Herr Birkner, die Schul- und Parlamentsferien in Niedersachsen sind seit einer Woche vorbei. Fühlen Sie sich mit Blick auf Corona sicherer als vor einem Jahr?
Stefan Birkner: Der Impffortschritt führt natürlich dazu, dass sich die Gesamtlage deutlich verbessert hat. Die Corona-Situation hat sich entspannt. Aber die Pandemie ist, auch mit Blick auf die vielen Ungeimpften, noch lange nicht vorbei.
Tut die SPD/CDU-Landesregierung genug dagegen?
In ihrer letzten Verordnung hat die Landesregierung wieder viele Rätsel aufgegeben. Sie schafft drei neue Warnstufen, ohne aber für die zweite und dritte die sich daraus ergebenden Konsequenzen offen zu benennen. Für die Menschen, für Unternehmer und Beschäftigte gibt es keine Berechenbarkeit. Dies führt zur Verunsicherung. Dabei gibt es innerhalb der Landesregierung offenkundig längst entsprechende Überlegungen, nämlich 2G bei Stufe zwei und eine Notbremse, also eine Art Lockdown bei Stufe drei. Dies nicht öffentlich zu diskutieren, nenne ich feige.
Aber wir sind ja von diesen beiden Warnstufen doch noch recht weit entfernt.
Ich erwarte von einer Landesregierung, dass sie ein in sich geschlossenes Konzept mit festen Kriterien hat. Doch es zeigt sich wieder einmal, dass die Landesregierung nicht zu einer längerfristigen Strategie in der Lage ist. Zwar begrüßen wir, dass die derzeit gültige Verordnung nicht mehr allein die Inzidenz betrachtet. Das haben wir immer gefordert. Aber das ist auch wieder nur halbherzig, weil der Ansteckungswert 50 dann doch eine Rolle spielt. Es herrscht eine große Verwirrung. Das setzt sich fort bei der 2G-Debatte.
Nach diesem Modell dürfen Genesene und Geimpfte künftig mehr als Getestete. Ist das nicht sinnvoll?
Damit enthält man den nicht Genesenen und nicht Geimpften die Wahrnehmung ihrer Freiheits- und Grundrechte vor. Ein solcher Ausschluss vom öffentlichen Leben wäre nur vertretbar, wenn von diesen Personen eine Gefahr der Überlastung des Gesundheitswesens ausginge. Dies aber kann die Landesregierung nicht belegen. Sie sagt nur, dass man den nicht geimpften Menschen das Leben so unbequem wie möglich machen wolle. Das ist jedoch kein legitimes Ziel.
In den Krankenhäusern liegen aber doch meistens Ungeimpfte. Also sind sie doch eine Belastung für das Gesundheitswesen.
Das sind Raucher und Risikosportler auch. Eine solche Belastung kann noch kein Argument sein. Es muss um eine Überlastung gehen, wenn die Funktionsfähigkeit der Krankenhäuser auch in anderen Bereichen massiv eingeschränkt wird. Dazu sagt die Landesregierung aber nichts. Außerdem müsste sie erst mal prüfen, ob es mildere Mittel als den Ausschluss gibt. Und das sind die Testungen. Auch wenn diese keine hundertprozentige Sicherheit bieten, kann ich damit die Gefahren für das Gesundheitssystem reduzieren. Vor diesem Hintergrund ist 2G nicht in Ordnung.
Also weiter 3G mit Zugang auch nach negativen Tests. Sollen die dann künftig kostenpflichtig sein?
Ja, und zwar für die Personengruppen, die sich impfen lassen können. Für Vorerkrankte und Kinder unter zwölf Jahren, die nicht geimpft werden können, muss es weiter kostenfreie Tests geben. Die anderen, die sich eigenverantwortlich gegen das Impfen entschieden haben, müssen ihre Tests auch selbst finanzieren. Da geht es nicht ums Druckausüben, sondern es ist den Steuerzahlern nicht zumutbar, diese Kosten tragen.
Ihr FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki sieht dies anders.
Auch eine liberale Partei lebt von der Meinungsvielfalt.
Wie halten Sie es mit einer Impfauskunft gegenüber dem Arbeitgeber?
