Rund 30 Jahre lang durfte Oyten auf keiner norddeutschen Landkarte der Großraumdiskotheken fehlen. Zunächst zog das "Zeppelin" von 1980 fast zehn Jahre die Besucher von nah und fern an, bevor am gleichen Standort 1992 das "Capitol" seine Pforten öffnete. Bis zum abrupten Ende durch einen Großbrand sorgte es fast 20 Jahre lang für zahlreiche unvergessene Nächte bei Discogängern. Unvergessen bleibt die Zeit auch für Ulrik Borcherdt – jedoch nicht als Besucher, sondern als Mitarbeiter. Die überwiegende Zeit vom Anfang bis Ende des Capitols erlebte er als Lightjockey – also Zuständiger für die Lichteffekte passend zur Musik – hautnah mit.

Ulrik Borcherdt war rund 14 Jahre als Lightjockey im Capitol aktiv und hat die gesammelten Zeitungsartikel und Fotos bis heute aufgehoben.
Besonders in Erinnerung geblieben ist dem Achimer die Eröffnung im November 1992. "Den Tag werde ich nie vergessen", betont Borcherdt. Denn gleich zum Auftakt sei der Laden die ganze Nacht über rappelvoll und der Verkehr in der Umgebung aufgrund des Andrangs komplett lahmgelegt gewesen. Ohnehin sei das Interesse in der Anfangszeit immens gewesen. Eigentlich sollten ins Capitol nur 2000 Besucher passen. "Aber zu Spitzenzeiten waren es bestimmt das zwei- oder zweieinhalbfache der Kapazität", erinnert sich Borcherdt, der für den Ansturm eine ganz einfache Erklärung hat: "Es war für diese Region einfach völlig neu."
"Hochwertig eingerichtet"
Betreiber Wilfried Lüdemann hatte sich das Capitol seinerzeit viel Geld kosten lassen. Er sprach damals von einer Gesamtinvestition von etwa 2,5 Millionen Mark. Optisch machte die Diskothek sowohl von außen mit dem Säulenkonzept wie auch im Inneren einiges her – insbesondere durch die Verwendung von Marmor. Insgesamt waren in dem Tanzpalast rund 600 Quadratmeter Marmor verbaut worden. "Die Disco war unfassbar hochwertig eingerichtet", erzählt Borcherdt. Ein Hingucker in der Disco war unter anderem der Pool im Innenbereich, der eigentlich als Wärmetauscher fungieren sollte, dafür aber laut Borcherdt nicht ausreichte. Zum Schwimmen kam er natürlich ebenso wenig infrage und so blieb er immerhin als besonderes dekoratives Element bestehen.

Der Pool im Inneren war ein besonderer Hingucker.
Gespielt wurde, was gerade angesagt war. Laut Borcherdt habe es die Ansage gegeben, jeden aktuellen Top-10-Hit mindestens zweimal am Abend aufzulegen. Hatte das Capitol anfangs nur am Wochenende geöffnet, kamen relativ schnell der Dienstag und der Donnerstag hinzu. Am Dienstag sei etwa oft die "Werder-Bremen-Crew" zu Besuch gewesen, erinnert sich Borcherdt, der nicht selten an allen Öffnungstagen einer Woche bis früh morgens "als rechte Hand vom DJ" im Einsatz war. "Das waren rosige Zeiten und ich habe wenig geschlafen." Gerne erinnere er sich an den tollen Zusammenhalt im Team zurück. "Es war eine Familie." Dennoch stieg er nach viereinhalb Jahren im Capitol erst einmal aus, zuvor hatte er sich mit einer "mobilen Disco" bereits ein zweites Standbein aufgebaut. Doch nach sechs Jahren kehrte er zum Capitol zurück. "Irgendwie hing dann doch mein Herzblut dran", erklärt Borcherdt den Schritt.
Großbrand im Januar 2012
In der Folge ging das Capitol aber auch durch schwerere Zeiten. Denn über die Jahre wurde es leerer auf der Tanzfläche und die Diskothek zog ein vergleichsweise sehr junges Publikum an. Zudem geriet das Capitol schon zu Anfangszeiten wiederholt negativ in die Schlagzeilen, zum Beispiel durch Schlägereien mit Türstehern. Es gab also auch Schattenseiten rund um den Betrieb. "Aber man hatte sich wieder berappelt", spricht Borcherdt davon, dass in den letzten Jahren wieder mehr Besucher kamen. Und dann kam der 15. Januar 2012. Ein zweites Datum, das der Achimer im Zusammenhang mit dem Capitol nie vergessen wird. Denn in dieser Nacht brannte die Diskothek komplett aus. Während die Feuerwehr gegen die Flammen kämpfte, kamen Hunderte Schaulustige vorbei.

Anfang 2012 geriet die Disco in Brand und die Feuerwehr musste mit einem Großaufgebot anrücken.
Auch Borcherdt, zu diesem Zeitpunkt dienstältester Mitarbeiter, fuhr mit seiner Frau direkt zum Brand. "Das waren schon krasse Bilder." Ein Klingeldraht hatte aus einer Lüsterklemme rausgeragt und sich entzündet, erläutert er die später festgestellte Ursache. So beendete ein kleiner Draht die Ära des großen Capitols in Oyten. "Ich bin dankbar, die ganze Phase miterlebt zu haben. Es war eine geile Zeit", sagt Borcherdt, der seit vielen Jahren zusammen mit Kevin Marks die Achimer Firma SoLight für Veranstaltungstechnik und Eventmanagement leitet. Das Kapitel Capitol war für ihn mit dem Brand im Übrigen noch nicht komplett beendet. Am Standort in Oyten durfte zwar keine neue Diskothek errichtet werden, doch am Weserpark erfolgte eine Neueröffnung auf deutlich kleinerer Fläche. Auch dort war Borcherdt im Einsatz, der Neustart verkam allerdings zum Flop – zeitnahe Schließung der Disco inklusive. Deutlicher erfolgreicher verliefen über die Jahre die zahlreichen Capitol-Revival-Partys, bei denen sich frühere Stammgäste gerne in alte Zeiten zurückversetzen lassen.
Nachbau steht noch immer
So lebt das Capitol auch mehr als zwölfeinhalb Jahre nach dem Brand in den Erinnerungen weiter. Und an einem Ort, von dem man es so gar nicht erwarten würde, sogar noch in visueller Form. Aufgrund des großen Erfolges das Capitols ist die Disco 1994 in Neu-Brandenburg nahezu eins-zu-eins nachgebaut worden und erhielt den Namen Colosseum. Jeden Sonnabend wird dort auch heute noch, rund vier Stunden Autofahrt von Oyten entfernt, die Nacht zum Tag gemacht.