Den Begriff "Autismus" verbinden viele Menschen mit Personen, die trotz hohem Intellekt Schwierigkeiten haben, soziale Beziehungen aufzubauen. Dabei ist das Autismus-Spektrum sehr vielseitig. Um Vorurteile und Klischees abzubauen, soll der Welt-Autismus-Tag am 2. April dienen. Der Gedenktag wurde von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen und soll die Aufmerksamkeit auf die Lebenssituation von Autisten und ihr Umfeld richten – auch im Landkreis Verden.
Was bezeichnet die Autismus-Spektrum-Störung? "Autismus ist eine komplexe und vielgestaltige neurologische Entwicklungsstörung", erklärt Katrin Schmitt vom Verein Autismus Bremen, der auf dem Hof Meyerwiede in Langwedel-Etelsen ein Angebot für Betroffene bietet. Häufig bezeichnet man Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) auch als Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, die sich auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltensrepertoires auswirken.
Wie viele Formen von Autismus gibt es? Es wird zwischen drei Ausprägungen von ASS unterschieden: frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom und atypischer Autismus. "Die Unterscheidung fällt in der Praxis jedoch immer schwerer, da zunehmend leichtere Formen der einzelnen Störungsbilder diagnostiziert werden", berichtet Claudia Grieger von der Autismus-Ambulanz der Lebenshilfe Rotenburg-Verden. Ganz nach dem Motto: "Kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten." Daher werde aktuell der Begriff der "Autismus-Spektrum-Störung" als Oberbegriff für das gesamte Spektrum autistischer Störungen verwendet.
Was sind klassische Anzeichen für ASS? Die meisten Menschen mit ASS leiden unter einer Reizfilterschwäche, erklärt Claudia Grieger. "Das heißt konkret, dass ihr Gehirn Reize anders verarbeitet." Eine schnelle Reizüberflutung – beispielsweise durch Gerüche, Berührungen, Lautstärke, Licht oder durch intensive Detailwahrnehmung – erschwert ihren Alltag. So kann es sein, dass alltägliche Situationen für Menschen mit ASS schnell zur Herausforderung werden und sie den Betroffenen viel mehr Energie kosten. "Eine veränderte Wahrnehmung bedeutet nicht gleichzeitig eine geistige Beeinträchtigung", betont Katrin Schmitt.
Einige Betroffene haben zudem Schwierigkeiten in der Kommunikation und in der sozialen Interaktion. "Bei Menschen mit Autismus fehlen häufig lebenspraktische Fähigkeiten, die für Menschen ohne ASS als ganz 'normal' gelten, wie die Nahrungsaufnahme, tägliche Hygiene und Einkaufen", erklärt die Koordinatorin der Autismus-Ambulanz.
Wo gibt es Hilfe für Betroffene im Landkreis Verden? Besteht der Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung, ist es wichtig, bei einer kinderpsychiatrischen Praxis, einem sozialpädiatrischen Zentrum oder einer entsprechenden Abteilung einer Klinik diesen Verdacht überprüfen zu lassen. "Eltern spüren meistens sehr früh, dass ihr Kind irgendwie anders ist", weiß Claudia Grieger. In der Autismus-Ambulanz der Lebenshilfe in Rotenburg wird keine Diagnostik erstellt. "Wir vermitteln aber Kontakte zu Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten, die eine anerkannte Diagnose stellen können."
Nach einer erfolgreichen Diagnose können die betroffenen Familien sich an den Landkreis wenden und einen Schwer-Behinderten-Ausweis sowie einen Nachteilsausgleich bekommen. Der Landkreis Verden arbeitet nach eigenen Angaben mit verschiedenen Trägern und Institutionen zusammen, die sich um Menschen aus dem Spektrum kümmern.
Eine davon ist der Hof Meyerwiede. Das Gelände in Etelsen ist ein Ort zum Leben und Arbeiten für erwachsene Menschen mit ASS. Ziel des Angebotes ist es, den erwachsenen Menschen mit ASS einen Rahmen und die notwendige Unterstützung und Förderung zu bieten, damit diese so weit wie möglich ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen können, berichtet Katrin Schmitt. Dafür bietet das multiprofessionelle Team verschiedene Arbeitsbereiche an. "Denn die Berufstätigkeit spielt in unserer Gesellschaft eine große Rolle. Sie bestimmt maßgeblich das Prestige und ist für die Definition der eigenen Person wichtig", betont Schmitt. "Dies gilt auch oder vielleicht besonders für Menschen mit einer Behinderung." Die Arbeit sei dabei nicht gewinnorientiert ausgerichtet, der Fokus liege vielmehr auf der persönlichen Förderung des einzelnen Beschäftigten. Insgesamt gibt es drei Wohneinheiten auf dem Hof mit insgesamt 20 Bewohnern sowie zwei separaten Wohneinheiten.