Im Prozess um den Tod eines ungeborenen Kindes im Januar 2015 in Siedenburg (Kreis Diepholz) hat die angeklagte Hebamme am zweiten Verhandlungstag Fehler und Versäumnisse eingeräumt. So hätte sie auf einen Abbruch der mehrtägigen, kaum voranschreitenden und zunehmend problematischen Hausgeburt drängen und einen Transport ins Krankenhaus durchsetzen müssen, hieß es in der umfangreichen Einlassung. Die 60-Jährige aus Neustadt am Rübenberge (Region Hannover), die nicht mehr praktizieren darf, muss sich vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Verden wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen verantworten.
Die bereits vierfache Mutter, die aufgrund verschiedener Faktoren als Risikopatientin galt, hatte das Baby am späten Abend des 13. Januar im St. Marienhospital in Vechta tot zur Welt gebracht. Dorthin war sie schließlich gebracht worden, nachdem am Mittag bei einer Hausärztin in der Nähe der Wohnung der Frau eine Ultraschalluntersuchung stattgefunden hatte. Dies soll auf Initiative der Geschädigten und ihres Partners geschehen sein. Die Hebamme, die die Schwangerschaft seit Oktober begleitet hatte, war mit in die Praxis gegangen.
Es sollen zu diesem Zeitpunkt keine Herztöne des Säuglings mehr feststellbar gewesen sein. Da sei ihr klar gewesen, „dass das Kind den Transport in die Klinik nicht überleben würde“, sagte die gebürtige Frankfurterin, die sich als Verfechterin der „traditionellen Hebammenkunst“ darstellte, in der sie auch ausgebildet sei. In ihrer Schilderung der Vorgänge fehlten allerdings auch nicht diverse Hinweise darauf, dass die Geschädigte Ratschläge und Maßnahmen abgelehnt, sich wiederholt zurückgezogen und völlig unzugänglich gewesen sei. Sie widersprach auch Vorwürfen, wonach sie im Vorfeld nicht ausreichend über mögliche Gefahren für Mutter und Kind aufgeklärt habe und verwies mehrfach auf ihre Unterlagen und Dokumentation.
Nebenklägerin schildert andere Geschichte als angeklagte Hebamme
Die betroffene Frau, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, berichtete bei ihrer Vernehmung über die Ereignisse im Haus der Familie in weiten Teilen völlig anders als die Angeklagte. So habe die Hebamme sie während des schleppenden, immer komplizierteren Geburtsvorgangs häufig beschwichtigt und behauptet, es werde schon alles klappen. Gegen zunehmende Schmerzen habe sie ihr „nur so‘n Zeugs“ gegeben – gemeint waren offenbar homöopathische Mittel.
Die Hebamme habe eine „emotionslose Gleichgültigkeit an den Tag gelegt“, sagte die 47-Jährige. Mehrfach habe sie an einem Tisch gesessen „und ihre Steuererklärung gemacht“. Zudem habe die Angeklagte etwas von Wehenpause und Geburtsstillstand erzählt. Als sie selbst schon sicher gewesen sei, dass sich das Kind nicht mehr bewegte, „hat sie noch den gleichen Stuss erzählt“. Der Prozess wird am 15. November fortgesetzt.