht. So haben wir dann zwei Leitungen direkt nebeneinander in einem Naturschutzgebiet. Das wird nicht sehr schön aussehen", meinte Hans-Uwe Franke von der Bürgerbewegung "Hassendorf unter Strom".

Bürgermeister Klaus Dreyer brachte derweil einen Beschluss des Gemeinderates Hassendorf ins Spiel. Dieser bezog sich auf den Prüfauftrag der Genehmigungsbehörde, die Möglichkeit einer direkten Erdverkabelung vom Sottrumer Umspannwerk durch das Wümmegebiet abzuwägen. "Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich der Hassendorfer Gemeinderat entschließt, den seinerzeit einstimmig gefassten Beschluss zu bekräftigen, obwohl Tennet weiterhin die Freileitung in das Verfahren einbringen wird. Der Rat wird sich gleichwohl weiterhin mit dem Ergebnis des Prüfauftrages befassen und mit der Aussage von Tennet auseinandersetzen müssen, dass eine Erdverkabelung ein Vielfaches einer Freileitung kosten wird und wohl auch eine wesentlich längere Bauzeit bedeuten würde. Dieser Aspekt dürfte auch im Hinblick auf die explosionsartige Verteuerung von Energie nicht zu vernachlässigen sein."

Renate Gaus verwies derweil auf die rechtlichen Bestimmungen, an die sich Tennet gebunden fühlt. "Wir müssen die Brille des Gesetzgebers aufsetzen und können nur auf Basis der Gesetzesgrundlage planen. Und Erdverkabelung ist immer noch eine Pilottechnik. Die Elli-Leitung ist eine Wechselstromleitung – und da fehlt uns noch die langfristige Erfahrung", stellte Gaus fest und hob hervor, dass der Natur- und Umweltschutz bei der Elbe-Lippe-Leitung eine zentrale Rolle für Tennet spiele. So werde etwa in jedem Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsstudie durchgeführt, welche die Grundlage für die weitere Planungsarbeit darstelle.

Umspannwerk heißes Thema

Aber auch die Frage nach dem Standort für das neue Umspannwerk beschäftigt offenbar die Menschen aus der Samtgemeinde Sottrum. Obwohl die geplante Trasse, die sich eng an der Bestandsleitung orientiert, die Samtgemeinde Sottrum durchquert, tangiert die Elbe-Lippe-Leitung das bestehende Umspannwerk in Sottrum nicht. Dieses könne zusätzliche Kapazitäten, ausgelöst durch den Netzausbau, nicht mehr aufnehmen. Einer Erweiterung am bestehenden Standort seien damit platztechnische Grenzen gesetzt. Um eine zuverlässige Stromversorgung und die Sicherheit der Netze zu gewährleisten, sei es daher sinnvoll, diese kritische Infrastruktur räumlich zu entkoppeln, heißt es von Tennet.

Die Planungen für ein weiteres Umspannwerk in Sottrum laufen derweil auf Hochtouren. Dort sollen dann die Elbe-Lippe-Leitung sowie die Leitung Conneforde – Sottrum mit mehreren 110-kV-Leitungen aus der Umgebung verknüpft werden. Derzeit werden vier mögliche Standorte für ein neues Umspannwerk geprüft: nördlich von Hassendorf, Höperhöfen sowie südlich und nördlich von Bittstedt. "Jeder Standort hat seine Vor- und Nachteile. Es ist völlig offen, wir werden alle Optionen gleichwertig behandeln", erläuterte Insa Banssen aus dem Projektteam. Aktuell befinde man sich im Raumordnungsverfahren.

Bislang geht Tennet von einer Inbetriebnahme der Elbe-Lippe-Leitung 2032/33 aus. Bis dahin ist es also noch ein weiter Weg, der in mehreren Schritten zurückgelegt werden soll. Aktuell befindet sich das Projekt in der Trassenvoruntersuchung. Zudem bereitet Tennet die Planungs- und Genehmigungsverfahren vor. Das Planfeststellungsverfahren mit der Versendung der entsprechenden Unterlagen soll indes Mitte September eröffnet werden. Dann haben Gemeinde und alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, in diesem Verfahren eine Stellungnahme abzugeben. Der Bau der Elbe-Lippe-Leitung Nord soll derweil in vier Abschnitten erfolgen. Zur Auswahl eines Trassenkorridors ist eine intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Varianten und Alternativen notwendig. Dabei fließen verschiedene Faktoren – unter anderem Privateigentum, Naherholung, Naturräume, technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit – in die Entscheidung mit ein. Auch rechtliche Vorgaben, die zwingend eingehalten und bei jeder Entscheidung beachtet werden müssen, haben ihren Einfluss.

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