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Fazit im Kreis Verden Spargelboom ist ausgeblieben

Die Landwirte im Kreis Verden beklagen eine deutlich geringere Nachfrage nach dem königlichen Gemüse. Gestiegene Kosten haben die Verbraucher gebremst.
17.06.2022, 12:59 Uhr
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Von Andrea Kreutzer

Das Wesentliche spielt sich im Verborgenen ab. Zu sehen sind spätestens ab März lediglich die parallel verlaufenden, etwa 40 Zentimeter hoch aufgeschütteten Erddämme, in denen "das weiße Gold" langsam heranwächst. Liebhaber können das erste Spargelessen im Frühjahr oftmals kaum erwarten. Doch in diesem Jahr, so das bisherige Fazit, sei das Kaufverhalten der Privatleute insgesamt anders gewesen als in den Vorjahren, wie unter anderem Jörn Ehlers berichtet, Vorsitzender des Landvolks Rotenburg-Verden.

Die stark gestiegenen Kosten in den verschiedensten Lebensbereichen hätten sich auf das Kaufverhalten der Kunden ausgewirkt, berichtet Ehlers, der selbst ebenfalls Spargel verkauft, seit 2018 aber nicht mehr selbst anbaut. „Gerade preislich nicht ganz billige Lebensmittel wie eben Spargel oder auch Erdbeeren und hochwertiges Fleisch wurden weniger nachgefragt als sonst, die Verbraucher müssen mehr auf ihr Geld achten.“

Kein gutes Spargelwetter

Anders als Familie Ehlers, die ihren Spargel vom Spargelhof Schloh in Hellwege bezieht, baut Hella Schünemann noch selbst Spargel an. Dieses Jahr sei kein gutes Spargelwuchswetter gewesen, so lautet das Fazit der Barmer Landwirtin, „zu viel Kälte und Trockenheit“. Die allgemeinen Teuerungen hätten sich zudem sehr negativ auf die Verkaufsbilanz ausgewirkt: „Wir hatten das Gefühl, Spargel ist zu einem verzichtbaren Gemüse geworden.“ Inzwischen sorge die ausländische Konkurrenz dafür, dass Spargel im Einzelhandel fast das ganze Jahr über zu erwerben sei. Dass diese eigentlich viel zu billig angebotenen Produkte nicht mit dem lediglich knapp drei Monate im Jahr verfügbaren deutschen Spargel vergleichbar seien, gerate dabei anscheinend in Vergessenheit. „Spargel ist ein aufwendiges Produkt mit viel Handarbeit, das nach einer möglichst kurzen Lieferkette ganz frisch auf dem Teller landen sollte.“ Der hohe Aufwand rechtfertige daher auch den Preis.

In den vergangenen Jahren hätten sich zwei weitere Dinge sehr verändert: Zum einen kaufe der überwiegende Teil ihrer Kunden den Spargel inzwischen geschält, zum anderen werde das Produkt kaum noch eingemacht oder eingefroren, wie es früher selbstverständlich gewesen sei. Das sorge ebenfalls für einen gesunkenen Absatz.

Wie Ehlers in Holtum Geest bezieht auch der Hof Früchtenicht in Langwedel-Völkersen seinen Spargel vom Spargelhof Schloh. Annalie Früchtenicht kann, was das Kaufverhalten ihrer Privatkunden angeht, nur bestätigen, was ihre Kollegin in Barme sagt: „Die Nachfrage ist geradezu eingebrochen, wir haben im Vergleich zu den Vorjahren nur circa die Hälfte verkauft.“ Insbesondere für die jüngere Generation scheine Spargel keinen großen Wert mehr zu haben.

Mit der Ernte zufrieden

Für Thorsten Schloh hingegen ist Spargel „einfach das tollste Gemüse überhaupt“. Um für diese Spargelsaison Bilanz zu ziehen, müssten verschiedene Aspekte betrachtet werden. Eine große Rolle spiele, wie überall in der Landwirtschaft, das Wetter und in der Hinsicht habe man in diesem Jahr nicht klagen können, sodass sie sowohl mit den Erntemengen als auch mit der Qualität sehr zufrieden gewesen seien.

