Die Funken fliegen an der Hunte. Seit dem Unfall vor zwei Wochen ist die Eisenbahnstrecke bei Elsfleth gesperrt. Ein Binnenschiff rammte die Brücke. Die Schäden am fast 100 Jahre alten Bauwerk sind immens – und haben Auswirkungen für die ganze Region.
Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) und Verantwortliche der Deutschen Bahn kommen darum selbst in die Wesermarsch. Zusammen mit ihnen stapfen Vertreter aus Wirtschaft und Politik vorsichtig übers Gleisfeld, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Hier geht seit Kurzem kein Zug nach irgendwo.
Ein Ende der Sperrung ist jedoch in Sicht: Ende April sollen auf der Strecke wieder Züge fahren können. Eine Behelfsbrücke soll eingebaut werden – ein Provisorium. "Es war sehr schnell klar, die Brücke ist irreparabel beschädigt. Wir können dort nicht sanieren, sondern müssen tatsächlich austauschen", sagt Johannes Krumm von der Bahn. An der Brücke herrscht deshalb Abbruchstimmung. Der Drehpfeiler der Brücke – ebenfalls stark lädiert – muss abgebaut werden. Ein Schwimmkran rückt dafür aus. "Das wollen wir noch in dieser Woche schaffen", sagt Krumm. Er ist bei einer Bahntochter für den Bereich Instandhaltung im Norden zuständig.
Die Kosten des Vorhabens sind noch offen. Im Moment gebe es "jegliche Unterstützung" von allen Seiten, um möglichst schnell tätig zu werden. "Wir bewegen uns da außerhalb der üblichen Prozesse", sagt Krumm mit Blick aufs Tempo. "Wir sind sehr zuversichtlich, Ende April hier fertig zu werden." Lies lobt die gute und schnelle Zusammenarbeit mit allen Akteuren. Die Bahn habe für den "wirklich schwierigen Fall" rasch eine Lösung gefunden. Konkret kommt die aus dem Hilfsbrückenlager des Konzerns in der Nähe von Trier.
Die Sperrung des Abschnitts hat nicht nur Konsequenzen für Zugreisende, die nun mit dem Schienenersatzverkehr vorankommen müssen: Die Häfen Brake und Nordenham sind vom Schienenverkehr regelrecht abgeschnitten. Allein über Brake wird 90 Prozent des Futtermittel- und Getreidebedarfs hierzulande umgeschlagen – zum Großteil über die Schiene. Terminalbetreiber J. Müller musste in kurzer Zeit Alternativen finden. Lies sprach ebenfalls von einem "Riesenproblem" für die Wirtschaft vor Ort durch die Havarie.
Vorstandschef Jan Müller zeigt sich beim Termin zufrieden, dass die Züge in rund sieben Wochen wieder hier fahren können sollen: In Rekordzeit werde ein Provisorium errichtet. Das sei eine wichtige Botschaft – auch für die Kunden. Außerdem werde der Neubau geplant. "Das wird länger dauern, aber die Züge rollen erst mal." Viele Bürger seien auf die Strecke angewiesen. Es handle sich derzeit um eine Notlage: "Hier ist ein Landkreis komplett von der Bahn abgeschnitten." Uwe Oppitz stimmt den Aussagen auch mit Blick auf Nordenham zu. Die Schiene sei dort "alternativlos", sagt der Geschäftsführer bei Rhenus Logistics: "Das ist existenziell für uns. Ganz klar."
Einen Zeitplan für den Neubau gibt es noch nicht. Lies betont jedoch, dass bei der Sache ebenfalls Tempo gemacht werden solle. Das "Genehmigungsfenster" müsse so gering wie möglich gehalten werden. Ein Glück gibt es dabei im Unglück. "Die Planungen für den Ersatzneubau waren sowieso angelaufen", sagt Ute Plambeck, Konzernbevollmächtigte der Bahn für Niedersachsen und Bremen. "Das ist der ungeheure Vorteil."
Welche Einschränkungen gibt es noch?
Binnenschiffe sollen die Ersatzeisenbahnbrücke passieren können. Allerdings bietet die Notlösung offenbar rund 30 Zentimeter weniger Spielraum. Über Fahr- und Sperrzeiten müsse deshalb sicher gesprochen werden, um eine "möglichst optimale Erreichbarkeit" mit dem Binnenschiff zu realisieren, sagte Lies. Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt hatte im Vorfeld darauf hingewiesen, dass bei der Behelfsbrücke die bisherige Durchfahrtshöhe von 4,25 Meter bei Normalhochwasser unbedingt erhalten bleiben müsse, wie das Magazin "Binnenschifffahrt" berichtet. Sonst komme es zu massiven Verzögerungen. Für alle Seeschiffe ist derweil der Weg nach Oldenburg gar nicht mehr zu meistern: Die Behelfsbrücke ist nicht beweglich – kann den Schiffen also keinen Platz machen.
In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar war es zum Unfall gekommen. Das Binnenschiff war auf dem Weg zur Weser. "Die Ermittlungen laufen", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Oldenburg auf Nachfrage des WESER-KURIER am Montag. Es geht um die Frage, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt.