Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Lätare-Spende Plädoyer für Umverteilung

Drei prominente Ehrengäste haben in der Allerstadt Brote und Heringe unter das Volk gebracht. Erstmalig fand die Traditionsveranstaltung parallel zu einem verkaufsoffenen Sonntag statt.
27.03.2022, 17:07 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Plädoyer für Umverteilung
Von Jörn Dirk Zweibrock

Jedes Jahr werden in Verden drei Wochen vor Ostern, sprich in der Mitte der Fastenzeit, 530 Brote und 1600 Heringe an die Bevölkerung verteilt. Dieses Vermächtnis soll Seeräuber Klaus Störtebeker der Stadt Verden kurz vor seiner Hinrichtung auf dem Hamburger Grasbrook im Jahre 1401 hinterlassen haben. Nach Jahrhunderten hat die Stadt das Vermächtnis des Seeräubers nun erstmalig am namensgebenden Sonntag Lätare und nicht wie sonst üblich am folgenden Montag erfüllt. Die traditionsreiche Lätare-Spende war damit die anlassgebende Veranstaltung für den verkaufsoffenen Sonntag in der Verdener City. „Lebendig bleiben kann nur, was sich verändert“, erklärte Verdens Bürgermeister und Gastgeber Lutz Brockmann im Vorfeld, warum jetzt mit der jahrhundertealten Tradition gebrochen wurde. Die Stadt wolle damit vor allem auch Berufstätigen und Familien die Gelegenheit geben, an der Verteilung von Broten und Heringen beizuwohnen.

Beim Blick auf die Menschenmassen, die sich am Sonntagnachmittag durch die Innenstadt schlängelten, ging das Konzept jedenfalls voll auf. Die Besucher bekamen fast den Eindruck, als hätte es Corona nie gegeben, obwohl auf dem abgesperrten Gelände auf dem Verdener Rathausplatz streng auf die Einhaltung der 3G-Regel geachtet wurde.

Die Verdener Bräu-Connection schenkte reihenweise kühle Blonde aus, Saxofonist Chris Kawa unterhielt ebenso wie die Big Band des Domgymnasiums und der singende Seemann Nagelritz das Publikum.

Schlagfertige Jugend

Über 600 Jahre nach seiner Hinrichtung hat Schauspieler Bernd Maas aus Kirchlinteln den legendären Seeräuber auf dem Verdener Rathausplatz wieder lebendig werden lassen. Er lieferte sich dabei ein Wortduell mit "der Jugend" in Form von Sängerin Juliana, die mit ihrer Schlagfertigkeit der rotbärtigen Kodderschnauze sofort ordentlich Paroli bot.

Ihr Comeback am Heringsfass feierte Niedersachsens Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Daniela Behrens (SPD), die bereits vor sieben Jahren zu den Handschuhen gegriffen hatte. Beim Verteilen von Brot und Heringen standen ihr diesmal Kristina Vogt (Die Linke), Bremer Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, und Johann Saathoff (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat, zur Seite.

Bremen sei gut durch die Pandemie gekommen, sagte Vogt, die früher als Gastronomin im Bremer Westen tätig gewesen ist. Als einziges Bundesland in Deutschland könne der Stadtstaat inzwischen wieder eine Arbeitslosenquote auf dem Niveau von vor der Pandemie aufweisen. Jedoch werde durch den Ukraine-Krieg alles teurer. In Berlin gebe es zwar keine Pfeffersäcke wie in Bremen, sondern "Großkopferte", die bei ihrem Entlastungspaket die Rentner vergessen hätten, wetterte die Linken-Politikerin und sprach sich wie Saathoff für Umverteilung aus: "Nehmt es den Reichen und gebt es den Armen." Ein Leitsatz, der Störtebeker und seinen Likedeelern (Gleichteilern) natürlich sichtlich gefiel.

Kritik an Treffen mit Schröder

Daniela Behrens brach hingegen eine Lanze für die Jugend, die in Zeiten der Pandemie viele Entbehrungen auf sich nehmen musste. Nicht umsonst sei 2022 zum Jahr der Jugend ausgerufen worden. Saathoff, früherer Bürgermeister der ostfriesischen Gemeinde Krummhörn, hatte als Plattdeutscher in Verden zwar ein Heimspiel, sah sich allerdings Störtebekers Vorwurf ausgesetzt, sich noch im Januar mit "Gazprom-Gerd" in Hannover getroffen zu haben. Saathoff warb dafür, stets im Dialog zu bleiben, gerade dann, wenn die See stürmisch und rau sei. Als Kinder der Küste würden Störtebeker und er zwei Dinge nicht kennen, nämlich Geld und Angst.

Goedeke Michels, Störtebekers engster Kumpan, soll ja angeblich aus der Umgebung Verden gestammt haben. Darum fanden der Seeräuber und seine Likedeeler den Überlieferungen zufolge damals Unterschlupf in Verden.

Zwei neue Ideen aus dem vergangenen Jahr, als die Lätare-Spende aufgrund von Corona abgesagt werden musste, werden vielleicht auch künftig zur Tradition: Zum einen wurden wieder 400 Portionen Fisch in allen Verdener Alten- und Pflegeheimen serviert und zum anderen an alle Viertklässler aus den Verdener Grundschulen Schokoladenheringe verteilt.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)