Sein 100-jähriges Bestehen hat der Hannoveraner Verband 2022 begangen. Jetzt wird wieder ein Jubiläum gefeiert: Seit 75 Jahren werden in Verden Pferde versteigert. Vor der 141. Elite-Auktion, die am kommenden Sonnabend, 13. Oktober, in der Niedersachsenhalle im zeitgemäßen OnLive-Format stattfindet, soll daher auch Rückschau gehalten werden: auf die bescheidenen Anfänge in alten Kasernenhallen und die weitere, phasenweise rasante Entwicklung, die den Zuchtverband zu dem bis heute verwendeten Slogan „Hannoveraner – Erfolg in aller Welt“ veranlasste. Idee und Initiative zur zentralen Absatzmöglichkeit waren einst von dem Mann ausgegangen, der später auch respektvoll „Pferdepapst“ genannt wurde.
Züchtern bei der Vermarktung helfen
Hans Joachim Köhler (1917 – 1997) hatte die Zeichen der Zeit erkannt: Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Züchterställe voll, Arbeitspferde für die Landwirtschaft kaum noch gefragt, der ländliche Turniersport fast zum Erliegen gekommen. Dem Pferdefachmann schien es erforderlich, den Züchtern bei der Vermarktung der Tiere zu helfen. Dafür konnten sich letztlich auch die zunächst skeptischen Verantwortlichen des noch in der Landeshauptstadt ansässigen Verbandes hannoverscher Warmblutzüchter erwärmen. Die Reiterstadt Verden hielt man für den geeigneten Ort – und den hartnäckigen Mecklenburger ließ man machen.
Mit Wagemut und Weitsicht begründete Köhler im November 1949 die Auktionen. Er sollte sie durchgängig bis Frühjahr 1984 dirigieren. Die Premiere in der Reithalle der von der britischen Armee belegten Kaserne am Brunnenweg verlief in finanzieller Hinsicht eher mäßig. Ansonsten muss sie für die Beteiligten reichlich aufreibend gewesen sein. In seinem 1981 erschienenen Buch „Biographische Notizen eines Pferdenarren“ berichtete der Hippologe, den auf lehnenlosen Bänken hockenden Besuchern seien bisweilen die Brocken des Hufschlags um die Ohren geflogen – „was durch ausgesuchte Grammophonmusik etwas gemildert wurde“.
Ernüchterndes Debüt
18 der 30 offerierten Pferde, die meisten „langhaarig, in Erhaltungskondition und nicht gerade üppig in der Muskulatur“, fanden zum Schnittpreis von 1900 Mark einen neuen Besitzer. Das „wenig verheißungsvolle Debüt“ und die noch kärglichere nächste Auktion konnten „HJK“ und Co. aber nicht vom Kurs abbringen. Vielmehr wurden die Zügel angezogen.
Nach zwei Versuchen in der innerstätischen Holzmarktkaserne, die mittlerweile auch das Deutsche Pferdemuseum beherbergt, erfolgte 1951 der Umzug zur damaligen Niedersachsenhalle am Lönsweg. In der betagten, mit einer Tribüne, sogar ausrangierten Kinosesseln aufgemöbelten und zusätzlichen Stallungen versehenen „Bullenhalle“ sollten sich die Pferdeversteigerungen fortan in ungeahntem Maße etablieren.
Schnell ein Anziehungspunkt für Pferdekenner
Köhler habe es verstanden, die Auktionen zum „Anziehungspunkt für Pferdekenner“ zu machen, heißt es in einer kleinen Rückschau des Verbandes. Er habe „die bedeutendsten Pferdeleute davon überzeugt, dass herausragende Pferde idealerweise in Verden zu kaufen seien. Auch sei es ihm gelungen, die besten Reiterinnen und Reiter für das Training und die Vorstellung der Auktionspferde zu gewinnen.
Noch mehr voran ging es nach der Umsiedlung im Herbst 1972 in die im Eiltempo errichtete, wesentlich größere Niedersachsenhalle an der Lindhooper Straße. Hier war es drei Jahre später auch dem Auktionator Alfred Brüns vergönnt, erstmals einen Hannoveraner zum sechsstelligen Preis „zu verkloppen“ – glatte 100.000 Mark für die Stute Walpurga. Der im Cut und mit grauem Zylinder auftretende Brüns hatte schon die Pionierzeit mitgeprägt. Nach seinem teuren „…zum Dritten“ reichte er das Ebenholzhämmerchen an seinen sehr gelehrigen Schüler Friedrich-Wilhelm Isernhagen weiter.
Von Rindern zu Pferden
Der Verdener Agraringenieur, heute 81, hatte sich schon Sporen als Rinderauktionator verdient, startete in der anderen Vierbeinerbranche voll durch und wurde zu seinem Star seiner Zunft. Als Isernhagen 2012 das Auktionspult räumte, hatte er rund 25.000 Pferde versteigert. Dazu gehört mit dem Bundeschampion Lemony’s Nicket auch der Hannoveraner, der seit 13 Jahren den Verdener Preisrekord hält, 900.000 Euro.

Ein Hannoveraner hält seit 13 Jahren den Verdener Preisrekord von 900.000 Euro.
Auch Rainer Kiel (1943 – 2022) war hervorragend vorbereitet und sattelfest, als er im April 1984 die Nachfolge Köhlers antrat. Vier Jahre war der Landstallmeister-Sohn bei dem strengen „Chef“ schon als Assistent in die Schule gegangen. Der erfahrene Kaufmann Kiel setzte als Leiter der Ausbildungs- und Absatzzentrale bald neue Akzente. So zog er auch klare Grenzen zwischen den halbjährlichen Elite- und den 1974 eingeführten Zwischenauktionen.
Expansionskurs beginnt
Unter seiner Ägide wurden der Pferdeverkauf, das Kerngeschäft, und das „Drumherum“ professioneller und personalaufwendiger. Mit einem starken Team ging es auf den Expansionskurs, der, der auch bald einen Exportboom brachte. Kiel blieb beinahe ein Vierteljahrhundert auf dem Posten.
Die vor 75 Jahren von dem „Visionär“ Köhler ins Leben gerufenen Auktionen erfüllten ihren Zweck noch immer, betont der amtierende Auktionsleiter und Geschäftsführer Wilken Treu: die Züchter in der Vermarktung ihrer Pferde zu unterstützen.
Unter der Überschrift „Bestseller seit 75 Jahren“ weist Treu im aktuellen Katalog zudem darauf hin, dass Verdener Auktionspferde so lange auch schon „weltweit großartige Erfolge“ feierten. Eine Menge mögliche Champions von morgen sind am 12. Oktober zu erwerben: Das Sortiment umfasst rund 60 Dressur- und Springpferde sowie 30 Fohlen. Weitere Infos unter www.hannoveraner.com.