Edoardo Grieco, Francesco Massimino und Lorenzo Nguyen sind noch so jung, dass man kaum glauben mag, dass sie seit zwölf Jahren als Trio zusammen musizieren. Dass sie dabei einen bedeutenden Musikpreis nach dem anderen abräumen, glaubt man allerdings sofort, wenn man sie spielen hört! Im Schloss Etelsen begeisterte das „Trio Concept“ am vergangenen Wochenende mit höchster Virtuosität ohne große Geste und mit tiefer Empfindsamkeit ohne Sentimentalität.
Als „Trio Chagall“ 2013 in Turin gestartet, haben sich Grieco (Violine), Massimino (Cello) und Nguyen (Piano) unter ihrem neuen Namen „Trio Concept“ auf den Weg zu einer steilen Karriere gemacht, gewannen gerade den ECHO Rising Star und debütieren im Januar 2026 in der Elbphilharmonie. Zwischen 1998 und 1999 geboren, besitzen sie im Alter von nur 25 beziehungsweise 26 Jahren größte musikalische Reife, spürbares künstlerisches Einverständnis und die Routine eines gestandenen Klaviertrios. Italienische Leidenschaft verbindet sich bei ihnen mit eben jenem wohldurchdachten Konzept, das ihrem Ensemble den Namen gab. Cewil Sedaye-Vatan, künstlerische Leiterin der Reihe „Klassik im Schloss“, stellte es dem Publikum vor: „Das Trio folgt der Kunstphilosophie Michelangelos, nach welcher in jedem grauen Marmorstein eine Skulptur verborgen ist, die nur freigelegt werden muss.“ Und so habe es sich das Trio zur Aufgabe gemacht, Geist und Gehalt eines jeden Werkes in seiner Schönheit hörbar zu machen.
Ein Crescendo des Schmerzes
Mit Lili Boulanger (1893-1918) würdigten die jungen Musiker eine französische Komponistin, die genau in dem Alter sterben musste, in dem sie selbst sich immer höhere Ziele stecken dürfen. Mit den Charakterstücken „D’un soir triste“ und „D’un matin de printemps“ spielten sie letzte musikalische Worte der todkranken jungen Frau. Im ersten Stück sang das Cello eine Elegie voller Klage und Intensität über dem heftigen, treibenden Pulsschlag des Pianos. Als die Violine in schwesterlicher Harmonie einsetzte, entstand ein Stimmungsbild von größter Offenheit und Verletzlichkeit, das sich zu einem Crescendo des Schmerzes steigerte. Die Musiker aber strahlten dabei eine solche Ruhe und innige Einfühlung aus, als seien sie es, die Trost spenden müssten. Im „matin de printemps“ hätte man eine hellere, freudvollere Atmosphäre erwartet, doch in die pulsierende Lebendigkeit des erwachenden Morgens mischten sich auch in dieser ausgesprochen virtuosen Musik Elemente der Bangigkeit und Melancholie.
Mit Robert Schumanns Klaviertrio Nr. 2 in F-Dur op. 80 erklang ein Werk, das, wenn auch nicht ohne Bruch, die Atmosphäre von Heiterkeit und inniger Empfindung trägt. Gleich im Kopfsatz stellt Schumann mit einem Zitat seiner Eichendorff-Vertonung „Dein Bildnis wunderselig“ seine Liebe zu Clara ins Zentrum. Die international anerkannte Pianistin spielte es oft und gern und zählte es zu einem ihrer Lieblingswerke, wie auch Sedaye-Vatan dem Publikum in ihrer Einführung verriet. Das Adagio bleibt in dieser innigen Gestimmtheit; sanft wie auf Elfenflügeln gestalteten die Musiker die schnellen absteigenden Triolenläufe mit bei aller Bewegtheit ruhevollem Atmen. Der dritte Satz ließ die versetzten Stimmen wie Tropfen auf einen bewegten Untergrund fallen – rhythmisch außerordentlich herausfordernd und mit Perfektion ausgeführt. Wie mittels einer Feder zog die Piano-Einleitung den von Leidenschaft und Energie berstenden Finalsatz auf, dessen aufrauschender Schluss das Publikum jubeln ließ.
Enthusiastischer Beifall
Eine Sicilienne und eine Burlesque des Italieners Alfredo Casello (1883-1947) waren mit plastischer Differenziertheit und Detailliebe gestaltet, erstere in ihrer wiegenden scheinbaren Ruhe von einem geradezu verstörenden Schrei der Violine durchbrochen, letztere in einer faszinierenden Kombination von tonmalerischer Zuspitzung und experimenteller Harmonik mit umso überraschenderer Gesanglichkeit. Wieder lösten die schnellenden Läufe und wilden Sprünge, die das Werk beendeten, Jubel und enthusiastischen Beifall aus.
Ravel schrieb sein Trio in a-Moll an der Schwelle zum 1. Weltkrieg. Die Schwerelosigkeit und Ruhe des Kopfsatzes mit seiner Gesanglichkeit, die wirbelige, ja oszillierende Aufgeregtheit des „Pantoum“ mit seinen vielschichtig überlagerten Rhythmen, die ruhevoll durch alle drei Instrumente wandernde „Passacaille“, die sich im Mittelteil auftürmt und dann wieder Instrument für Instrument bis zur langsamen, feierlichen Piano-Ausleitung verstummen lässt, und das Finale, das mit beinahe heiserem Flageolettgeflüster anhebt und sich in komplizierteste Metren und folkloristischer Melodik zu unbändiger, lebenssprühender Energie steigert, sind zugleich vielgestaltige Ausrufezeichen gegen den drohenden Wahnsinn und eine bestechende Behauptung von Schönheit und Geist. Ein derart anspruchsvolles Werk so zu gestalten, dass es sich dem Publikum unmittelbar erschließt, dafür gebührt dem jungen Ensemble höchstes Lob. Mit Mendelssohns Scherzo aus dem Klaviertrio Nr. 1 bedankten sich die Musiker bei ihrem begeisterten Publikum und bewiesen mit unbeschwert tänzerischer Leichtigkeit, dass sie das auch können.