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Historische Funde Altenesch – Heimat vieler Walfänger

Brake und Altenesch waren die Heimat zahlreicher Walfänger. Ihrer Geschichte ab 1653 widmen sich drei Hobbyhistoriker. Sie nehmen auch jederzeit noch alte Dokumente entgegen, die über den Walfang berichten.
18.12.2022, 20:00 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt/Jöh

„Brake und Altenesch waren die Heimat zahlreicher Walfänger, die ab 1653 von der Weser aus in See stachen“, sagt Wolfgang Böning, Hobbyhistoriker aus Altenesch. Gemeinsam mit Hans-Nikolaus Schümann und Georg Westermeyer möchte er diesen Teil Seefahrergeschichte wieder lebendig machen.

„Manche Altenescher waren auch schon vor dem Jahre 1653, als Reeder deutscher Seestädte sich am Arktisfang beteiligten, von Holland aus auf Walfang gegangen“, erklärt Wolfgang Böning weiter. Holländer hätten bereits im Mittelalter geholfen, das Bremer Umland zu entwässern, und in ihrem Land konnten sie Hilfe beim Walfang gut gebrauchen. Alteneschern, die damals überwiegend in der Landwirtschaft tätig waren, bot der Walfang gute Verdienstmöglichkeiten – obwohl sie wussten, dass sie mit dieser Art von Arbeit auch ihr Leben riskierten.

Eine gefährliche Fahrt

Denn mit Segelschiffen in den eisigen Norden, meist bis Spitzbergen, zu fahren, war eine äußerst gefährliche Angelegenheit. „Man erlegte die großen Meeressäuger mit Handharpunen, was an sich schon Gefahren mit sich brachte. Doch viele Walfänger sind zu Tode gekommen, weil ihr Schiff im Eis stecken blieb oder von einem Eisberg gerammt wurde. Und manche wurden auch bei einem Sturm einfach von Deck gespült“, sagt Hans-Nikolaus Schümann, der über den Walfang an der Weser von 1653 bis 1872 ein umfangreiches Fachbuch geschrieben hat. Für diese umfassende Dokumentation erhielt er 2014 den Bremer Preis für Heimatforschung. „Die Kälte in den arktischen Fangregionen war damals ein großes Problem, hinzu kam die oft unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln. Viele Seefahrer litten unter Skorbut, einer Vitamin C-Mangelkrankheit“, erklärt Schümann, der Kapitän im Ruhestand ist und acht Jahre lang an seinem Werk geschrieben hat.

Wegen der begrenzten Fangtechnik mit Harpunen ließen sich damals nur Walarten erbeuten, die langsam genug schwammen, wie die Nordatlantischen Glattwale. „Man hatte es vor allem auf den Tran abgesehen, nutzte aber auch die Barten eines Wales, die als sogenanntes Fischbein ein sehr elastisches Material boten, zum Beispiel als Formgeber für Korsetts“, sagt Hans-Nikolaus Schümann.

Unter Bremer Flagge in die Südsee

Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde der Walfang ein bedeutsamer Wirtschaftszweig an der Weser, der von der Hansestadt Bremen, dem Großherzogtum Oldenburg und dem Königreich Hannover betrieben wurde. So segelte auch eine Walfangflotte unter Bremer Flagge bis in die Südsee. „Man fing die Wale in den pazifischen Gewässern um Neuseeland und brachte die Ladung nach Hawaii, wo sich die Seeleute von der anstrengenden Tour erholen konnten“, sagt Wolfgang Böning.

Im Jahre 1872 fand die letzte Walfangtour von der Weser aus statt. Denn inzwischen hatte Petroleum den Tran aus dem Fettgewebe von Walen ersetzt, und die Walfanggebiete waren mittlerweile maßlos überfischt. Mit dem Ende des Walfangs ging besonders für ärmere Teile der Bevölkerung eine wichtige Einnahmequelle verloren. „Denn viele Leute, die sich auf die Schiffe begaben, arbeiteten auf den Bauernhöfen als Knechte. Doch, wenn sie erfolgreich von ihren Walfangtouren zurückkehrten, hatten sie genügend Geld, um sich ein Stück Land zu kaufen und zu heiraten“, berichtet Wolfgang Böning. Außer ihm und dem Buchautor Hans-Nikolaus Schümann interessiert sich auch Georg Westermeyer aus Bardewisch für den Walfang, den seine Vorfahren noch betrieben hatten. Daran erinnert heute ein Erbstück: ein Walkiefer, der in seinem Garten steht.

Touren von März bis Oktober

Wer sich auf die gefährliche Tour bis Spitzbergen oder in die Regionen des Nordpolarmeers einließ, musste eine lange entbehrungsreiche Zeit auf sich nehmen, denn die Walfangtouren dauerten meist von März bis in den Oktober. Die Seefahrer kamen also noch rechtzeitig zurück, um auf den Feldern bei der Ernte helfen zu können. „Auch wenn die Landwirtschaft eine große Rolle spielte, sollte man nicht unterschätzen, wie wichtig die Seefahrt in der Region war: Um 1750 war etwa die Hälfte der Bevölkerung in diesem Bereich tätig, wozu zum Beispiel auch Bootsbau oder die Herstellung von Seilen und Tauen gehörte“, macht Böning deutlich.

Viele junge Leute aus Altenesch ließen sich sogar früher konfirmieren, um auf den Walfangseglern mitfahren zu können, doch nicht wenige kehrten ohne Ausbeute zurück, sagt er. „War ihr Schiff im Eis festgefroren, zog man die Schaluppen, die kleinen Beiboote, über die Eisdecke, in der Hoffnung, auf offenes Meer zu stoßen“, ergänzt Hans-Nikolaus Schümann. Einige Tagebücher solcher Rückkehrer hätten sich erhalten und zeugen von den ungeheuren Entbehrungen, bei denen man immer wieder Zuversicht gewann, indem man auf Gottes Hilfe vertraute. Solche Schiffstagebücher auszuwerten, gehörte auch zu den Aufgaben von Hans-Nikolaus Schümann. Er hat für sein Buch über den Walfang in mehreren Archiven gearbeitet, zum Beispiel im Schifffahrtsmuseum in Brake, im Focke Museum in Bremen, aber auch im Heimatmuseum Schloss Schönebeck oder im Schwedenspeicher in Stade.

Alte Seekisten gesucht

Wolfgang Böning aus Altenesch möchte das Thema Walfang in der Bevölkerung bekannter machen. „Denn mancher hat vielleicht noch eine alte Seekiste auf seinem Dachboden, in der Dokumente zum Walfang lagern.“ Er plant demnächst eine Ausstellung in der Begegnungsstätte in Lemwerder zum Thema, möchte aber auch mit dem Heimatmuseum Schloss Schönebeck in Bremen-Nord Kontakt aufnehmen. „Denn je mehr Leute man mit diesem spannenden Thema erreicht, desto mehr Dokumente können noch ans Licht kommen“, hofft Wolfgang Böning.

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