Für sie ist der Tod nicht immer etwas Schlimmes – oft ist er vielmehr eine Erlösung. Sarah Behrmann ist Altenpflegerin und hält manchem Patienten die Hand, wenn die Seele vom Körper Abschied nimmt.
Oyten. Sarah Behrmann ist 26 Jahre alt. Ihre Entscheidung, Altenpflegerin zu werden ist geprägt durch das Vorbild ihrer Mutter, denn auch sie sorgt sich um Senioren. "Es ist meine Berufung, etwas anderes will ich nicht machen", sagt Sarah Behrmann, und das kommt spürbar von Herzen. Vor zehn Jahren begann die 26-Jährige ihre dreijährige Ausbildung. Heute arbeitet sie als Pflegekraft im Senioren- und Pflegeheim Bernd Metzentin in Oyten.
Dass der Tod in dem Beruf eine große Rolle spielt, das wusste Sarah Behrmann von Anfang an. "Es war mir klar, dass das Altenheim die letzte Station der Menschen vor dem Tod ist." Und bereits im ersten Ausbildungsjahr wurde die junge Pflegerin mit dem Sterben konfrontiert. "Es war einerseits ein erschreckendes Gefühl, andererseits war absehbar, dass der Mensch nicht mehr lange zu leben hatte", erzählt Sarah Behrmann. Angst oder gar Ekel habe ihr der Kontakt mit Toten nie bereitet. "Der Verstorbene war mir ja immer vertraut", erklärt sie.
Manchmal kommen Zweifel
Am schönsten ist es für die 26-Jährige, wenn ein Patient einschläft. "Dann weiß ich, dass es ein friedlicher Tod war." Doch sei das eher selten der Fall. "Meistens ist es schlichtweg das Alter oder eine fortschreitende Demenz." Werde ein Patient von Tag zu Tag müder, sei das ein Vorzeichen dafür, dass sich sein Leben dem Ende neigt. So käme es auch vor, dass Sarah Behrmann gelegentlich zweifelnd ein Zimmer betritt. "Es kommt schon vor, dass ich den Puls fühlen muss, um zu sehen, ob noch Leben in dem Körper ist", sagt Sarah Behrmann. Gerade, wenn jemand tief schlafe, sei das schwer zu erkennen. Nicht selten sieht die Altenpflegerin den Tod als Erlösung. "Er kann das größte Geschenk sein", sagt sie, wobei sie an Menschen denkt, die etwa künstlich ernährt werden müssen oder im Wachkoma liegen und bei denen auch die Angehörigen mitleiden.
Im Laufe der Jahre hat sich Sarah Behrmann im Umgang mit dem Tod ganz eigene Rituale angeeignet. Es komme vor, dass sie Menschen begleitet, wenn "die Seele dem Körper entfliegt", wie sie es nennt. "Manchmal halte ich einfach nur die Hand, manchmal mache ich Entspannungsmusik an", beschreibt die Pflegerin. Doch bräuchten manche Patienten auch Ruhe zum Sterben und wollen alleine sein. "Das spüre ich und verlasse das Zimmer", sagt sie feinfühlig. Natürlich versucht die 26-Jährige, eine professionelle Distanz zu ihren Patienten einzuhalten, wenngleich sie ihr Arbeitsumfeld als familiär empfindet. "Manchmal gelingt das aber nicht", erzählt sie.
Es komme vor, dass sie um einen Toten weint, schließlich baue man zu jedem ein vertrautes Verhältnis auf. Halt finde sie dann nicht zuletzt bei ihren Kollegen. "Immer, wenn jemand verstorben ist, sprechen wir im Team noch einmal über ihn. Wir lassen sein Leben Revue passieren und lachen auch, um die fröhlichen und schönen gemeinsamen Momente sichtbar zu machen". So könne sie am Ende des Tages nach Hause gehen und mit dem Erlebten abschließen, sagt die Altenpflegerin. Ein Todesfall aber wird ihr wohl länger im Gedächtnis bleiben. Dabei starb eine Krebspatientin, der es sehr schlecht ging – sie war erst 65 Jahre alt. Das Ende war absehbar, doch standen sich die beiden sehr nahe. "Ich hatte ihr bei Feierabend versprochen, morgen wiederzukommen, um mich von ihr zu verabschieden", erzählt Sarah Behrmann, "aber ich kam einen Moment zu spät".
Sarah Behrmann hat neben den Teamgesprächen auch eigene Gewohnheiten entwickelt, die ihr helfen, sich von einem Menschen zu verabschieden. "Ich gehe noch mal allein in das Zimmer des Patienten, um mit ihm einen Moment der Stille zu verbringen oder ihm letzte Worte mit auf den Weg zu geben. Die können auch lustig sein", beschreibt die 26-Jährige, die, wie sie zugibt, Angst vor dem Altern hat. "Man sieht verschiedene Leiden und macht sich wohl schon deshalb mehr Sorgen als andere." Das sei vermutlich ein Grund, weshalb sie sich schon jetzt mit einer Patientenverfügung beschäftige. "Die möchte ich demnächst festlegen", sagt die 26-Jährige. Schließlich könne man jeden Tag darauf angewiesen sein, nicht nur im Alter.
Ob die Altenpflegerin selbst Angst vor dem Tod hat, kann sie nicht genau sagen. "Das ist von meiner Gefühlslage abhängig: An einem Tag habe ich Angst, am anderen denke ich ,es kann auch schön sein’."
Es ist ein Thema, das wenig Platz findet, von vielen wird es verschwiegen, ignoriert oder man macht sich – um es besser zu ertragen – darüber lustig. Der Tod und die damit verbundene Trauer. Und doch muss sich jeder Mensch früher oder später auch ernsthaft damit auseinandersetzen. In der Reihe "Leben mit dem Tod" stellen wir Männer und Frauen vor, die beruflich oder ehrenamtlich mit Tod und Trauer umgehen.