Die Wut ist verraucht. Johanna Hotze hat sich mit ihrer Situation arrangiert. Sie hatte im Sommer keinen Betrieb gefunden, der sie zur Kauffrau im Gesundheitswesen ausbilden wollte. Nun drückt die Lemwerderanerin eben noch ein Jahr auf der Berufsbildenden Schule für Wirtschaft, Verwaltung und Gesundheit (BBS 1) in Delmenhorst die Schulbank.
"Die meisten, die mit mir in der zehnten Klasse waren, sind jetzt auf der BBS", erzählt die Lemwerderanerin. "Die wenigsten haben einen Ausbildungsplatz gefunden."
Im Sommer 2023 übergab die Oberschule Berne-Lemwerder der heute 16-Jährigen den Realschulabschluss. Kein Überflieger-Zeugnis. Aber mit einem Dreier-Durchschnitt ein ordentlicher Abschluss wie Johanna und ihre Eltern, Susanne und Rainer Hotze, finden.
30 Bewerbungen – wenig Antworten
Engagiert hatte sich die Jugendliche schon vor Erhalt des Bewertungspapiers an die Bewerbungen gesetzt. Schließlich herrscht Fachkräftemangel. Da sollte eine motivierte Bewerberin doch gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben, dachten die Hotzes. Zumal in den zurückliegenden Jahren stets viele Lehrstellen unbesetzt blieben.
Ein Bürojob sollte es sein. "Ich möchte Kauffrau im Gesundheitswesen oder Sozialversicherungskauffrau werden", erzählt Johanna Hotze. Mehr als 30 Bewerbungen brachte sie auf den Weg. An Krankenkassen, medizinische Dienstleister, Arztpraxen. In Bremen, Brake und Delmenhorst.
Das Arbeitsamt hatte der Teenagerin etliche Adressen genannt. Nicht irgendwelche, "sondern solche, die angeblich Auszubildende suchen", erzählt Vater Rainer Hotze. Doch die Resonanz war ernüchternd. "Das meiste blieb unbeantwortet", resümiert die 16-Jährige. "Weder Eingangsbestätigung noch Absage", fügt Rainer Hotze an. "Man fragt sich: Bin ich zu schlecht?", stellt die Jugendliche frustriert fest.
Weil die Verzweiflung immer größer wurde, griff der Vater zum Telefonhörer. "Bei einem Betrieb hab ich einfach mal angerufen und gefragt, woran es liegt. An der Form der Bewerbung? An den Noten?" Die Antwort löste ungläubige Verwunderung aus. "Die Leistungen seien ansprechend. Aber die Bewerbung muss umformuliert werden", erfuhr Rainer Hotze. Dabei habe sich seine Tochter so beworben, wie sie es im Unterricht gelernt hat. "Das hab ich der Schule gesagt", berichtet der Lemwerderaner.
Auf neuen Wegen
Mittlerweile hat Johanna Hotze im Rahmen ihrer weiteren Schulausbildung ein zweiwöchiges Praktikum bei einem Pflegedienst absolviert. "Ich würde auch in die Pflege gehen. Als Pflegefachkraft", erzählt die 16-Jährige. Ganz im Sinne der Berufsbildenden Schule war das Praktikum der Lemwerderanerin nicht. "Eigentlich sollen sie ein Praktikum im kaufmännischen Bereich machen", weiß Vater Rainer Hotze.
Doch auch die Praktikumssuche gestaltete sich schwierig – nicht nur für sie, wie Johanna Hotze sagt. "Einige Jungs haben ein Praktikum beim Frisör gemacht, weil sie nichts anderes gefunden haben", erzählt die Schülerin.
Auch für den Praktikumsplatz hatte die Lemwerderanerin rund 30 Bewerbungen geschrieben. "Einige Unternehmen haben abgesagt, weil sie mit dem aktuellen Ausbildungsjahrgang zu beschäftigt sind, um Praktika anzubieten", bilanziert Rainer Hotze die Suche.
Auch, wenn Johanna Hotze sagt, sie lasse die Misserfolge nicht so nah an sich heran, stellt sie ernüchtert fest: "Ich bin nicht mehr so motiviert, mich weiter zu bewerben."
Das muss sie auch nicht mehr. Während ihres Praktikums hat sich die Jugendliche mit ihrer offenen, freundlichen Art so gut ins Team integriert, dass der Pflegedienst ihr eine Ausbildungszusage als Pflegefachfrau gegeben hat.