Herr Ehmen, Herr Wenholt, wie froh sind Sie, dass der Kreistag zum 1. August die Fusion der Eschhofschule Lemwerder mit der Oberschule Berne beschlossen hat?
Sönke Ehmen: Sehr. Es war ein anstrengendes Jahr mit vielen Diskussion. Ich bin froh, dass wir jetzt anfangen können, die Schule im Sinne unserer Kinder zu gestalten.
Matthias Wenholt: (nickt)
Fassen Sie bitte kurz zusammen, warum die Fusion ihrer Meinung nach unausweichlich war.
Ehmen: Wenn eine Schule so klein geworden ist wie die Eschhofschule, kann man bestimmte Bildungsangebote nicht mehr bieten. Bildungsgerechtigkeit kann man nur ab einer bestimmten Schülerzahl schaffen.
Wenholt: Die Oberschule ist eine relativ junge Schulform mit den Schwerpunkten Technik, Wirtschaft, Gesundheit und Soziales und Sprache. Eine einzügige Schule kann das vollständige Portfolio nicht abbilden. Unsere Prognosen der nächsten zehn Jahre sagen aber im Schnitt eben diese Einzügigkeit voraus. Dann kann ich Kinder, die eine bestimmte Neigung in Bezug auf die Berufsvorbereitung haben, nicht mehr optimal beschulen. Und ich finde weder Schulleiter noch Fachpersonal für so eine kleine Schule. Die Landesschulbehörde hat uns deshalb ganz klar signalisiert, dass wir etwas machen müssen.
Sie haben zwei Schulen aus zwei Gemeinden zusammengeführt. Was hat dagegen gesprochen, die Lemwerderaner Mittelstufenschüler in Lemwerder zu belassen und die Eschhofschule mit dem Gymnasium zusammenzuführen?
Ehmen: Der Landkreis hat alle Schulmodelle abgeklopft. Das war rechtlich nicht möglich.
Wenholt: Wir haben ganz viele Konstellationen betrachtet: Grundschule mit Oberschule, Oberschule mit gymnasialen Zweig und so weiter. Rechtliche Dinge haben dagegen gesprochen. Und wir hätten mit einer Fusion ein sehr gut funktionierendes Sek-1-Gymnasium verändert. Von daher kam aufgrund der sinkenden Schülerzahlen nur die Fusion mit der OBS Berne in Frage.
Die Aussage "sinkende Schülerzahlen" verwundert. Die Grundschulen in Stedingen platzen aus allen Nähten. In Lemwerder werden im Sommer 2023 voraussichtlich vier Klassen eingeschult. Diese Jahrgänge stehen dann vor den Türen der weiterführenden Schulen.
Wenholt: Es ist völlig egal, wie viele Schülerinnen und Schüler in den Grundschulen sind. Die meisten davon werden aufs Gymnasium gehen. Für sehr viele Eltern ist das Gymnasium gefühlt die beste Schulform. Die Oberschule hat immer noch das Stigma, im Schwerpunkt Hauptschule zu sein. Von 2017 bis 2022 haben sich unsere Prognosen eins zu eins bestätigt. Auch an den Oberschulen werden die Anmeldezahlen nach oben gehen, aber nicht so, dass wir über die Einzügigkeit hinauskommen.
Und wenn ihre Prognosen dieses Mal nicht eintreffen?
Wenholt: Dann haben wir immer noch die Eschhofschule, um kurzfristig reagieren zu können.
Mit einer eigenständigen Schule oder als größere Außenstelle?
Wenholt: Für einen bestimmten Zeitraum könnte der siebte Jahrgang Räume in Lemwerder in Anspruch nehmen. Das kriegt man leichter hin, als eine Schule zu behalten, deren Qualität für die Schüler nicht akzeptabel ist.
Wie viele Klassenverbände kann die Oberschule Berne aufnehmen?
Ehmen: 18. Die Schule war früher ein Schulzentrum – mit einer Hauptschule, einer Realschule und der Orientierungsstufe. Selbst wenn wir alle Kinder in Berne unterrichten wollten, könnten wir das tun.
Gebaut werden muss in Berne also nicht?
Ehmen: Was die allgemeinen Unterrichtsräume betrifft, nicht. Wir müssen nur modernisieren.
Wenholt: Das machen wir jedes Jahr. Dafür haben wir 40.000 Euro zur Verfügung. Einen Bauantrag zum Umbau der Hausmeisterwohnung haben wir letzte Woche abgegeben. Außerdem werden wir die Busankünfte erneuern.
