Anstrengende Schichtdienste, ein Mangel an Wertschätzung für die geleistete Arbeit und immens hoher Verwaltungsaufwand haben unter anderem dazu geführt, dass immer weniger junge Menschen ihre berufliche Zukunft in der Pflege sehen. Und die Corona-Pandemie trägt in hohem Maße dazu bei, die Personalknappheit in Kliniken und Pflegeheimen an einen Punkt zu bringen, der oftmals kaum mehr beherrschbar ist. Von Notstand ist da die Rede und vom Frust darüber, dass auch kurze Gespräche mit Kranken und Alten der staatlich verordneten Bürokratie zum Opfer fallen. „Wir haben die Reißleine ziehen müssen“, erklärt Mareike Zscharnt von der Seniorenresidenz am Achimer Paulsberg und berichtet von einem Arbeitsaufwand, der ohne Hilfe von außen nicht mehr zu stemmen sei.
„Es hat schon Zeiten gegeben, während derer unsere 92 Bewohner nicht besucht werden durften“, beschreibt die Einrichtungsleiterin eine Maßnahme, die in der Vergangenheit zum Schutz der alten Menschen getroffen wurde. Mittlerweile gehe man schon länger andere Wege, lasse Gäste wieder zu, um die Vereinsamung der Senioren zu verhindern. „Nicht alle sind noch in der Lage, sich in die Gemeinschaft einzubringen. Die Gesellschaft von Angehörigen und Freunden bildet dann die einzige Brücke in die Vergangenheit.“
Testungen der Besucher
Natürlich sei es nicht damit getan, die Besucher zur Einhaltung der Abstand- und Hygieneregeln zu verpflichten, weist die 48-Jährige auf zahlreiche Schritte hin, mit der die Corona-Verordnung des Niedersächsischen Landesministeriums umgesetzt werden muss. So geht jedem Treffen eine Anmeldung bei der Sozialen Betreuung voraus, der eine Terminvergabe folgt. Eine Viertelstunde vor der Begegnung wird dann, das Einverständnis des Gastes vorausgesetzt, getestet. Ein negatives Ergebnis, das im Freien abgewartet werden muss, gilt als „Eintrittskarte“ ins Haus, das Zusammentreffen danach erfolgt über eine Schleuse in einem permanent desinfizierten Besuchszimmer. Die Vor- und Nachbereitung durch zwei Mitarbeiter, pro Vorgang sorgfältig dokumentiert, nimmt jeweils eine Viertelstunde in Anspruch, genauso wie die in regelmäßigen Abständen durchzuführenden Tests der anwesenden Pfleger, Handwerker und Therapeuten.
„Irgendwann drohte wegen der immensen Belastung die Stimmung zu kippen“, erinnert sich Zscharnt. Das sei der Moment gewesen, an dem sie den Landkreis um Unterstützung gebeten habe. Die konnte aber aus verschiedenen Gründen Mitte Dezember nicht gewährt werden. Ein am 20. des Monats abgesetzter Facebook-Aufruf indes zeigte mehr Erfolg, und schon kurze Zeit später hatten sich fünf junge Achimer, zum Teil aus der stillgelegten Gastronomie, in die Materie eingearbeitet und assistieren seitdem bei der Umsetzung der Vorgaben. Auch die Bundeswehr springt mittlerweile ein, hilft an drei Tagen pro Woche, jeweils in zwei Schichten. „Die Männer in Uniform bringen Abwechslung in die Einrichtung und finden positive Beachtung unter den Bewohnern“, freut sich Zscharnt. Einziger Wermutstropfen: Der Einsatz der Männer ist auf drei Wochen befristet. Was danach kommt, ist noch ungewiss, wird aber nicht dem Zufall überlassen. Als einen möglichen weiteren Schritt sieht die Leiterin die Einbindung der Agentur für Arbeit und kann sich vorstellen, Berufsfremde fachlich anzuleiten – mit dem Ziel, bis auf Weiteres als Tester einzuspringen.
Ihr Lohn, sagt Zscharnt, sei das Lächeln der Heimbewohner. Jeder Tag bereite Freude, und die Zufriedenheit ihrer Schützlinge erfülle auch sie. Trotzdem verhehlt sie nicht, dass es zwischendurch gelegentlich zu Unmut und Problemen käme, die es dann zu lösen gelte. Schon während ihrer Schulzeit habe Zscharnt ihre Zukunft in der Pflege gesehen, mittlerweile ist sie 31 Jahre im Dienst. Ihre Aufgabe in Achim habe sie gewählt, um nicht ausschließlich zu beraten und zu empfehlen, sondern um selbst Einfluss nehmen zu können auf das Geschehen in der Einrichtung. Stolz ist Zscharnt darauf, dass es am Paulsberg zu keiner Zeit Corona-Fälle gab, und dass die Impfungen inzwischen erfolgreich beendet werden konnten.