Das muss man der Landesstraßenbaubehörde lassen: Sie zeigt sich flexibel. Die Geschäftsstelle in Verden hat am 20. Juni ihren Plan für die Sanierung der viel befahrenen Landesstraße 156 zwischen Achim und Thedinghausen öffentlich vorgestellt. Zwei Monate bis Ende August sollte die viel befahrene Strecke für den Autoverkehr voll gesperrt werden. Im September und Oktober sollten die Arbeiten zur Erneuerung der Fahrbahn und des Radwegs so organisiert sein, dass der Verkehr halbseitig an der Baustelle vorbeigeführt werden kann. Keine drei Wochen später am 7. August änderte die Behörde ihr Vorgehen: Weil wiederholt Autofahrer die Vollsperrung missachtet hatten und es in der Folge zu gefährlichen Situationen mit Fahrradfahrern, Schulkindern und Bauarbeitern gekommen war, sollte die L156 nun für die gesamte Bauphase bis Ende Oktober gesperrt werden. Seither schafft eine Schranke an der Ueser Brücke in Achim Fakten. Nun folgt am 14. August die nächste Wendung: Ab dem 6. September soll die Ueser Brücke an den Wochenenden nun doch wieder für den Verkehr freigegeben werden.
All jene, die tagtäglich mit dem Auto in Achim über die Weser fahren, wird das kaum besänftigen. Der Unmut über die Vollsperrung ist vielstimmig und laut. Viele Bürger wenden sich an die Rathäuser in Achim und Thedinghausen oder direkt an die Landesstraßenbaubehörde, schreiben Leserbriefe und diskutieren in den sozialen Netzwerken. Knapp 1800 Menschen haben bis Mittwoch eine Online-Petition unterschrieben, in der die Öffnung der Ueser Brücke während der gesamten Baumaßnahme gefordert wird. "Es kann nicht sein, dass die gesamte Region unter dieser unzureichend geplanten Maßnahme leidet", sagt Katja Steinberg, Initiatorin der Petition. "Wir sind hier völlig abgeschnitten."
Stau auf den Umleitungsstrecken
Das ist zwar sachlich nicht richtig – es gibt natürlich Ausweichrouten –, ganz falsch ist der Eindruck der Thedinghäuserin allerdings auch nicht. Die offizielle Umleitung über Verden ist nicht nur ein großer Umweg, sondern führt die Autofahrer nicht nur über die Weser, sondern zuvor auch über die Aller, und das ist ein Problem. Weil die große Brücke in Verden baufällig ist und derzeit nur eingeschränkt befahren werden kann, brauchen Verkehrsteilnehmer dort gerade zu Stoßzeiten Geduld. Die Alternative über die Autobahn 1 in Bremen ist aus denselben Gründen unattraktiv. Dort kommt es an der maroden Weserbrücke regelmäßig zu Staus. Bleibt nur das Intscheder Wehr, und das ist nicht für diese Verkehrslast ausgelegt. Es ist also egal, für welchen Weg sich die Autofahrer entscheiden, sie müssen stets deutlich mehr Zeit einplanen und verbrauchen mehr Sprit. Dieses Gesamtbild, sagt Steinberg, hätte die Landesstraßenbaubehörde berücksichtigen und deshalb die L156 zu einem späteren Zeitpunkt sanieren müssen.
Für die Autofahrer ist die Lage vergleichbar mit dem Hochwasser rund um den Jahreswechsel. Damals waren sogar alle drei Weserquerungen im Kreis Verden gesperrt. Wer über den Fluss wollte, musste über Bremen oder Nienburg fahren. Doch anders als damals ist nun nicht höhere Gewalt verantwortlich für die Einschränkung, sondern eine geplante Baustelle. Steinberg meint, die Bauarbeiten könnten effizienter erledigt werden. Seit der Sperrung des zweiten Bauabschnitts im Bereich Achim am 5. August sei augenscheinlich wenig passiert, sagt die Frau aus Thedinghausen. Am Montag seien gegen 8 Uhr zwei arbeitende Personen im Bereich der Baustelle gesichtet worden. "Gegen 17 Uhr war im gesamten Bauabschnitt niemand zu sehen."
"Früheres Ende sehr wahrscheinlich"
Einen anderen Eindruck vermittelt die Landesstraßenbaubehörde. Nach Angaben einer Sprecherin laufen die Arbeiten an der Baustelle sehr gut. "Die Baufirma ist mit zahlreichen Arbeitern vor Ort und das zum Teil auch am Wochenende." Die Fräsarbeiten seien wie geplant nun abgeschlossen. Von Montag, 19. August, bis Mittwoch, 21. August, werde der zweite Bauabschnitt asphaltiert. An diesen drei Tagen ist die Fahrbahn für alle Durchfahrten gesperrt. "Wenn alles weiterhin gut läuft, ist ein früheres Ende der Maßnahme sehr wahrscheinlich."
Die Öffnung der Straße an den Wochenenden im September und Oktober sind das Ergebnis eines Treffens von Vertretern der Stadt Achim, der Samtgemeinde Thedinghausen, des Landkreises Verden, der Polizei, der Straßenbaubehörde und der Baufirma. In der Runde seien viele Ideen auf den Tisch gekommen, wie sich die Situation für die Betroffenen besser gestalten lasse. Die Öffnung der Baustelle an den Wochenenden war schließlich der Vorschlag, auf den sich alle einigen konnten. Von freitags 14 Uhr bis montags 6 Uhr können Autofahrer in beide Richtungen die Strecke befahren, wenn auch nur langsam. In der Baustelle gilt Tempo 30. Außerdem sollen ab dem 9. September neben Schulbussen auch Linienbusse wie der Bürgerbus die Baustelle werktags durchfahren können.
Straße zu schmal für eine Teilsperrung?
Für in der vergangenen Woche angekündigte Vollsperrung bis zum Abschluss der Straßensanierung, die weiterhin montags bis freitags gelten soll, führt die Straßenbaubehörde nun eine neue Begründung an. Die Straße sei mit knapp 6,5 Metern gemäß den Arbeitsstättenregeln zu schmal, um eine halbseitige Sperrung zu realisieren, teilt die Behörde mit. Dass den Verantwortlichen das erst jetzt auffällt, ist auf den ersten Blick überraschend. Schließlich hatte die Behörde ja geplant, die Strecke im September und Oktober halbseitig für den Autoverkehr zu öffnen. Adrian Andritzky, Fachleiter Bau in der Verdener Behörde, sagt, dass bei der dem ursprünglichen Plan unterschätzt worden sei, wie viele Fußgänger und Fahrradfahrer im Bereich der Baustelle unterwegs sind. Wegen ihrer großen Anzahl müssen sie in einem eigenen, mit Baken abgetrennten Bereich geführt werden. Dadurch bleibt weniger Raum übrig für Autofahrer und die eigentliche Baustelle.
Katja Steinberg ist mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Sie wünscht sich, dass die Baustelle einfach verschwinden möge. "Die sollen den Asphalt drauf machen und dann abziehen", sagt sie. Wenn Baustellen an den umliegenden Weserbrücken beendet seien, könne die Behörde einen neuen, besseren Plan zur Sanierung der L156 vorlegen. Die nun angekündigte Öffnung an den Wochenenden bringe den Betroffenen nichts, sagt die Thedinghauserin. Es könne nicht sein, dass weiterhin täglich Tausende Menschen einen Umweg fahren müssten. "Das werden wir nicht akzeptieren", sagt Steinberg.