Was anno 1552 in Venedig erschienen ist, lagert in Verden wohlbehütet hinter Glas. „Ordini di Cavalcare“ lautet der Titel des ältesten Buches im umfangreichen Bestand der Hippologischen Bibliothek des Deutschen Pferdemuseums (DPM) in Verden. Es stammt aus der Feder von Federico Grisone, dem seinerzeit berühmtesten italienischen Reitmeister, und ist ein grundlegendes Werk über die Reitkunst und Schulreiterei – wie der Autor sie verstand und wie sie sich in ganz Europa verbreiten sollte. Einen Einblick in besondere Schätze der berühmten, weit und breit einmaligen Sammlung der DPM-Bibliothek können sich Interessierte an diesem Dienstag, 16. September, verschaffen.
Unter dem Motto „Meet and Read rund ums Pferd“ lädt das Museum am Holzmarkt erstmals zum gemütlichen Schmökern und Stöbern ein. Im sogenannten Stuckraum in der ersten Etage, zwischen deckenhohen Regalen voller wertvoller Bücher und mit Blick auf die angrenzende Stadtbibliothek, können sich Besucherinnen und Besucher zwischen 15 und 17 Uhr über die vielfältige Fachliteratur informieren oder sich auch gleich einem selbst gewählten Thema widmen. Vielleicht kommen sie bei der Treff-Premiere auch miteinander ins Gespräch und tauschen sich beim gemütlichen Klönschnack über ihre hippomäßigen Vorlieben aus.
Schätze liegen bereit
Chefin Britta Stühren wird den Gästen in ihrem „Reich“ mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie hat schon eine ganze Reihe von Büchern ausgewählt, die zur Ansicht bereitliegen werden und beispielhaft dokumentieren, über welche Schätze die größte pferdekundliche Bibliothek im deutschsprachigen Raum verfügt. Wenn sich jemand auskennt in dem immensen Wissensschatz mit mehr als 20.000 Titeln, dann Britta Stühren. Die Diplom-Bibliothekarin und begeisterte Freizeitreiterin hat die Leitung zu einem Zeitpunkt übernommen, als für das gesamte Pferdemuseum eine neue Ära anbrach: im Mai 2000 mit dem Umzug in die ehemalige Kavalleriekaserne am Holzmarkt.
Zuvor hatten sich das eigentliche Museum und die organisatorisch angegliederte Bücherei noch an zwei getrennten Standorten in der Altstadt befunden. Während das DPM seinen Sitz in einem Fachwerkhaus an der Andreasstraße in Verden hatte, war die Bibliothek gleich um Ecke im Ackerbürgerbürgerhaus an der Strukturstraße untergebracht. Das kleine Haus konnte die von Museumsgründer und „Pferdepapst“ Hans Joachim Köhler (1917 - 1997) über Jahrzehnte angehäufte Spezialliteratur kaum noch fassen.
Fotos und Filme im Sortiment
Britta Stühren sorgte in den Folgejahren dafür, dass der Ruf der nun repräsentativ und übersichtlich angesiedelten Sammlung rund um Rösser, Reiter und deren Historie weiter aufpoliert wurde und ein Großteil des stetig wachsenden Bestandes schon einer zeitgemäßen Online-Katalogisierung unterzogen wurde. Längst erstreckte sich das sorgsam verwahrte Sortiment nicht nur auf Fachbücher, Bildbände, Kataloge, Nachschlagewerke und Zeitschriften, sondern auch auf ein einzigartiges Foto- und Filmsortiment. Nach einer knapp fünfjährigen Verden-Pause, in der sie die Bibliothek und das Bildarchiv des Bremer Focke-Museums leitete, ist Britta Stühren 2021 ins DPM zurückgekehrt.
Was die Bibliothek alles zu bieten hat, weiß sie am allerbesten. Zum Besitz gehört eben auch jenes äußerlich eher unscheinbare Büchlein, das bereits 473 Jahre auf dem leicht vergilbten Buckel hat: eine seltene frühe Ausgabe von „Ordini di Cavalcare“. Der Reitmeister Federico Grisone (1507 - 1570), der in Neapel eine viel beachtete Akademie mit breiter Ausstrahlung betrieb, beschrieb darin unter anderem die Reit- und Zaumkunst und beschäftigte sich auch mit den Vorschriften über das Benehmen des Ritters beziehungsweise Reiters im Zweikampf.
Die deutsche Übersetzung, 1570 von Johannes Fayser unter dem Titel „Künstlerischer Bericht und allerzierlichste Beschreibung“ vorgelegt, ist im Museum als Reprint mit einigen Abbildungen der frühen Reitlektionen vorhanden. Die bibliophilen Raritäten stammen aus dem Nachlass Otto Rothes (1924 - 1970), den das DPM erhalten hat. Rothe war Veterinäroffizier bei der Bundeswehr, ein erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter, der 1952 und 1956 mit der deutschen Equipe jeweils Olympia-Silber gewann, und Sammler von Büchern zur Pferdekunde.
Wertvoller Nachlass
Um beispielhafte Besonderheiten handelt es sich auch bei den beiden Lehrbüchern, die der Waffensammler Richard Zschille und der Kunsthistoriker Robert Forrer gemeinsam verfasst haben. „Die Pferdetrense“ und „Die Steigbügel“, 1893 und 1896 in einem Berliner Verlag erschienen, sind nur zwei Objekte aus dem vielfältigen Nachlass, der dem Museum vor 25 Jahren zuteil wurde. Anton Haug (1914 - 2001) aus Regensburg war neben seinem Beruf als Tierarzt auch als Verbandsfunktionär, Turnierrichter im Fahrtsport sowie Buchautor und Illustrator tätig. Neben kostbaren Büchern hat Haug dem DPM auch Grafiken und Gemälde zukommen lassen.
Weitere Informationen zur Hippo-Bücherei, unterteilt in Präsenz-, Magazin- und Ausleihbereich, gibt es unter www.dpm-.de. Die Teilnahme an „Meet and Read rund ums Pferd“ ist kostenlos. Es wird um Voranmeldung unter Telefon 0 42 31/ 80 71 40 gebeten.