"Das, was hier in den vergangenen vier Stunden passiert ist, war reine Zeitverschwendung", resümierte der Angeklagte am Mittwochnachmittag vor dem Achimer Amtsgericht. Und so ganz konnte man sich diesem Eindruck nicht verwehren, denn der Erkenntnisgewinn der Verhandlung gegen zwei Klimaaktivisten war zu dem Zeitpunkt tatsächlich eher gering. Von drei vorgeladenen Zeugen war nur einer erschienen und der konnte sich nach eigenen Angaben nicht mehr an allzu viel erinnern.
Das ist allerdings auch wenig verwunderlich, immerhin wurde an diesem Tag über eine Tat verhandelt, die schon über drei Jahre zurückliegt. Konkret geht es um eine Protestaktion von Klimaaktivisten, die sich am 15. April 2021 ereignete. Angeklagt sind ein 28-jähriger Mann und eine 25-jährige Frau aus Gießen. Ihnen wird vorgeworfen, an diesem Tag gemeinsam mit anderen Klimaaktivisten auf eine Schilderbrücke an der A27 zwischen Achim-Nord und dem Bremer Kreuz geklettert zu sein. Dort hätten sie anlässlich der damals in Bremen stattfindenden Verkehrsministerkonferenz ein Transparent gegen die – ihrer Meinung nach – verfehlte deutsche Klimapolitik festgeklebt und sich von der Schilderbrücke abgeseilt. Ähnliche Aktionen fanden damals zur selben Zeit auch auf der A1 bei Oyten und auf Bremer Stadtgebiet statt.
Nötigung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten Nötigung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vor. Die Protestaktion habe einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr nach sich gezogen und die A27 musste mehrere Stunden gesperrt werden. "Unzählige Verkehrsteilnehmer mussten im Stau verharren", sagte der Staatsanwalt. "Erst nach einer zeitaufwendigen und anspruchsvollen Bergung konnte die Autobahn wieder freigegeben werden."
Bis der Staatsanwalt seine Anklageschrift im Prozess aber überhaupt verlesen konnte, war bereits einige Zeit vergangen. Der für 12 Uhr angesetzte Prozess begann letztlich erst um 14 Uhr – auch weil rund 20 Klimaaktivisten, die dem Prozess als Zuschauer beiwohnten, erst durch die Sicherheitskontrolle mussten.
Für ihre Verteidigung beantragten die beiden Angeklagten dann die Einsetzung eines Wahlverteidigers. Hierbei handelte es sich um Freunde der beiden Angeklagten. "Mein Wahlverteidiger verfügt zwar nicht über eine anwaltliche Zulassung, allerdings über das notwendige Rechtswissen und er genießt mein Vertrauen", begründete die Angeklagte ihre Entscheidung. Ähnlich argumentiere auch der Mitangeklagte. Auch wenn der Staatsanwalt die Eignung der beiden Wahlverteidiger anzweifelte, ließ die Richterin sie schließlich zu.
Grundrecht auf Demonstration
Zur Sache und den ihnen vorgeworfenen Taten selbst wollten sich dann allerdings weder die beiden Angeklagten noch ihre Wahlverteidiger äußern. Die Angeklagten nutzten die Gelegenheit allerdings für ein "allgemeines politisches Statement", wie es einer der Wahlverteidiger formulierte. "Das Grundrecht auf Demonstration schreibt nicht vor, wo man demonstriert", sagte der Angeklagte. Es gehe in dem Prozess aus seiner Sicht nicht darum, ob ihre Verhalten Nötigung war, sondern die Staatsanwaltschaft wolle einfach ein Zeichen setzen, dass ein solches Vorgehen aus ihrer Sicht nicht gehe. "Ich werde auch jeden Tag genötigt, giftige Abgase von Autos einzuatmen und zuzuschauen, wie Wälder für Straßen abgeholzt werden", sagte der Angeklagte. "Wir reden hier über die Strafbarkeit einer Banneraktion, aber nicht um die Dinge, die eigentlich wichtig sind."
Doch auch über die Banneraktion an sich wurde zunächst einmal wenig gesprochen. Es folgten nämlich erst einmal Anträge der Wahlverteidiger. Zunächst beantragten sie, dass die beiden Angeklagten bei der Vernehmung der drei Polizeibeamten, die als Zeugen geladen waren, im Zuschauerraum Platz nehmen dürfen, damit sie von diesen nicht sofort als Angeklagte identifizierbar seien. Darüber hinaus beantragten sie, dass die Polizeibeamten ohne ihre Dienstwaffe in den Zeugenstand treten sollten, weil davon eine Bedrohung für die Menschen in der Umgebung ausgehe. Beide Anträge wurden von der Richterin allerdings abgelehnt.
Von den drei geladenen Zeugen war letztlich allerdings ohnehin nur einer tatsächlich vor Ort. Eine Beamtin fehlte aus gesundheitlichen Gründen, ein anderer war ohne Absage nicht erschienen. Und auch der anwesende Polizist konnte wenig zur Wahrheitsfindung beitragen. Wie er berichtete, sei es an jenem Tag lediglich seine Aufgabe gewesen, zwei der am Protest beteiligten Aktivisten vom Einsatzort an der Autobahn zum Polizeikommissariat zu bringen. "Die Personen waren alle im Gesicht und an den Händen angemalt und konnten sich nicht ausweisen", berichtete der Polizist. Während der Fahrt hätten sie zudem nicht mit den Beamten gesprochen. Aufgrund der Tatsache, dass der Vorfall mittlerweile schon über drei Jahre zurückliege, habe er auch keine genauen Bilder mehr vor Augen, wie alles vor Ort abgelaufen sei.
Etwas genauere Schilderungen erhofft sich die Richterin nun von den weiteren Zeugen, die zu einem Fortsetzungstermin erneut geladen werden sollen. Dieser ist für den 26. Juli geplant.