Das Kaufverhalten von Privatleuten müsse jedoch auch er als eher verhalten bezeichnen: „Wenn wir Landwirte noch an unserer Arbeit verdienen wollen, was wir tun müssen, um überleben zu können, können wir unseren Spargel nicht unter Wert verkaufen.“ Nicht nur für den Privatverbraucher seien die Energieausgaben gestiegen, dies gelte auch für die Produktion. Hinzu kämen der gestiegene Mindestlohn und höhere Ausgaben für Verpackungsmaterialien. Mit Billigspargel aus Südeuropa, wo erheblich geringere Löhne gezahlt würden, könne und wolle man nicht konkurrieren. „Qualität hat eben ihren Preis, den man im Hinblick auf den Wert lokalen Gemüseanbaus und im Hinblick auf faire Arbeitsbedingungen nicht einfach senken kann.“ Er habe volles Verständnis für das Verhalten seiner privaten Kunden, appelliere aber auch an sie, über die Folgen für den heimischen Gemüseanbau nachzudenken, wenn ein arbeitsintensives hochwertiges Gemüse wie Spargel nicht mehr wertgeschätzt werde. Umso dankbarer sei er daher in diesem Jahr über den Rettungsanker Gastronomie: Sie hätten sehr gut an Gastronomiebetriebe verkauft, denn wider Erwarten gingen die Leute auch weiterhin gern und viel essen und wüssten dabei die hervorragende Qualität seines Produkts zu schätzen.

Richtige Zeit für Erntestopp

Etwa am Johannistag, dem 24. Juni, ende alljährlich die Spargelernte. „Das ist natürlich kein fixes Datum, da spielt das Wetter wieder eine große Rolle.“ Wann genau es Zeit sei, die Erntezeit zu beenden, könne man leicht anhand der Stangen erkennen. Zu Anfang seien die Stangen sehr dick und würden, je länger geerntet werde, immer dünner. Wenn dann der sogenannte zweite Trieb beginne und der Spargel auf einmal wieder an Dicke hinzugewinne, sei der richtige Zeitpunkt für den Erntestopp erreicht. „Die Pflanze muss für das nächste Jahr geschont werden und darf ihre ganze Energie nicht in diesen zweiten Trieb stecken.“

Sechs bis sieben Jahre lang könne man von einer Pflanze ernten, zuvor sei eine dreijährige Phase der Pflege notwendig, bis überhaupt eine Spargelernte stattfinden könne: „Alles beginnt mit einer nur etwa 80 Gramm schweren kleinen Pflanze, die letztlich ein Wurzelwerk von 50 Kilogramm ausbilden wird.“ Bis zu drei Meter tief reichen die Wurzeln in den Boden, weshalb zu wenig Niederschlag auch nur selten zu einem Problem werde.

Seit vielen Jahren schon arbeiteten Spargelbauern mit zweifarbigen Folien, um die äußeren Witterungsbedingungen besser ausgleichen zu können. Ist das Frühjahr eher kalt und nur wenig Sonneneinstrahlung vorhanden, wird die schwarze Seite über den Dämmen nach außen gedreht, um alles, was an Wärme auf den Damm einwirkt, noch zu verstärken. Ist der Frühling hingegen sehr reich an Sonne und Wärme, ist die weiße Seite der Folie dazu da, das Sonnenlicht zu reflektieren und die Wärme auf den Damm zu minimieren. „Wir veräppeln den Spargel also so gesehen und gaukeln ihm anderes Wetter vor als tatsächlich vorherrscht“, sagt Schloh augenzwinkernd. Darüber hinaus freue sich ein jeder Spargelbauer über einen verregneten Sommer, denn wenn nach der Ernte die Spargelpflanze ausgewachsen ist, verdunstet viel Feuchtigkeit über die Blätter, entsprechend viel Wasser benötigt die Pflanze. Ähnlich wie die Blätter an Bäumen verfärben sich auch die Blätter der Spargelpflanze im Herbst gelblich. „Der oberirdische Teil der Pflanze stirbt ab und wird zur Hummusanreicherung untergemulcht.“ Nach einigen weiteren Arbeiten beginne dann die Winterruhe, bevor es im Frühjahr wieder heißt: Die Spargelzeit beginnt.

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