Das ist eine schwierige Abwägung. Auf der einen Seite gibt es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten. Auf der anderen Seite besteht das berechtigte Interesse, ja sogar die Pflicht des Arbeitgebers, die gesundheitlichen Risiken für seine Arbeitnehmer so gering wie möglich zu halten. In diesem Spannungsfeld halten wir zumindest in einer heißen Phase der Pandemie für einen vorübergehenden Zeitraum eine entsprechende Datenerhebung zur Gefahrenabwehr akzeptabel. Auch in anderen Lebensbereichen machen wir den Zugang von dem Nachweis einer Impfung oder Testung abhängig. Es darf aber keine Blaupause dafür werden, plötzlich auch andere Gesundheitsdaten anzugreifen.
Niedersachsen steht vor zwei Wahlen. Erleben Sie einen bundespolitischen Effekt auf die Kommunalwahlen?
Wir kennen die Situation aus 2011, wo die negative bundespolitische Stimmung der hiesigen FDP enorm zugesetzt hatte. Das waren damals aber umgekehrte Vorzeichen. Jetzt nehmen wir eine sehr gute Stimmung, eine große Aufgeschlossenheit uns gegenüber wahr. Die Leute sind neugierig, wollen wissen, was die FDP zu sagen hat. Dieser Wahlkampf bereitet viel Freude. Es macht richtig Spaß, für unseren Modernisierungskurs zu werben.
Jenseits der Kommunalwahl redet alle Welt von möglichen Koalitionen nach der Bundestagswahl. Denken Sie bereits über Bündnisse nach der niedersächsischen Landtagswahl in einem Jahr nach?
Nein. Die Rahmenbedingungen für die Landtagswahl werden erst durch die Bundestagswahl gesetzt. Für Spekulationen und Gedankenspiele ist es viel zu früh. Worüber wir nachdenken, sind die Antworten auf die großen Herausforderungen unseres Landes. Der Modernisierungsbedarf, den wir im Bund haben, besteht in Niedersachsen auch. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten unsere Ideen formulieren, mit denen wir uns dann hier zur Wahl stellen. Wir werden für unsere Inhalte kämpfen, nicht für irgendwelche Koalitionen.
Eine Gemeinsamkeit gab es vor vier Jahren nach den Wahlen. Die FDP hat sich im Bund einer Regierungsbeteiligung verweigert, sie hat dies auch im Land getan. Könnten Sie sich das noch mal leisten?
Wir sind in die Regierungen nicht eingetreten, weil wir der Überzeugung waren, dass wir dort unsere liberalen Inhalte nicht erkennbar umsetzen konnten. Wir verweigern uns nicht, wir nehmen das Mandat unserer Wählerinnen und Wähler ernst. So wird es jetzt wieder eine Bewertung geben müssen, welchen Auftrag in welcher Konstellation wir haben werden. Wir wollen Verantwortung übernehmen, aber nicht um jeden Preis. Es muss funktionieren. Es geht uns nicht um Posten und Dienstwagen, sondern um die Inhalte.
Ihr Bundesvorsitzender Christian Lindner liebäugelt ja mit einem gewissen Lieblingspartner, nämlich der Union. Tun Sie das im Land auch schon?
Nein. Ich teile die Einschätzung von Christian Lindner, dass eine Koalition auf Bundesebene am ehesten mit der CDU – angesichts der Umfragewerte ergänzt um die Grünen oder die SPD – die beste Variante wäre. Dort wären die inhaltlichen Schnittmengen am größten. Im Land kann ich das so klar nicht sagen, weil SPD und CDU in Niedersachsen eigentlich keine großen Unterschiede ausmachen. Wichtig ist daher, dass wir Liberalen stark werden, um einer neuen Regierung die nötigen Impulse für die Modernisierung des Landes zu geben. Die letzten vier Jahre haben gezeigt, dass SPD-Ministerpräsident Stephan Weil und sein CDU-Vize Bernd Althusmann gleichermaßen ideenlos und ambitionslos sind. Das wird sich im letzten Regierungsjahr nicht ändern. Für Niedersachsen ist das eine verlorene Zeit. Eigentlich müssten wir die Landtagswahl vorziehen.