Niedersachsen und Bremen sind zwar nicht das Rheinland, Fastnachtsbegeisterte gibt es aber auch hier – und die starten in diesen Tagen in den Straßenkarneval. Von den Zahlen her sei der niedersächsische Karneval sicherlich nicht mit dem rheinischen vergleichbar, sagt der Präsident des Karneval-Verbands Niedersachsen mit Sitz in Apelern (Kreis Schaumburg), Karl-Heinz Thum, „von der Begeisterung her gesehen aber schon.“
Den Auftakt macht an diesem Wochenende der Karneval in Damme, bei dem am Sonntag und Montag 9000 Aktive in 220 Gruppen bei den Umzügen in der 16000-Einwohner-Stadt mitmachen. In den darauffolgenden Tagen folgen die Narren auf dem „Ossensamstag“ in Osnabrück am 1. März. Einen Tag später hauen in Braunschweig 5000 Karnevalisten und 40 Musikzüge mit rund 1000 Spielleuten aus ganz Norddeutschland beim Umzug auf die Pauke. Auch in der Narren-Hochburg Ganderkesee, in der Landeshauptstadt Hannover oder Braunschweig, im Emsland, wie etwa in Papenburg, und vielen anderen Orten werde die Fünfte Jahreszeit zünftig gefeiert, sagte Thum.
Wie viele Narren es hierzulande gibt, weiß keiner so genau – im Karneval-Verband sind in diesem Jahr 105 Vereine organisiert. Aber längst nicht alle Narrenklubs sind Mitglied, und auch bei den organisierten Vereinen melden nicht alle ihre Mitgliederzahlen.
Die Dammer Carnevalsgesellschaft hat in dieser Narren-Session auch noch einen runden Geburtstag zu bieten – sie wird 400 Jahre alt. Die Tradition selber sei aber wesentlich älter, erzählt Wolfgang Friemerding. Der pensionierte Gymnasiallehrer für Deutsch und Erdkunde ist seit 1996 Präsident der Carnevalsgesellschaft von 1614. „Schon im Mittelalter wurde Fastnacht gefeiert“, erzählt der 64-Jährige. Damals sei das Fest aber unter den Nachbarn der einzelnen Straßen gefeiert worden. „1614 hat es dann eine organisierte Form bekommen“, sagt Friemerding. Damals waren die Karnevalsumzüge sogenannte Heischgänge: Die Menschen zogen von Tür zu Tür und erbaten Gaben. „Es war ja das letzte Fest, das vor Beginn der Fastenzeit gefeiert wurde“, erzählt der Präsident.
Straßenumzüge unter einem Motto mit Motivwagen, Kostümbällen, Galasitzungen und verkleideten Menschen, das Verspotten der Obrigkeit – all das haben die Dammer erst von den rheinischen Jecken gelernt. Dort war diese Form des Karnevals im frühen 19. Jahrhundert populär geworden. „Kaufleute mit guten Kontakten ins Rheinland und Handwerker auf der Wanderschaft haben diese Form des Karnevals wohl hierher gebracht“, sagt Friemerding. In der Session 1868/69 gingen die ersten verkleideten Narren in Damme auf die Straße.
Auf die 400-jährige Karnevalstradition in ihrem Ort blicken die Dammer in einer Ausstellung im Stadtmuseum zurück. Wer sich die Fotos aus der Zeit um 1900 ansieht, entdeckt keine Frauen unter den Karnevalisten – weibliche Narren waren in der Öffentlichkeit damals noch nicht üblich.
Auch die Schulen im Ort beteiligen sich am Karneval. Vom närrischen Treiben gibt es in der kleinen Stadt eigentlich kein Entkommen. Und auch, wenn die Braunschweiger stolz auf 200 000 Zuschauer bei ihrem Umzug sind, der Dammer Karneval sei schöner und von der Teilnehmerzahl her größer, beharrt der Präsident. Allein schon, weil im Verhältnis zur Einwohnerzahl viel mehr aktiv mitmachen. Rosenmontag wird in Damme übrigens seit 1892 eine Woche früher gefeiert als sonst im Lande. Um den Narrenwesen Einhalt zu gebieten, setzte 1892 der Bischof von Münster ein 40-stündiges Gebet an. Die pfiffigen Dammer zogen daraufhin ihre tollen Tage einfach eine Woche vor.