Ob Alkohol, Drogen, Glücksspiel oder Medienkonsum – die Formen der Abhängigkeit sind vielfältig und reichen weit über die klassischen stoffgebundenen Süchte hinaus. Scham und Schuldgefühle halten Betroffene allerdings oftmals davon ab, rechtzeitig Hilfe anzunehmen. "Betroffene kommen in der Regel zu uns, weil sie irgendwo an eine Grenze gestoßen sind", berichtet Heike Gronewold, Leiterin der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention im Kirchenkreis Verden. Das kann der Führerscheinentzug sein, Ultimaten von Familie sowie Arbeitgebern oder auch gesundheitliche Auffälligkeiten. Neben Vor-Ort-Beratung bietet die Fachstelle professionelle Hilfe aber auch digital und anonym an. So sollen mögliche Hürden zur Kontaktaufnahme weiter abgebaut werden.
Digitale Angebote sind für viele suchtgefährdete und suchtkranke Menschen der erste Kontakt mit dem professionellen Hilfesystem, weiß Gronewold. Gerade bei Themen, die in der Gesellschaft sehr tabuisiert werden, sei die Online-Beratung also ein guter Weg. "Wir erreichen so beispielsweise selbstbetroffene Menschen, die ihren Konsum einordnen wollen." Aber auch für Angehörige von Betroffenen, die von der Situation häufig ebenfalls stark belastet sind, sei die digitale Kontaktaufnahme ein geeignetes Angebot. "Und auch das berufliche Umfeld nutzt das digitale Angebot, um eigene Unsicherheiten zu besprechen und Wege im Umgang zu finden", beobachtet Gronewold.
Einfache und anonyme Registrierung
Um an der Online-Beratung teilzunehmen, braucht es nicht viel: Die erste Kontaktaufnahme erfolgt über die Website der Fachstelle. "Ein QR-Code und ein Link führen direkt zum digitalen Angebot unserer Fachstelle", erklärt Gronewold. Betroffene wählen dort das entsprechende Thema der Beratung aus und legen ihren Namen vollkommen frei fest, sodass die Daten anonym bleiben können. Nachdem die Hilfesuchenden ihre Anliegen geschildert haben, bekommt das Kreisverdener Team eine Mail, mit dem Hinweis, dass eine Erstanfrage vorliegt.
Die Anfragen werden nach spätestens 48 Stunden von einer Fachkraft aus dem Kreis Verden beantwortet. "Sie antwortet dann in dem geschützten Programm", sagt Gronewold. Über das Portal gibt es außerdem die Möglichkeit, nach Absprache eine Beratung über Telefon-Call oder Video-Call in Anspruch zu nehmen. Die Beratung ist kostenfrei für die Anfragenden und auf Wunsch anonym möglich. Auch für die Online-Beratung unterliegen alle Berater der Schweigepflicht.
Bundesweites Netzwerk
Das Online-Portal entstand vor vier Jahren im Verbund mit den anderen Beratungsstellen der Diakonie in Niedersachsen. "Dann kam das Onlinezugangsgesetz der Bundesregierung", sagt Gronewold. Seitdem läuft das Angebot über das bundesweite Programm "Digisucht". Aktuell beteiligen sich über 350 Suchtberatungsstellen mit mehr als 850 professionellen Beratern an der Plattform.
Im Kreis Verden machen die Online-Beratungen bisher nur einen kleinen Teil der Kontaktaufnahmen von Hilfesuchenden aus. "Im Jahr 2023 waren es 30 Personen", berichtet die Einrichtungsleiterin. Einige der Hilfesuchenden würden über die Online-Beratung schließlich auch den Zugang zu den Angeboten vor Ort finden. "Wir bieten es immer an und es wird auch von einigen Personen angenommen", freut sich Gronewold.
Insgesamt erreichten die Beratungsstelle mit Standorten in Achim und Verden 2023 rund 700 Anfragen. "Wir hatten damit rund ein Drittel mehr Anfragen als noch im Vorjahr", so Gronewold. Sie geht davon aus, dass sich so langsam die Auswirkungen der Coronazeit auf das Suchtverhalten der Menschen zeige.