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Verkehrsprobleme in Uphusen Bremer Lärm auf Achimer Grundstück

Die Vielzahl von Lkw in Uphusen bereitet den Anwohnern seit Jahren Probleme. Der erhoffte Befreiungsschlag durch das neue Gewerbegebiet Achim-West lässt auf sich warten.
08.04.2022, 14:02 Uhr
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Bremer Lärm auf Achimer Grundstück
Von Felix Gutschmidt

Wer im Vorgarten von Ilse und Manfred Schütte die Augen schließt und dem Rauschen lauscht, wähnt sich fast am Meer. Doch es ist nicht die Brandung, die dort zu hören ist, es ist die Autobahn. Der vom Wind herübergetragene Motorenlärm gehört in vielen Ecken des Achimer Stadtteils Uphusen zum Leben dazu. Viele Bewohner nehmen ihn kaum noch wahr. Auch die Schüttes nicht, doch das hat andere Gründe. Auf ihrem Grundstück wird das Rauschen der Autobahn meist übertönt vom Rattern und Dröhnen, vom Quietschen und Stöhnen der Lastwagen, die sich direkt vor ihrem Grundstück über den Bahndamm quälen.

Das Haus der Schüttes liegt zwischen Uphuser Heerstraße und Thalenhorststraße. Von Letzterer war bei der Grundsteinlegung noch nichts zu sehen, geschweige denn zu hören. Familie Schütte blickte nach dem Einzug 1972 auf eine Wiese, auf der Kühe oder Pferde weideten. Jetzt haben sie freie Sicht auf ein Einfallstor ins Gewerbegebiet Bremer Kreuz. Neukirch, Nagel, Maersk – Manfred und Ilse Schütte kennen die Schriftzüge auf den Lastwagen der dort ansässigen Speditionen mittlerweile bestens. Und die Fahrzeiten auch.

"Eklatante Lärmbelästigung"

Dass das Ehepaar die alten Geschichten hervorkramt, hat einen aktuellen Anlass: Achim-West. Die kürzlich wieder aufgeflammte Diskussion über das geplante Gewerbegebiet bringt Manfred Schütte dazu, daran zu erinnern, wie die Idee für das Millionenprojekt eigentlich entstanden ist. Ausgangspunkt der Überlegungen war es, nach Wegen zu suchen, den Verkehr in Uphusen zu entlasten. Man könne bei dem Projekt Achim-West wegen der ökologischen Folgen und der finanziellen Unwägbarkeiten geteilter Meinung sein, sagt Schütte. "Ich meine allerdings, dass bei der ganzen Problematik zwischenzeitlich die eklatante Lärmbelästigung der Bewohner ins Hintertreffen geraten ist."

Ob das gemeinsame Vorhaben der Stadt Achim, des Landkreises Verden und der Stadt Bremen, auf den Ackerflächen zwischen A 1 und A 27 ein neues Gewerbegebiet zu entwickeln, tatsächlich umgesetzt wird, steht auch nach mehr als zwei Jahrzehnten der Planung in den Sternen. Im Rat der Stadt Achim gibt es derzeit keine Mehrheit dafür. Bleibt es dabei, "ist das Projekt für mindestens zehn Jahre tot", sagt Petra Geisler, Fraktionsvorsitzende der Achimer SPD. Mit ihm würde auch "für den Ortsteil Uphusen die einzige Chance auf Verkehrsentlastung" sterben.

Schütte sieht das etwas anders. Schwärzer. Dass Achim-West tatsächlich den Lkw-Verkehr im Ort reduzieren würde, bezweifelt er. Und selbst wenn: Er würde das nicht mehr erleben, glaubt der 75-Jährige.

