Berne. Mal ins schöne Wittemoor, wo das Wollgras blüht. Oder mit offenen Augen den Wegesrand entlang, um all die Kräuter zu entdecken, die Speisen schmackhaft unterstreichen oder in Tees und Cremes ihre Wirkung entfalten. Das ist derzeit nur in der Erinnerung möglich. Zumindest, wenn es um den Ausflug von Gruppen geht, die die Gästeführerinnen im Stedinger Land gern anbieten würden, was aus bekannten Gründen aber nicht geht. Aber es gibt vage Hoffnung, dass die eine oder andere Tour doch noch angeboten werden könnte. Die Gästeführerinnen jedenfalls sind vorbereitet.
„Vor allem die Kräuterwanderung ist sehr beliebt“, berichtet Anke Bakenhus, eine der vier Gästeführerinnen, die rund um Berne und Lemwerder ausschwärmen und manch Wissenswertes über die Region zu berichten haben. Anke Bakenhus bietet dabei auch informative Radtouren an. Inklusive Überraschungen. „Wir bespaßen die Einheimischen“, sagt sie augenzwinkernd. Es komme fast nicht vor, dass Touristen sich die Natur und Kultur zwischen Flüssen, Deichen und Mooren der Wesermarsch näherbringen lassen wollen. So sind es die Menschen vor Ort, die das Programm der Gästeführung im Stedinger Land nutzen. Und das ist für die Expertinnen gelegentlich eine Herausforderung. „Kennen wir doch schon alles“, hören sie. Oder – op Platt - „dor köönt wi ok alleen henföhren“. Aber wer dann doch mal bei einer Tour mitgelaufen oder mitgeradelt ist, kann so ins Staunen geraten, dass es oft heißt: „Och, das wusste ich ja gar nicht.“
Die Überzeugungsarbeit der Gästeführerinnen hat gefruchtet. „Es gibt inzwischen Stammkunden“, freut sich Anke Bakenhus, die vor gut 20 Jahren ein Angebot der Ländlichen Erwachsenenbildung nutzte und sich zur Gästeführerin ausbilden ließ. 150 Unterrichtsstunden hatte sie absolviert und sich in regionaler Geschichte, in Rechtshaftungsfragen, Rhetorik oder Erster Hilfe fit gemacht. „Wir haben alle Kirchen in der Wesermarsch besucht“, erinnert sich die inzwischen 71-Jährige. „Man muss schon interessiert sein an Geschichte und Heimatkunde, wenn man sich zur Gästeführerin ausbilden lässt.“ Und man muss die Geschichten kennen, die Geschichte lebendig machen und mehr zählen als bloße Jahreszahlen. Manch ein Blick ins Kircheninnere – garniert mit allerlei Hintergrundinformation - steht deshalb auf dem Tourenplan. Einige nörgeln dann: „Wenn du so viel erzählst, kommen wir nicht ans Ziel.“
Anke Bakenhus schmunzelt. Man spürt, dass ihr die Touren Spaß machen. Zumal sie bei ihrer Gruppe Interesse wecken kann. Die Ideen gehen ihr nicht aus. Und sie hängt sich rein, wie man so sagt, wenn jemand für eine Aufgabe brennt. Jede Tour checkt die Gästeführerin im Vorwege genauestens, damit ihr entlang der Strecke keine Details entgehen, die berichtenswert sind. Oder damit sie – Gästeführeralbtraum – sich nicht verfährt oder verläuft und einen falschen Weg einschlägt.
Die Gästeführungen im Stedinger Land sind inzwischen bei den Einheimischen beliebt, sagt Anke Bakenhus. „Die Mehrtagestouren waren immer der Renner.“ Mit dem Fahrrad bis Westerstede, bis Syke, Wildeshausen, Bremen oder Achim – unterwegs zwei Übernachtungen und am Ende das Gefühl, nach drei Tagen auf dem Drahtesel einen kleinen Urlaub erlebt zu haben.
Manchmal geht es mit dem Zug oder Bus auch in die Ferne: Berlin, Potsdam und Leipzig standen schon auf dem Programm. Soweit wird es wohl erstmal nicht gehen. Aber kleinere Touren wären drin, wenn die Pandemie es zulässt. „Vielleicht eine LiteRadtour“, blickt Anke Bakenhus voraus. Mit dem Rad zum Alma-Rogge-Haus in Rönnebeck und eine Kostprobe aus deren Büchern. Oder zur Freilichtbühne Stedingsehre in Bookholzberg, wo ein Informationszentrum über die einstige NS-Kultstätte aufklärt. Oder eine Tour zur Storchenstation – all das kann Anke Bakenhus sich für den Neustart vorstellen.