Das sogenannte Herrenberg-Urteil stellt viele Bildungseinrichtungen vor die Herausforderung, ihre Honorarkräfte in eine feste Anstellung zu bringen, und damit einhergehend auch vor eine ungewisse Zukunft. Bundesweit sind von den Konsequenzen Tausende Lehrkräfte betroffen. Auch im Kreis Verden sind deswegen neue Modelle für die Kreismusikschule (KMS) und Kreisvolkshochschule (KVHS) gefragt.
Was ist das Herrenberg-Urteil?
In dem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2022 geht es um die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Der konkrete Fall betraf eine langjährige Musikschullehrerin in Herrenberg (Baden-Württemberg), die auf Honorarbasis arbeitete. Das Gericht sah allerdings einen Fall von Scheinselbstständigkeit. Das Urteil stellte somit auch die bisherige Art der Beschäftigung von Honorarlehrkräften an Musikschulen und anderen Bildungsträgern infrage.
Warum stellt das Urteil Bildungseinrichtungen nun vor Herausforderungen?
In der Regel beschäftigen kommunale Bildungsträger nur eine geringe Anzahl fest angestellter Lehrkräfte. Die Mehrheit der Dozenten arbeitet auf Honorarbasis. Eine Konsequenz aus dem Herrenberg-Urteil ist nun, dass kommunale sowie private Träger dazu angehalten sind, ihre Lehrkräfte grundsätzlich in einer Festanstellung zu beschäftigen. Diese Beschäftigungen sind wegen der zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge aber deutlich teurer. Bei vielen Einrichtungen sorgt die Vorgabe deswegen für Existenzängste.
Ein Bundestagsbeschluss Anfang des Jahres verschafft den Trägern allerdings Luft bis Ende 2026. "Zurzeit wird auf Bundesebenen geklärt, wer als freiberuflich arbeitend gilt und wer nicht", berichtete die Verdener KVHS-Leiterin Nina Gern in der jüngsten Sitzung des Kreiskulturausschusses. Die Übergangsregelung schütze nun erst einmal betroffene Einrichtungen und Lehrkräfte vor der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen im Falle einer durch die Rentenversicherung festgestellten Versicherungspflicht. Bis Ende 2026 soll dann von der Politik eine rechtssichere Lösung gefunden werden.
Doch das Urteil birgt auch Chancen für die Bildungseinrichtungen. Gerade die Musikschulen hatten in den vergangenen Jahren mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. "Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen könnte die Attraktivität des Berufsfeldes steigern und dem Fachkräftemangel entgegenwirken", betont Frauke Heiligenstadt, Präsidentin des Landesverbandes niedersächsischer Musikschule, im aktuellen Jahresbericht.
Welche Auswirkungen hat das Herrenberg-Urteil auf die Arbeit von Kreisverdener Bildungseinrichtungen?
"Zurzeit gibt es noch keinen aktuellen Stand zu einer rechtssicheren Lösung", berichtete Gern. Die KVHS Verden halte sich deswegen an Handlungsempfehlungen vom eigenen Dach- und Landesverband. "Dazu gehört für die Zwischenphase bis Ende 2026, dass wir uns die Zustimmung unserer Dozierenden einholen, dass sie damit einverstanden sind, freiberuflich tätig zu sein." Einige Zustimmungserklärungen seien bereits verschickt. Weitere sollen folgen.
Die Kreismusikschule ist da schon einen Schritt weiter: "Sämtliche Unterlagen der Honorarkräfte liegen bereits dem Personalamt vor", sagte KMS-Leiterin Birgit Romann. Der zuständige Fachdienst Kultur des Landkreises Verden warte aktuell auf eine Rückmeldung, wie es weitergehen soll. Im vergangenen Jahr wurde das Musikschulangebot im Landkreis mit insgesamt 47 Lehrkräften bewältigt. 20 Lehrkräfte waren davon auf honorarvertraglicher Basis tätig. "Wir sind im Moment so gut aufgestellt. Ich hoffe sehr, dass die Entscheidung mit Beginn des nächsten Schuljahres gefallen ist, sodass die Honorarkräfte in Festanstellung kommen", zeigte sich Romann optimistisch, dass sich die Lage der KMS trotz Veränderungen zum Positiven entwickelt.