Jede Menge Behördenkorrespondenz

Als die Thalenhorststraße Mitte der 70er-Jahre direkt vor dem Grundstück der Familie gebaut werden soll, versucht Manfred Schütte, das Vorhaben zu verhindern und bekam nach eigenen Angaben "ordentlich einen zwischen die Hörner". In den folgenden Jahren setzt er sich für bauliche Veränderungen ein, Lärmschutzwände, Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ohne Erfolg. Mittlerweile würde er sich schon freuen, wenn der Bremer Umweltbetrieb wenigstens nicht den Efeu in Kronen der Eichen entlang der Thalenhorststraße so massiv zurückschneiden würde. Das bisschen Grün ist für ihn der einzige Schutz vor dem Lärm und den Abgasen.

Zum Thema Verkehrslast in Uphusen hat der Rentner mittlerweile einen ganzen Ordner mit Akten  gesammelt: Gutachten, Zeitungsartikel und jede Menge Behördenkorrespondenz. Darin erklären Bremer Verwaltungsmitarbeiter – die Thalenhorststraße fällt in ihre Zuständigkeit – wortreich, was alles nicht geht.

So lässt der Senator für Bau, Umwelt und Verkehr 2007 mitteilen, dass die Anwohner keinen rechtlichen Anspruch auf eine Lärmschutzwand oder andere bauliche Veränderung der Straße hätten. Zwar räumt er ein, dass mit einem zu erwarteten Lärmpegel von 66 Dezibel am Tag und 56 Dezibel in der Nacht die zulässigen Grenzwerte möglicherweise überschritten werden. Doch zumindest mittelfristig sei nicht mit Maßnahmen zu rechnen.

Warten auf Antwort aus Bremen

2020 erläutert ein Mitarbeiter der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, warum Tempo 30 auf der Thalenhorststraße keine Option ist: Der Lärmpegel liege mit bis zu 65 Dezibel am Tag und bis zu 55 Dezibel in der Nacht deutlich unter der Grenze zur Gesundheitsgefährdung.

Dass die Lärmwerte nach Berechnungen der Bremer Verwaltung sogar gesunken sind, nimmt Schütte einigermaßen erstaunt zur Kenntnis. Seine Wahrnehmung ist eine andere. Er meint, der Verkehr vor seinem Grundstück hat zugenommen. Er spricht von mehr als zehn Lkw pro Minute in Spitzenzeiten.

Er weist die Behörde schriftlich auf Erhebungen von 2010 und 2013 hin, "die bereits eine erhebliche Steigerung des Lkw-Verkehrs aufweisen". Auf eine Antwort aus der Hansestadt wartet er vergeblich. Genau wie auf eine Messung der tatsächlichen Lärmbelastung.

Tempo 30 verschärft das Problem

Dafür, dass auf einem Teil der Uphuser Heerstraße seit 2016 Tempo 30 gilt, mussten die Uphuser viele Jahre kämpfen. Als die Schilder endlich standen, sprach Anwohner Mario Gerloff von einem spürbaren Effekt und weniger Lärm. Doch für die Schüttes hat sich die Situation dadurch sogar noch verschlimmert: Die von der Uphuser Heerstraße auf die Thalenhorststraße abbiegenden Lkw würden – befreit von der Geschwindigkeitsbegrenzung – extra Gas geben, sagt Manfred Schütte. Er hatte gehofft, dass wenigstens dieses Problem mit einer einheitlichen Tempovorgabe gelöst werden könnte.

Der Garten der Schüttes liegt zum Teil auf Achimer und zum Teil auf Bremer Grund. Die Kois im kleinen Teich können sich aussuchen, ob sie lieber in der Freien Hansestadt oder in Niedersachsen schwimmen wollen. Für Besucher ist die Grenzlage eine Kuriosität. Für Ilse und Manfred Schütte ist sie zu einer Belastung geworden. Die Achimer leben mit dem Lärm einer Bremer Straße. Und mittlerweile hat sich bei dem Ehepaar der Eindruck verfestigt, dass sich keine der Städte für seine Belange verantwortlich fühlt.

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