1976 wurde die Altdeponie in Thedinghausen-Werder abgedeckt. Unter der Oberfläche liegt dort ein etwa sieben Meter hoher Müllberg, auch Schadstoffe wurden dort entsorgt. Regelmäßig untersucht der Landkreis Verden den Platz, um im Extremfall – wenn sich etwa die Giftstoffe ausbreiten – handeln zu können.
In Thedinghausen tickt eine Zeitbombe. Direkt vor den Toren Achims, nahe der Weser in der Gemarkung Werder, auf der ehemaligen Mülldeponie Werder. Das sagt zumindest Hermann Bartelt. Der Rentner lebt in Achim, nicht weit der heute abgedeckten Lagerstätte. Er ist Zeitzeuge der Ereignisse, die sich in den vergangenen Jahrzehnten um und auf der Altdeponie abgespielt haben. Auch wenn die Sanierung des ehemaligen Waldmann-Geländes in Thedinghausen, über die unsere Zeitung im Dezember berichtete, abgeschlossen sei – sei die frühere Müllkippe in Werder das weitaus größere Desaster. Und das könne nicht unerwähnt bleiben, sagt Hermann Bartelt.
„Die Gemeinde Thedinghausen hat seinerzeit ganz geschickt ihre Giftmülldeponie weit vom Ortszentrum entfernt, direkt dem Nachbarn Achim an die Grenze gelegt“, so der Achimer. „Hier sind jahrelang mit der Genehmigung der Gemeinde Thedinghausen nicht nur von der Firma Waldmann, sondern auch von anderen Firmen aus dem Umland Altöl, Farbreste, Teerabfälle, Karbolineum, Asbest-Rohre und alte Autoreifen ,entsorgt’ worden.“ Nur selten sei der Müllplatz bewacht worden, so dass unkontrolliert auch umweltgefährdende Stoffe abgeladen werden konnten, auch von Bremer Unternehmen.
Bartelt sorgt sich darum, dass die giftigen Stoffe eines Tages austreten könnten. Schließlich liege der Platz in einem Überschwemmungsgebiet und nur etwa einen Kilometer von der Weser entfernet: „Seit fast 40 Jahren rosten die Altöl- und Karbolineumfässer vor sich hin, haben sich wahrscheinlich längst aufgelöst und ihren Inhalt in das Grundwasser entlassen. Was passiert, wenn sich das Altöl verbreitet und in die Weser eintritt?“
Bartelts Sorge sei nicht unbegründet, bestätigt Richard Zorn, Fachdienst Wasser, Abfall und Naturschutz des Landkreises Verden. Die Altmülldeponie in Werder sei 1976 stillgelegt und mit Mutterboden und Sand abgedeckt worden. Der Abfallkörper auf der gut 40 000 Quadratmeter großen Fläche sei etwa sieben Meter mächtig. Ursprünglich als Hausmülldeponie ausgelegt, sei dort in der Tat auch Sondermüll entsorgt worden, auch von der ehemaligen Dachpappen-Fabrik Waldmann. „Das war eine andere Zeit“, versucht er die damaligen Umstände und mutmaßliche Unbekümmertheit der Abfall-Entsorger zu erklären. „Den Leuten damals war nicht bewusst, wie giftig die Stoffe sind.“ Auch Industrieabfälle aus Achim und Bremen habe man in Werder abgeladen. Erst Anfang der 1990er-Jahre hätten gezielte Nachermittlungen begonnen.
„Thedinghausen ist durchaus ein Problem-Schwerpunkt“, so Zorn. Nicht nur in Werder, sondern in jeder Ortschaft habe es früher die sogenannten Bürgermeisterkippen gegeben. Den Platz in Werder beobachtet der Landkreis konstant. Im Rahmen einer orientierenden Untersuchung habe man 2013 ein umfassendes Gutachten angefordert. An mehreren Stellen seien mittels Baggerschürfungen Proben genommen worden. Ergebnis: Bei den Abfällen in der Altdeponie Werder handelt es sich um ein sehr komplexes Gemisch aus Gewerbe- und Haushaltsmüll, belastet mit Schadstoffen. Diese liegen größtenteils unter der Grundwasseroberfläche. Nach ausgiebiger Analyse kam das vom Landkreis beauftragte Ingenieurbüro zu dem Urteil, dass die von der Bundes-Bodenschutzverordnung vorgeschriebenen Grenzwerte „um ein Vielfaches“ überschritten werden. Dies gelte allerdings nur für die Deponie selbst. In der unmittelbaren Umgebung gebe es lediglich an zwei Stellen „Belastungen auf niedrigem Niveau“. Zorn: „Der äußerst undurchlässige Boden trägt zur Rückhaltung der Schadstoffe bei.“ Anhand von mehreren Kontrollbrunnen könne man feststellen, dass die Messwerte seit etwa 15 Jahren stagnieren.
„Kein Anlass zur Sorge“
Insgesamt nehme der Landkreis regelmäßig Proben von 17 Mülldeponien im Kreisgebiet. Werder behalte man laut Zorn besonders im Auge. „Ich wage nicht vorherzusagen, ob es über kurz oder lang dazu kommt, dass wir handeln müssen.“ Die Krux: Der Landkreis habe derzeit kein Geld für eine Altlasten-Sanierung zur Verfügung. Sollte es dazu kommen, dass etwa in Werder Handlungsbedarf bestehe, wäre das Zorns Einschätzung nach vom Landkreis allein kaum zu bewältigen. „Nach derzeitigem Stand besteht aber kein Anlass zur Sorge.“
Das sieht Bartelt anders. Er hält es für „erstaunlich, dass der Landkreis Verden der Altdeponie zwar eine hohe Priorität einräumt, sie aber in dem bundesweiten Kataster und im Flächennutzungsplan nicht mehr aufführt. Soll sie etwa aus unserem Gedächtnis getilgt werden, weil die Behebung der Schäden extrem teuer werden kann?“ Schließlich ticke eine Zeitbombe.