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Gesellenstücke Modern, schlicht und meist ohne Griffe

Es ist fast geschafft - nur noch circa zwei Wochen, dann wissen die Tischlerlehrlinge, ob sie nun Gesellen sind. Bis dahin werden ihre Gesellenstücke in der Kreissparkasse in Verden ausgestellt.
12.08.2019, 17:54 Uhr
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Von Lena Mysegades

Je schlichter, desto besser – diesen Eindruck erhalten Besucher der Kreissparkasse Verden, wenn sie dort zur Zeit die ausgestellten Tischlergesellenstücke in der Kundenhalle sehen. Zwei Wochen lang, bis Freitag, 23. August, können sie die Werke noch an der Ostertorstraße begutachten, dann ziehen sie in die Volksbank Ottersberg um. Zeitgleich bekommen die Tischler-Azubis auch die Ergebnisse für ihre Gesellenstücke und erfahren folglich, ob sie sich künftig auch offiziell Gesellen nennen dürfen.

„Die Auszubildenden waren im Design völlig frei“, erzählt Thorsten Harre, Lehrer der Fachpraxis, der die fast fertigen Tischler bei der Fertigung ihrer Gesellenstücke in den Berufsbildenden Schulen (BBS) betreut hat. Drei Anforderungen mussten allerdings beim Bau des Stückes beachtet werden: Es sollte einen klassisch geführten Handwerkskasten, ein Schloss und eine Tür oder Klappe haben. Am vergangenen Freitag war der Stichtag – acht Tage lang, jeweils acht Stunden haben die zwölf Lehrlinge ihr Gesellenstück gefertigt. Dabei war der Weg bis zur Fertigungsphase ein langer.

„Wir haben wirklich ein halbes Jahr lang an unsere Möbel gedacht“, offenbart Anneke Gerdes. Sie hat in der Möbeltischlerei von Andreas Körber in Oyten gelernt. Als Sideboard-Fan, wie sie sich selbst bezeichnet, hat sie eine 1960er-Jahre Eichen-Kommode gefertigt. Die Türen der Kommode sind mit Linoleum verkleidet und in der Mitte ist ein Kreis. Fasst man in diesen hinein, lässt sich als Material dahinter Kupfer erfühlen. „Der Kreis lädt zum Hineingreifen ein“, findet die Auszubildende.

Push-to-open-Technik

Während sich bei diesem Gesellenstück also schnell erschließt, wie es zu öffnen ist, sucht der geneigte Betrachter bei vielen anderen Sideboards und Schreibtischen vergebens nach Griffen zum Öffnen der Fächer und Schubläden. „Im Moment ist die ,Push-to-open-Technik' sehr modern“, klärt Fachpraxis-Ausbilder Thorsten Harre auf. Wie der Name schon sagt, muss der Besitzer des Möbelstücks bei diesem Mechanismus nur leicht drücken und schon öffnet sich die Tür.

Etwas ebenfalls Besonderes hat sich auch Catharina Wecky einfallen lassen. Die Auszubildende bei Ewitherm Holzbau in Thedinghausen hat eine Kommode mit Ledereinsatz gefertigt. Wie ihr diese Idee kam? Wecky hat vor ihrer Ausbildung zur Tischlerin bereits eine zur Reitsportsattlerin gemacht. Sie ist gemeinsam mit Anneke Gerdes und Edna Rohde einige der wenigen Frauen unter den Lehrlingen. Gerdes erzählt, dass sie sich trotz der Männerdominanz im Beruf dennoch nie vernachlässigt gefühlt hat. Und Levin Peno, der bei der Tischlerei Berkenkamp in Verden ausgebildet wurde, und Tobias Horbal, der die Firma Fredy Böschen als Ausbildungsbetrieb ausgesucht hat, haben sich beide ihren eigenen Schreibtisch gebaut. Diesen dürfen sie übrigens im Regelfall mit nach Hause nehmen, sobald die Ausstellungen enden. „Rechtlich gehört das Stück zwar dem Chef, weil er das Material gestellt hat, doch meist übergibt er es großzügig an seine Lehrlinge“, sagt auch Thorsten Harre.

Durch die Präsentation ihrer Abschlusswerke in der Kundenhalle der Kreissparkasse erfahren die Prüflinge eine besondere Wertschätzung. Das sei schon etwas Einzigartiges, findet Harre. Und auch Jürgen Norden, ehemaliger Abteilungsleiter der Holztechnik an den BBS Verden und Mitglied der Prüfungskomission, betont: „Menschen, die sonst nie in die Kreissparkasse kommen, besuchen dann extra für die Ausstellung die Filiale.“ Dabei komme es nicht selten vor, dass Kaufangebote gemacht werden. „Die Leute lesen dann den Namen der Betriebe der Lehrlinge auf einer Informationstafel ab und rufen dort an, ob sie das Gesellenstück kaufen dürfen.“

Auch Jürgen Otterstätter, Klassenlehrer der Auszubildenden, Matthias Karpinsky, jetziger Ausbildungsleiter der Holztechnik an den BBS, und Fredy Böschen, Obermeister der Tischler-Innung, freuen sich mit den Lehrlingen. Böschen betont: „So eine Prüfung zu absolvieren, bringt die Schüler in ihrem Reifeprozess stark nach vorn.“ Zudem funktioniere die Zusammenarbeit zwischen der Innung und der Schule „hervorragend“.

Brennholz-Materialien

Noch ein Blick durch die Ausstellung, Anfassen ist schließlich verboten: Ein hängendes Lowboard mit Wiedererkennungswert hat auch Tobias Peper von der Tischlerei Frank Schwarz in Otterberg gefertigt. Dieses besitzt eine klassische Sideboard-Optik, die jedoch durch eine Eschen-Bohle gebrochen wird – Materialien, die sonst im Brennholz gelandet wären, werden heute für Möbel benutzt.

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