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Tradition Die Erinnerung lebt

Jedes Jahr, immer am Donnerstag vor Fastnacht treffen sich die Mitglieder der Bürger-Bauernkör in Thedinghausen. Neben Gesprächen stehen dann Fipsen und Hedewigs im Mittelpunkt.
08.02.2018, 16:44 Uhr
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Die Erinnerung lebt
Von Jürgen Juschkat

Thedinghausen. Da saßen sie wieder gemütlich beisammen im rustikalen Café: Wie immer am Donnerstag vor Fastnacht versammelten sich die Nachfahren der zur Bauernkör gehörenden 50 ehemaligen Hofstellen der Bürgerei in Thedinghausen und sprachen – nunmehr in Litta’s Bauerndiele – mit vielen geladenen Gästen über tagesaktuelle Ereignisse und die Geschehnisse der Vergangenheit. Dazu gab es traditionell frische Rosinenbrötchen.

„Es ist die älteste Tradition in Thedinghausen“, verwies Günter Esdorn mit ein wenig Stolz auf die Geschichte des seit weit mehr als 200 Jahren veranstalteten Treffens im Februar. Esdorn ist neuer Vorsitzender der Bürger-Bauernkör. Er hatte im Januar die Nachfolge von Horst Wendt angetreten. „Ich hoffe, dass wir auch ein paar junge Leute dazu bekommen, doch sie müssen im Ortsteil Bürgerei wohnen“, lautete Esdorns Zukunftsvision. Zu den Ehrengästen an diesem Tag zählten neben Samtgemeindebürgermeister Harald Hesse unter anderem Archivar Klaus-Dieter Schneider, Pastorin Cathrin Schley und Lothar Helbig, Leiter der Polizeistation Thedinghausen.

Das Haufendorf Bürgerei

Der ehemaligen Samtgemeindebürgermeister und Bauernkör-Schriftführer Gerd Schröder entführte beim Treffen in Litta's Bauerndiele mit einigen Zitaten aus dem Buch „Thedinghausen im Wandel der Zeiten“ des verstorbenen Heimatforschers Kurt Asendorf und mit einem Kurzfilm in die Vergangenheit. Auf der Leinwand lief das Treffen der Bauernkör von 1981, als das Radio-Bremen-Magazin „buten un binnen“ anlässlich zweier Jubiläen davon berichtet hatte. Damals war es genau 300 Jahre her, dass Thedinghausen dem Herzogtum Braunschweig zugeteilt wurde und die Burg des Eyter-Ortes seit 700 Jahren bestand. Ausfindig gemacht hatte den Film Udo Fischer vom Heimatverein.

Es ist bekannt, wo die Bürgerei – das sogenannte Haufendorf – liegt und welche Häuser dazu gehören, aber eine Ortschaft mit festen Grenzen ist die Bürgerei nie gewesen, hieß es beim Treffen am Donnerstag. Diese Besonderheit hänge mit der Zugehörigkeit zur Markgenossenschaft Thedinghausen zusammen. Ursprünglich wurden die Flure der linksseitigen Bauernschaften der Eyter als Allgemeineigentum genossenschaftlich bewirtschaftet.

Die Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten – die Weide- und Feldbestellung, die Bestellung der Hirten und sogar die Unterhaltung der Schulen – lag in den Händen der Bauernkör. Auf der Bauernkör wurde der Bauernmeister bestimmt und vereidigt, die neuen Hauswirte als Mitglieder aufgenommen, ferner der Richter gewählt, der mit Handschlag und Eid geloben musste, nach bestem Wissen und Gewissen und nach den hergebrachten Gewohnheiten der Bauernkör, wie es damals bezeichnet wurde, zu „hägen". Er fällte jedoch selbstständig kein Urteil, sondern trug den Fall den versammelten Bauern vor und sprach dann das von ihnen gefundene Urteil aus.

Bauernkör verpflichtet

Jedes Mitglied der Bauernkör war verpflichtet, alles, was der Bauernschaft oder jedem Einzelnem zum Nachteil geschah und von ihm bemerkt wurde, „getreulich zur Bestrafung nach Bauernrecht" anzuzeigen. Die Strafen waren meist geringe Geldbußen, die sogenannten Wrogen. Heute ist das längst Geschichte, sodass bei den Treffen vor Fastnacht nur noch die Erinnerung lebt.

Auf Themen aus der Gegenwart ging beim morgendlichen Treffen Samtgemeindebürgermeister Harald Hesse ein, der über den Archiv-Umzug sowie Krippen-Plätze informierte und den Förderverein Erbhof, bei dem Gerd Schröder erneut den Vorsitz übernommen hat, für dessen Engagement besonders lobte.

Am Nachmittag und Abend stand das Fipsen um die hier Hedewig genannten Heißwecken im Mittelpunkt. „Fipsen ist ein Kartenspiel wie Mau-Mau“, erklärte Günter Esdorn. Der als Gas-und-Wasser-Installateur arbeitende 46-Jährige begrüßte nicht nur morgens die Mitglieder und Gäste in der geschichtsträchtigen Bauerndiele, sondern empfing am Nachmittag auch die Kartenspieler in seinem Haus. Gewonnen hatte derjenige, dessen Konto von zehn Punkten zuerst auf null stand. Fünf Rosinenbrötchen bildeten den Lohn. Nach alten Übermittlungen soll schon manch ein Kartenspieler am Ende mit 50 Hedewigs nach Hause gegangen sein.

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