Stickige Luft und angespannte Stimmung im Rathaussaal in Achim. Mehr als 300 Menschen drängten am Dienstagabend in den Raum. Es ging um ein Thema, das emotionalisiert: An der Steubenallee soll ein Wohnheim für Flüchtlinge entstehen. Behördenvertreter, Sozialarbeiter und ein Pastor saßen auf dem Podium, um einem teilweise sehr kritischen Publikum die Pläne für die Wohncontainer zu erläutern. Bürgermeister Rainer Ditzfeld mahnte in energischen Worten eine sachliche Diskussion an. Fremdenfeindliche Äußerungen werde er nicht dulden. „Wir haben es mit Menschen zu tun, die hierher kommen, weil sie viel Leid erfahren haben.“ Es war eine Reaktion des Bürgermeisters auf heftige Verbalattacken einiger Bürger, die es im Vorfeld gegen das Flüchtlingsprojekt gegeben hatte.
Warum ein Wohnheim an der Steubenallee? Ditzfeld lieferte die Begründung: Die Stadt Achim müsse weitere Flüchtlinge aufnehmen, es gebe aber keine geeigneten Wohnungen mehr. Die Kapazitäten seien ausgeschöpft. Als besonders gut geeigneter Standort für ein Wohnheim biete sich die Steubenallee an. Die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten und Bushaltestellen sei ausschlaggebend. Bis zu 40 Flüchtlinge könnten hier unterkommen.
Das in Rede stehende Grundstück gehört der Achimer Reset Church – das ist eine kleine protestantische Kirchengemeinde. Pastor Benjamin Sawadsky betonte, er sehe die Kirche in der Pflicht, Flüchtlingen zu helfen. 80 Prozent der Gemeindemitglieder der Reset Church hätten Migrationshintergrund. „Wir erleben es immer wieder, dass es möglich ist, Barrieren zu überwinden.“ Die Reset Church wolle auf ihrem 14000 Quadratmeter großen Grundstück an der Steubenallee ein modernes Kirchenzentrum und einen „Ort der Begegnung“ schaffen. Wenn Flüchtlinge kommen, wollten sich Gemeindemitglieder auch ehrenamtlich engagieren. Sawadsky bot den Zuhörern – viele von ihnen leben an oder in der Nähe der Steubenallee – einen „offenen Dialog“ an. „Unter Brücken können wir sie nicht schlafen lassen, und wir wollen auch keine Feldbetten in Turnhallen aufstellen“, sagte Bernd Dannheisig. Der Fachdienstleiter Soziales beim Landkreis Verden sprach von einem „enormen Druck“, unter dem die Behörde stehe. Der Kreis müsse Flüchtlinge unterbringen – in Absprache mit den Städten und Gemeinden. Jetzt kämen immer mehr Schutzsuchende in immer kürzeren Zeitabständen. 1085 Flüchtlinge mit Asylstatus hielten sich derzeit im Kreis Verden auf, davon 230 in Achim. Bis Ende September sollen die Zahlen kreisweit auf mehr als 1700 und in Achim auf rund 400 steigen. Dannheisig versicherte, mobile Heime seien „kein mieser Wohnraum“.
Bewohner des Neubaugebietes am Stadtwald, in deren Nachbarschaft das Flüchtlingsquartier entstehen soll, äußerten Vorbehalte: Das Bild der Siedlung werde mit den Mobilwohnheimen nicht besser. Müllprobleme seien zu befürchten. Häuser würden an Wert verlieren, hieß es. Sozialarbeiter Mehmet Ates aus Achim und die Kreisverwaltungsvertreter Bernd Dannheisig und Karsten Bödeker warben für eine Willkommenskultur. Sie beriefen sich auf Erfahrungen, die man im Kreis Verden in den vergangenen Monaten mit Flüchtlingen gemacht habe: Es gebe bisher keine Probleme
. „Der soziale Frieden ist uns wichtig“ meinte Dannheisig. Bödeker betonte, dass der Landkreis Verden inzwischen rund 120 Flüchtlingsunterkünfte betreue. Der Kreis sorge für die notwendige Infrastruktur und kümmere sich auch darum. „Alles andere können wir uns nicht erlauben. Wir sind seriöse Pächter“.
Achims Polizeichef Thorsten Strier erklärte, dass Flüchtlinge im Einzugsgebiet des Kommissariats Achim bisher nicht auffällig geworden seien.
Flüchtlinge im Kreis Verden
◼ Ende April dieses Jahres lebten knapp 1100 Flüchtlinge mit Asylstatus im Landkreis Verden. Bis Ende September 2015 werden es voraussichtlich knapp 1800 sein. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt: So sind in diesem Jahr beispielsweise 52 Personen aus Somalia, 23 aus dem Sudan, 19 aus Algerien, 32 aus der Elfenbeinküste, 21 aus Mazedonien, 35 aus Montenegro und acht aus Bosnien in den Kreis Verden gekommen. Bei den Flüchtlingen handelt es sich nach Angaben der Verdener Kreisverwaltung hauptsächlich um Männer im Alter zwischen 20 und 45 Jahren. Derzeit gebe es kaum Familien, die in die Region kommen.