Im kommenden Schuljahr verbleiben noch alle Schüler an ihren Standorten. Wer zieht im Sommer 2023 um?
Ehmen: Unser Modell ist so: Fünfte und sechste Klasse bleiben vor Ort. Ab Klasse sieben geht es auf die Reise.
Der Abschlussjahrgang wechselt für ein Jahr nach Berne?
Ehmen: Das müssen wir dann gucken. Wenn wir feststellen, dass wir ein bestimmtes Bildungsangebot in Lemwerder nicht umsetzen können, ist es doch allemal besser, zu sagen, dann kommen die Kinder mit nach Berne.
Lenken wir mal den Blick auf die Eschhofschule. Zwei Drittel der Klassenzimmer stehen nach dem Umzug leer. Was passiert mit den Räumen?
Wenholt: Das Gymnasium nutzt jetzt schon drei Räume in der Eschhofschule. Wir gucken, was die Oberschule noch an Räumlichkeiten in der Eschhofschule braucht. Dafür nehmen wir uns ausreichend Zeit.
Lemwerder plant eine neue Grundschule und hat dafür auch Teile der Eschhofschule ins Auge gefasst. Wann können Sie der Gemeinde diesbezüglich Antworten geben?
Wenholt: Wir haben der Gemeinde signalisiert, dass wir grundsätzlich für Gespräche offen sind. Wir müssen aber erst mal ein klares Lagebild haben, was wir selber als Schulträger brauchen. Wir werden im Herbst ein Gespräch führen.
Haben Sie Angst, dass Lemwerderaner Eltern ihre Kinder am Gymnasium Lemwerder anmelden, um den Kindern den längeren Schulweg zu ersparen?
Ehmen: Nein. An der Eschhofschule sind 22 Kinder für die fünfte Klasse angemeldet worden. Zwei mehr als im vergangenen Jahr. Das zeigt, dass die Eltern auch nach all den Diskussionen Vertrauen haben. Für die Kinder ist der Schulweg auch ein Schritt Richtung Großwerden.
Wie nehmen Sie die Stimmung unter den Lemwerderaner Eltern wahr. Von einigen war die Zusammenlegung ja offen abgelehnt worden.
Ehmen: Bei der Verabschiedung der zehnten Klassen habe ich kein negatives Gespräch führen müssen.
Wenholt: Es hat sehr, sehr viele Gespräche mit den Elternvertretungen gegeben. Am Ende war allen die Qualität am wichtigsten. Ein Vater sagte, hätten Sie uns das mit der Bildungsgerechtigkeit von Anfang an erzählt, wäre das eine ganz andere Situation gewesen. Am Anfang eines Planungsprozesses ist aber nicht offenkundig, wo die tatsächlichen Fragen sind.
Die Eschhofschule kooperiert mit der Werft A&R. Wird die Kooperation fortgeführt?
Ehmen: Ja. Und nicht nur für die Kinder aus Lemwerder. Wir können jetzt auch für die Kinder aus Berne das Angebot zur Verfügung stellen.
Gibt es derartige Kooperationen auch in Berne, die die Lemwerderaner mitnutzen können?
Ehmen: Diesbezüglich stehen wir am Anfang. In der Vergangenheit haben wunderbar mit Aljo am Projekt „Formel 1 in der Schule“ zusammengearbeitet. Mit landesweiten Meisterschaften. Das wäre für die Kinder aus Lemwerder eine tolle Möglichkeit mit einzusteigen.
Wie sollen die Kinder hin und her kommen?
Wenholt: Wir haben kein Problem damit, den Transfer hinzukriegen.
Ehmen: Wir haben verschiedene Aktionen der Berufsorientierung, die in Brake stattfinden. Der Landkreis organisiert die Fahrten völlig unkompliziert. Wir sprechen über wenige Schüler. Da wird es einen Kleinbus geben.
Skizzieren Sie abschließend bitte kurz den weiteren Zeitplan.
Ehmen: Das Team Aufbruch wird sich am 29. August wieder zusammensetzen. Dann geht es um Inklusion und Digitalisierung. Es geht aber auch um den Ganztag. Vielleicht können wir bestimmte Dinge schon zusammen angehen. Und dann möchten wir noch einen Schulentwicklungstag anbieten. Unser Ziel ist es, die Eltern, Schüler und die Wirtschaft einzubinden, um zu erfragen, was sie sich wünschen.