Verden/Stuhr-Brinkum. Wie ein Drehbuch aus der Feder eines TV-Krimiautors mit überbordender Fantasie hörte sich die Anklageschrift an, die am Dienstag im großen Saal des Landgerichts Verden verlesen wurde. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat sich aber am 5. Februar vorigen Jahres in einer Lagerhalle im Stuhrer Ortsteil Brinkum genau das zugetragen, was drei 22, 24 und 26 Jahre alten Männern aus Bremen beziehungsweise Syke vorgeworfen wird. Sie sollen, gemeinsam mit einem nach wie vor Unbekannten, erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit schwerem Raub und schwerer räuberischer Erpressung sowie gefährlicher Körperverletzung begangen haben.
Nach der Anklage muss vor allem eines der beiden Opfer an jenem Sonnabend ab Mittag über Stunden ein wahres Martyrium erlitten haben. Über den Mann wurde lediglich gesagt, es handele sich um den Inhaber eines Handyshops aus Hannover. Er soll mit einem „Begleiter“ zum Treffpunkt an der Gottlieb-Daimler-Straße erschienen sein, der mit dem 26-Jährigen und dem unbekannten Mittäter ausgemacht worden war – über ein gängiges Soziales Netzwerk und mit unlauteren Absichten. Dem Unternehmer aus der Landeshauptstadt soll vorgetäuscht worden sein, man wolle ihm „Ladestationen und weitere Elektrowaren“ verkaufen.
Gegen 12.15 Uhr gerade eingetroffen, soll der Mann auch schon in die – nicht näher bezeichnete – Lagerhalle gelockt und mit einer gegen den Kopf gerichteten Schusswaffe bedroht worden sein. Ihm wurden laut weiterer Schilderung sein Smartphone und das Portemonnaie mit 50 Euro Bargeld abgenommen und er erhielt von dem 26-Jährigen so heftige Schläge an den Kopf, dass er zu Boden ging. Nach Hieben mit einer Eisenstange soll das Opfer dann gefesselt und eindringlich nach weiterem Geld gefragt worden sein. Derweil machte der draußen wartende Begleiter sich schon Sorgen. Ihn soll ein Angeklagter kurzerhand, auch unter Drohung mit einer Waffe, ebenfalls in die Halle verfrachtet haben. Er musste Mobiltelefon und die mitgeführten 400 Euro herausgeben.
Die mutmaßlichen Täter sollen von den beiden Geschädigten 150.000 Euro verlangt haben. Weil der gefesselte Mann sich zunächst weigerte, den Entsperrungscode seines geraubten Handys preiszugeben, folgten weitere massive Drohungen und Gewaltaktionen. So soll eine Hand des Mannes auf eine Tonne gelegt und ihm avisiert worden sein, dass ein Finger abgeschnitten werde. Die Entsperrung der Sparkassen-App per Face-ID zwecks Gesichtserkennung funktionierte nicht – das Gesicht sei "zu entstellt“ gewesen, hieß es. Nunmehr soll der Mann auf einen Stuhl bugsiert und mit einem Messer traktiert worden sein: Das Messer wurde ihm erst fünf Zentimeter tief in den Oberschenkel gestochen und darin gedreht, nach dieser Tortur auch noch an den Hals gehalten, verbunden mit der Frage: „Willst du nach Hause zu deinen Kindern?“
Schließlich soll der Mann den Pin der App herausgegeben haben, die Angeklagten diesen umgehend genutzt haben. Sie sollen eine Überweisung von 20.000 Euro auf ein Konto in Großbritannien veranlasst haben, auf das sie Zugriff hatten. Etwa um 17 Uhr sollen sie ihre beiden malträtierten Opfer in das Fahrzeug des schwer verletzten Handyshop-Betreibers gesetzt haben. Nach damaliger Polizeimeldung fuhren sie los und ließen die Männer auf der Autobahn 27, zwischen dem Bremer Kreuz und der Anschlussstelle Achim-Ost, einfach in dem Wagen zurück.
Bei den drei Angeklagten handelt es sich um einen 22-Jährigen, der in Bremen wohnt, einen 24-Jährigen mit Wohnsitz in Syke sowie einen in Bremen lebenden 26-jährigen Mann. Alle drei befinden sich auf freiem Fuß. Der Älteste ist auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt. Bei seiner vorläufigen Festnahme am 28. Februar 2022 in Bremen war bei ihm ein Butterflymesser gefunden worden – der Besitz ist verboten. Alle drei wollen sich nach Auskunft ihrer Verteidiger nicht zu den Vorwürfen äußern. Der 24-Jährige ließ zudem wissen, er bestreite die Vorwürfe.
Der erste Verhandlungstag war schon nach einer knappen halben Stunde beendet. Die 10. Große Strafkammer rechnet mit einer langwierigen Beweisaufnahme und hat vorerst 13 Fortsetzungstermine bis zum 21. September anberaumt.