Hunde im Krankenhaus – das kann im ersten Moment für Verwirrung bei Patienten und Besuchern führen. Schließlich müssen Vierbeiner normalerweise draußen bleiben. Doch die elfjährigen Milo und Polly sind keine gewöhnlichen Haustiere. Sie arbeiten auf der geriatrischen Station der Aller-Weser-Klinik (AWK) und unterstützen die Ergotherapie. Damit das für Laien direkt zu erkennen ist, tragen sie ein Geschirr mit der Aufschrift "Therapiehund".
"Es gibt einige Einrichtungen, die Therapiehunde erlauben", sagt Mareike Plumeyer, Leiterin der Ergotherapie in der Achimer Klinik. "Gerade in Altenheimen und Praxen werden sie eingesetzt." In Kliniken sind die Tiere allerdings noch weniger anzutreffen. Dabei kann sich der Einsatz von Hunden nachweislich positiv auf die Gefühlswelt von Menschen auswirken, bestätigen Studien. Erkrankte Menschen können im Umgang mit einem Therapiehund Gefühle wie Glück, Zuneigung und Verantwortung für sich wiederentdecken. Sie überwinden Ängste und steigern ihre kognitiven Fähigkeiten. Die Krankheitsbilder, bei denen die tiergestützte Therapie anwendbar ist, sind vielfältig. "Und manchmal hilft einfach auch schon die Ablenkung von den gesundheitlichen Problemen", weiß die 33-Jährige.
Eignungstest erforderlich
Um Hunde in der Therapie einzusetzen, bedarf es einer einjährigen Ausbildung für das Mensch-Tier-Team. Milo und Polly mussten dafür erst einmal einen Eignungstest meistern. "Denn nicht jeder Hund ist für die Aufgaben der tiergestützten Therapie geeignet", weiß Plumeyer, die mittlerweile auch Dozentin am Bremer Fortbildungszentrum (Fobize) ist. Gerade wissbegierige und kontaktfreudige Rassen, wie Retriever, Australian Shepard oder Pudel, zeigten besonders schnell Erfolge. Aber auch Mischlingshunde, wie die aus dem Tierschutz stammende Polly, seien geeignet. Für den erfolgreichen Abschluss bewältigen das Tier und sein Halter viele praktische Übungsstunden, eine Hausarbeit, ein Lehrvideo sowie eine praktische und schriftliche Prüfung.

Die tiergestützte Therapie kann unter anderem positive Auswirkungen auf das Durchhaltevermögen von Patienten bei Bewegungsübungen haben.
An drei Tagen die Woche arbeiten die beiden Fellnasen seitdem in der Achimer Klinik. "Wir haben am Anfang gemeinsam mit den Ärzten, dem Betriebsrat und weiteren Abteilungen ein Hygienekonzept erstellt", erinnert sich Plumeyer. Dieses regelt, wo sich die beiden Therapiehunde aufhalten dürfen, welche Wege genutzt werden dürfen und welche Schutzmaßnahmen für die Patienten, aber auch für den Hund getroffen werden müssen. Zudem musste das Veterinäramt zustimmen.
Auch die Patienten müssen für die tierische Therapie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. "Sie müssen zum Beispiel frei von bestimmten Erkrankungen sein und dürfen keine offenen Wunden oder Pergamenthaut haben", erklärt die leitende Ergotherapeutin. Zudem dürfen sie nicht ängstlich oder allergisch auf Hunde reagieren und müssen sich vorher mit dem Besuch einverstanden erklärt haben. "Wenn ich in eine Therapie gehe, erzähle ich deswegen erst einmal ein bisschen über Milo und Polly", berichtet Plumeyer. So würde sich schnell herausstellen, wie die Patienten auf das Thema reagieren und ob sie Tierfreunde sind. "Oft erzählen sie mir dann auch von ihren eigenen Haustieren." So entstehe dann schnell eine Verbindung.
Hygiene muss eingehalten werden
So war es auch bei Patientin Erika Scholz aus Hoya. Sie hatte selbst jahrelang einen Hund und freut sich nun über die Unterstützung durch Assistenzhündin Polly bei ihrer Feinmotorik-Übung an der Hand. Bevor die Therapie so richtig losgehen kann, legt Mareike Plumeyer der Patientin erst einmal eine Decke über den Schoß. Am Ende der Aufgabe wartet dann das heiß ersehnte Leckerli auf die Hündin. "Du bist ja fein", sagt die Seniorin und gibt ihr die Belohnung strahlend.
Rund 15 Minuten am Stück können die beiden Hunde jeweils arbeiten, ohne zu erschöpft zu sein. Meistens halten sie sich dabei im Therapieraum der geriatrischen Station auf oder begleiten die Patienten auf einen Spaziergang nach draußen. "Ich darf mit den Hunden, wenn nötig, allerdings auch in die Patientenzimmer gehen." Wenn sie nicht im Einsatz sind, nimmt Plumeyer den beiden ihr Geschirr ab. "Und dann wissen sie ganz genau, jetzt ist Pause."
"Milo und Polly sind vom Charakter sehr unterschiedlich", sagt die Ergotherapeutin. Während Australian Shepherd Milo gerne Tricks vorführt und die Patienten auch in den Gruppentherapiestunden unterhält, ist Mischlingshündin Polly sehr dem Menschen zugewandt. "Sie hat einen sehr ruhigen und ausgeglichenen Charakter. Sie lässt sich gerne streicheln und schafft es, auch zu schwierigen Fällen Kontakt aufzunehmen", betont Plumeyer.
Die Hunde-Expertin beobachtet deswegen ganz genau, welche Wirkung das jeweilige Tier auf die Patienten hat. "Aber ich muss auch die Körpersprache der Hunde lesen können", erklärt die 33-Jährige, die nebenberuflich auch Hunde trainiert. Denn obwohl die beiden Vierbeiner für schwierige Situationen mit fremden Menschen ausgebildet sind, können sie auch mal Anzeichen von Stress zeigen. "Und das Wohl der Hunde steht ganz oben." Schließlich ist der Klinikalltag für Milo und Polly nicht nur Spaß, sondern auch eine anstrengende Aufgabe – sowohl körperlich als auch emotional.