Die Zeit drängt. In elf Monaten findet in Niedersachsen die Landtagswahl statt; und so langsam müsste die Kür der Bewerber in den 87 Wahlkreisen beginnen. Doch deren dringend notwendiger Neuzuschnitt lässt nach wie vor auf sich warten. Die SPD/CDU-Koalition konnte sich bisher nicht auf ein Gesamtpaket einigen. „Wir verhandeln noch“, stöhnt ein Mitglied der Mehrheitsfraktionen. Das Ziel laute jetzt, einen Lösungsvorschlag im Dezember in den Landtag einzubringen. Vorher müssen auch noch die Kommunen das komplizierte Konstrukt absegnen.
Die Reform der Wahlkreise ist zwingend geboten, will man keine Anfechtung der Wahl am 9. Oktober 2022 riskieren. Jede Wählerstimme muss laut Verfassung überall das gleiche Gewicht haben. Dies wiederum setzt in etwa gleich große Wahlkreise voraus. Die Durchschnittszahl beträgt rund 69.000 Wahlberechtigte. Abweichungen von höchstens 25 Prozent nach oben oder nach unten sind zulässig. Doch der Wahlkreis 29 Lüneburg reißt mit plus 28 Prozent die kritische Marke deutlich, auch der Wahlkreis 60 Osterholz liegt inzwischen darüber. Auf der anderen Seite unterschreitet der Wahlkreis 19 Einbeck mit minus 25,5 Prozent den erlaubten Toleranzwert.
Die auf der Hand liegende Variante, im stark wachsenden Lüneburger Raum einen zusätzlichen Wahlkreis zu schaffen und dafür im schrumpfenden Süden einen durch Zusammenlegungen zu streichen, stieß in Einbeck und den betroffenen Nachbarwahlkreisen auf erbitterten Widerstand. Inzwischen aber scheint es genau darauf hinauszulaufen. Ein solcher Tausch bildet nach Informationen des WESER-KURIER den Kern einer möglichen Lösung. Das Problem Osterholz ließe sich danach mit dem Verschieben von einzelnen Gemeinden aus der Welt schaffen.
Die FDP-Fraktion macht bereits mit einem eigenen Gesetzentwurf, der am Dienstag im Landtag behandelt wird, Druck auf die GroKo. Sie greift darin einen Vorschlag von Landeswahlleiterin Ulrike Sachs von 2019 auf, der allein mit dem Wechseln von kleineren Kommunen auskommt. Osterholz taucht dort allerdings noch gar nicht auf. Nicht nur deshalb hat der liberale Vorstoß keine Chance.
Gleiches gilt für den FDP-Gesetzentwurf, in der Landesverfassung die Hürde für eine Normenkontrollklage zu senken. Für den Gang zum Staatsgerichtshof braucht es derzeit ein Fünftel der 137 Mitglieder des Landtags, also mindestens 28 Abgeordnete. Die beiden Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP kommen zusammen aber nur auf 23. Sie wären also auf Hilfe der Parlamentarier aus der vor einem Jahr geplatzten AfD-Fraktion angewiesen, was beide allerdings strikt ablehnen. Die FDP will daher das Quorum auf ein Zehntel oder zwei Fraktionen reduzieren. „Nur dies gewährleistet ausreichenden Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze“, sagte Fraktionsvize Jörg Bode am Montag.