Wenn es ernst wird, ist Reinhard Bernau längst über alle Berge. "Wir haben geplant, über Pfingsten wegzufahren", sagt der Achimer. Als Bewohner der Vogelsiedlung zählt er zu den rund 1700 Bürgern, die am Montag, 9. Juni, ihr Haus verlassen müssen, weil an diesem Tag zwei Fundstellen auf dem Gelände der Gasunie im Ortsteil Embsen untersucht werden sollen. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst geht davon aus, dass dort im Untergrund zwei Blindgänger liegen. Bestätigt sich der Verdacht, sollen die Bomben entschärft und abtransportiert oder notfalls vor Ort gesprengt werden.
"Jeder Bürger hat Verständnis, wenn die Entschärfung oder Sprengung eines Blindgängers seine Bewegungsfreiheit vorübergehend einschränkt", sagt Bernau. Aber die Pläne für den 9. Juni scheinen ihm zu ausufernd zu sein. "Was hier in Achim passiert, erinnert mich an die Behördenwillkür, der wir zur Corona-Zeit ausgesetzt waren", sagt Bernau. Er hält den Plan für "total unangemessen und überzogen". Weder die Größe der Sicherheitszone noch den Zeitplan kann er nachvollziehen. "Ist es tatsächlich zwingend nötig, schon morgens um 6 Uhr das Haus zu verlassen, wenn der Kampfmittelräumdienst noch nicht einmal weiß, ob sich Sprengmaterial im Boden befindet?", fragt Bernau.
Warum fällt der Sicherheitsradius so groß aus?
Dass sich während der Untersuchung der Fundstellen, an denen die Blindgänger erwartet werden, und einer erwarteten Räumung in einem Umkreis von 1000 Metern keine Menschen aufhalten dürfen, erklärt die Stadtverwaltung mit Vorgaben des Kampfmittelbeseitungsdienstes. Dass der Kreis in der Praxis nicht mit dem Zirkel gezogen wurde, sondern an den Rändern jede Menge Ecken und Kanten hat, liegt an den Zuschnitten der Grundstücke. Flurstücke, die zum Teil im Sicherheitsradius liegen, hat die Verwaltung immer vollständig der Sperrzone zugeschlagen. Im Bereich der Vogelsiedlung kommen noch einige Wohnhäuser dazu, die zwar weiter als 1000 Meter vom Gasunie-Gelände entfernt sind, aber wegen der Straßensperrungen im Zuge der Bombenentschärfung nicht mehr erreichbar sind. Das betrifft zum Beispiel die Häuser am Kuckucksweg, Meisenweg, Finkenweg, Drosselweg und Amselweg, die nur über die Fasanenstraße zu erreichen sind. Wenn es im Bereich der kleinen Seitenstraßen während der Bombenräumung am 9. Juni zu einem Notfall käme, könnten weder Rettungsdienst noch Feuerwehr dort Hilfe leisten. Das Betretungsverbot gilt für alle – auch für Einsatzkräfte.
Warum dauert die geplante Räumung so lange?
"Der Einsatz dauert vermutlich bis in die späten Abendstunden, im ungünstigen Fall auch über Nacht bis Dienstag, 10. Juni", heißt es in einem Schreiben der Stadt an die Anwohner. Und auch daran gibt es Kritik. Anwohner Reinhard Bernau findet die Aussage unbefriedigend. "Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Räumdienst den ganzen Tag und die ganze Nacht in der Erde buddelt", sagt er. Doch offenbar ist genau das der Plan. Wenn das Team des Kampfmittelbeseitigungsdienstes einmal angefangen hat, arbeitet es so lange, bis der Job erledigt ist. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Entschärfung sich bis in die Nacht hinziehen wird. Das Bombenräumkommando aus Hannover rechnet pro Fund mit einem durchschnittlichen Aufwand von vier Stunden. Weil in Achim-Embsen von zwei Blindgängern ausgegangen wird und die beiden Verdachtsstellen nacheinander bearbeitet werden, verdoppelt sich der erwartete Zeiteinsatz. Mit exakten Zeitangaben halten sich offizielle Stellen jedoch zurück, da die genaue Lage der Bomben und ihr Zustand unbekannt sind. Nicht einmal die Frage, wann der Einsatz der Kampfmittelbeseitiger beginnen, lässt sich klar beantworten. Fest steht: Am 9. Juni um 6 Uhr morgens werden Polizei und Feuerwehr das Gebiet rund um die Fundstellen absperren und von Haus zu Haus gehen, um sicherzustellen, dass sich tatsächlich niemand mehr in der Sperrzone aufhält. Erst wenn das sicher ist, beginnen die Arbeiten an den vermeintlichen Fundstellen der Bomben. Kontinuierlich überwacht die Polizei das Gebiet mit Drohnen. Sollten sich im Verlauf des Tages doch Menschen im Sperrgebiet aufhalten, müssten die Kampfmittelbeseitiger ihre Arbeit einstellen, bis das Gebiet wieder gesichert menschenleer ist.