Als ein natürlicherweise kiesgeprägtes Fließgewässer wäre die Lehrde ein idealer Lebensraum für strömungs- und kiesliebende Fischarten wie Barben und Forellen. Sie benötigen zum Laichen gut durchströmte Kiesbetten. Doch der Fluss wurde insbesondere zwischen Wittlohe und Stemmen zum Teil so stark ausgebaut, dass er heute nur noch sehr eintönig fließt, klagt Eva Baumgärtner von der Aktion Fischotterschutz. Einen ersten Abschnitt bei Wittlohe konnte die Gruppe bereits 2020 revitalisieren. Nun wurden die Arbeiten im Zuge eines Barben-Projektes fortgesetzt.
Auf insgesamt 300 Metern Länge hat die Aktion Fischotterschutz in den vergangenen Monaten Kiesbetten und Totholzelemente in das Gewässerbett eingebracht. So soll die Lebensraumvielfalt in Abschnitten erhöht werden und Laich-, Aufwuchs- und Nahrungsräume für die Fischfauna entstehen.
Starke Sedimentüberlagerung
Zuletzt sei der natürliche Kiesanteil kaum noch vorhanden oder stark mit Sedimenten überlagert gewesen, erklärt Baumgärtner. Die neuen Kiesbetten wurden gegenüberliegend oder wechselseitig angelegt, sodass die Fließgeschwindigkeit erhöht und die Versandung der Kiesbänke reduziert wird. "Zusätzlich wurde der Bach partiell mit Stammhölzern eingeengt", beschreibt Baumgärtner das Vorgehen. Auch kleinere Bäume und Wurzelstubben wurden eingebaut. "Sie sorgen für wertvolle Lebensräume im Gewässerbett und bilden Unterstände für die Fischfauna sowie Schutz vor Fressfeinden." Von der Revitalisierung profitieren nicht nur Fische, sondern auch Kleinstlebewesen im Gewässer sowie die biologische Vielfalt insgesamt.
Da die Lehrde sich in Privatbesitz befindet, war die Zustimmung der Flächeneigentümer eine Grundvoraussetzung. "Ich freue mich sehr, dass die Maßnahme von den privaten Flächeneigentümern, der Kirche und den Bewirtschaftern der Flächen unterstützt wurde", betont Anke Willharms von der Aktion Fischotterschutz. Es sei schön zu sehen, wie nun mit kleinen Veränderungen die Lehrde wieder naturnäher fließe.
Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren
Die Arbeiten an der Lehrde sind Teil des Naturschutzprojekts "Artenvielfalt in der Aller – neue Lebensräume für die Barbe" der Aktion Fischotterschutz. Die Umsetzung der Vorhaben erfolgt in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren. Begleitet wird das Projekt durch die Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung mit dem Fluss-Fisch-Mobil, das im gesamten Projektgebiet im Einsatz ist und unter anderem Unterrichtseinheiten für Schulkinder anbietet. "Hiermit sollen die Menschen für die heimischen Fischarten und für die Bedeutung naturnaher Fließgewässer sensibilisiert werden", erklärt Eva Baumgärtner. Das Barben-Projekt wird über das Bundesamt für Naturschutz im Zuge des Programms "Biologische Vielfalt" mit Mitteln des Bundesumweltministeriums und über das Land Niedersachsen bis zum Jahr 2024 gefördert.
Start im Frühjahr 2019
Im Frühjahr 2019 hatte Anke Willharms die ersten Kontakte zu Anliegern geknüpft. Ohne deren Einverständnis und Unterstützung wäre das Vorhaben, der Lehrde auf einer Strecke von zunächst einem Kilometer zu neuem Leben zu verhelfen, nicht umsetzbar gewesen, sagt Willharms. Im Herbst 2020 konnten die ersten Pläne realisiert werden.
800 Tonnen Kies halfen im ersten Abschnitt dabei, den Fluss für seine tierischen Bewohner attraktiver zu machen. Um die Versandung der Kiesbetten zu reduzieren, mussten der Querschnitt eingeengt und die Fließgeschwindigkeit erhöht werden. Dafür wurden nahe der Ufer wechselseitig neben den Kiesbetten Strömungslenker angelegt. Auch Wurzelstubben, Raubäume und Lenkbuhnen aus Totholz sorgen nun für mehr Bewegung im Flussbett. Dadurch entstanden nicht nur wichtige Lebensräume für Kleinstlebewesen und Unterstände für die Fischfauna, das Ufer wurde so auch vor Abbrüchen geschützt. "Kies und Totholz sind Bestandteil eines jeden Fließgewässers und von Revitalisierungsarbeiten", erläuterte Wallharm damals bei einem Vorort-Termin.