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Bioabfall-Vergärung Firmengründung in der Rottehalle

Die Kreise Osterholz, Verden und Cuxhaven sowie die Stadt Cuxhaven machen beim Biomüll gemeinsame Sache: Ihre kommunale Firma soll eine Vergärungsanlage bauen und betreiben, um Energie und Kompost zu gewinnen.
22.07.2020, 17:35 Uhr
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Firmengründung in der Rottehalle
Von Bernhard Komesker

Osterholz-Scharmbeck/Landkreis Verden. 19 Millionen Euro soll sie kosten, in drei Jahren soll sie in Betrieb gehen: Die geplante Verwertungsanlage für den gesammelten Biomüll der Landkreise Osterholz, Verden und Cuxhaven sowie der kreisfreien Stadt Cuxhaven. Die Verwaltungsspitzen der vier Kommunen unterzeichneten am Mittwoch den Vertrag zur Gründung einer Betriebsgesellschaft. Die Kommunale Entsorgungsanstalt Nord-Niedersachsen (Kenn) soll als gemeinsame kommunale Anstalt öffentlichen Rechts ab 1. September den Bau der Anlage im Gewerbepark A 27 vorantreiben. Das Grundstück ist bereits reserviert.

Dort wird, so der Plan, der Inhalt der braunen Tonnen in einer kontrollierten Vergärung zu Bio-Methan aufbereitet. Das kann ins Gasnetz eingespeist oder später auch für die Erzeugung von grünem Wasserstoff genutzt werden. Die weitere Projektplanung müsse zeigen, ob sich diese Ausbaustufe bei vertretbarem Aufwand verwirklichen lässt, hieß es gestern am Rande der Vertragsunterzeichnung im zehn Kilometer entfernten Pennigbüttel. Dort, auf dem Gelände der Abfall-Service Osterholz GmbH (Aso), steht bereits eine ungenutzte Halle, in der die Kenn ihre Gärreste zu Kompost umwandeln lassen wird.Während die Osterholzer die braune Tonne schon 2010 eingeführt haben, folgt man im Cuxland nun 2021 nach. Erst gemeinsam bringen die vier gleichberechtigten Anteilseigner genügend Bioabfall auf die Waage, sodass die Sache technisch und wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Wegen fehlender Kapazitäten in der Nähe sowie wegen absehbar steigender Behandlungskosten, so der Osterholzer Landrat Bernd Lütjen, habe der Landkreis vor der Frage gestanden, die Entsorgungspartner wie bisher in europaweiter Ausschreibung in der freien Wirtschaft zu suchen oder aber durch Überzeugungsarbeit bei den Kommunen in der Nachbarschaft.

Die Landräte Peter Bohlmann (Verden) und Kai-Uwe Bielefeld (Cuxhaven) erklärten übereinstimmend, zentrales Argument für Politik und Verwaltung sei die Entsorgungssicherheit. „Der Kreistag hat natürlich Fragen zum Gebührenhaushalt gehabt, aber mit sehr großer Mehrheit zugestimmt“, so Bohlmann. Den Preisrisiken seien die Projektpartner weitaus weniger stark ausgesetzt, wenn sie die Behandlung von Bioabfall selbst in die Hand nehmen und mit der Energiegewinnung auch gleich zukunftsfest machen. Allgemein gilt die offene Kompostierung als Auslaufmodell, denn dabei werden Lachgas und Methan frei.

Der Verdener Landrat verwies auch auf die Begrenzung des Mülltourismus. So wird heute der Bremer Biomüll nach Osnabrück gebracht und der der Osterholzer nach Bremen. Es sei vorteilhaft, dass die geplante Kenn-Anlage recht zentral und gut erreichbar liege und dass mit der schon vorhandenen Nachrotte-Halle eine siebenstellige Investition erspart bleibe, bekräftigte der Cuxhavener Landrat Bielefeld.

Für ihn setze die Kenn ein Zeichen: „Wir können hier beweisen, dass die interkommunale Zusammenarbeit tatsächlich funktioniert“, sagte Bielefeld. Sie bringe einen Fortschritt für den Bürger und für kommende Generationen. Die optionale Ausbaustufe Wasserstoff würde tatsächlich ein Leuchtturmprojekt zwischen Elbe und Weser daraus machen, hatte Bernd Lütjen eingangs betont. Eine öffentliche Wasserstoff-Tankstelle ist erklärtermaßen auch Teil des Plans. Für ihn sei aber schon die Vertragsunterzeichnung an sich ein besonderer Tag, so Lütjen: „So etwas hat es noch nicht gegeben.“

Aus Sicht von Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer macht vor allem der Beitrag zum Klimaschutz die Sache rund. Die Vergärungsanlage wird aller Voraussicht nach Bio-Erdgas in einer Menge erzeugen, die dem Jahresbedarf von rund 350 Einfamilienhäusern entspricht. Umgerechnet auf fossiles Erdgas bedeutet das eine jährliche CO2-Ersparnis von 2000 bis 3000 Tonnen. Santjer sagte: „Wenn die Müllfahrzeuge dann auch noch mit der Energie betankt werden, die aus dem gesammelten Inhalt stammt, ist das ein schöner Kreislauf.“

Von der Einführung der Biotonne erhofft sich der Oberbürgermeister auch, dass jeder einzelne Bürger sein Verhalten bei der Mülltrennung und Müllvermeidung überdenken möge. Für die Stadt Cuxhaven stecke ein Vertrauensvorschuss in der gemeinsamen Firma, sagte Santjer. Bei der Gründung bewegen sich die vier Partner auf Augenhöhe; ihre Einlage von jeweils 712 500 Euro bis Betriebsbeginn beträgt zusammen 15 Prozent der Investitionssumme. Später soll nach angelieferter Menge mit der Kenn abgerechnet werden.

Mit der Kompostierung der Gärreste (jährlich rund 26 000 Tonnen) wird die Kenn ihrerseits eine noch zu gründende Nachrotte GmbH beauftragen, an der sie und der Landkreis Osterholz sich zu gleichen Teilen beteiligen. Diese Nachrotte GmbH soll die seit zehn Jahren leer stehende Halle der Aso in Pennigbüttel pachten und betreiben und dort jährlich etwa 6700 Tonnen Kompost für den Ökolandbau herstellen.

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