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Nach dem Ende der Quote Milchbauern klagen über Preisverfall

Der Erzeugerpreis für den Liter Milch liegt bei unter 30 Cent. Tendenz fallend. Rund 100 Tage nach dem Wegfall der Milchquote in Europa geht es für die Milchbauern wieder um die Existenz.
15.06.2015, 17:00 Uhr
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Milchbauern klagen über Preisverfall
Von Silke Looden

Der Erzeugerpreis für den Liter Milch liegt bei unter 30 Cent. Tendenz fallend. Sechs Jahre nach der Milchkrise und rund 100 Tage nach dem Wegfall der Milchquote in Europa geht es für die Milchbauern wieder um die Existenz.

Am Montag trafen sich Vertreter der Branche mit Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) in Hannover. „Es kann doch nicht sein, dass ein Liter Milch billiger ist als eine Flasche Mineralwasser“, machte der Minister seinem Ärger über die Agrarpolitik des Bundes Luft. Für den Wegfall jeglicher Regeln am Milchmarkt trage die Bundesregierung die Verantwortung.

Noch nie gab es in Niedersachsen so viele Milchkühe in so wenigen Betrieben. Im vergangenen Jahr lieferten knapp 850.000 Kühe aus 11.200 Betrieben fast 6,7 Millionen Tonnen Milch. Das entspricht einem Plus von fast 15 Prozent in fünf Jahren. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter Ramuald Schaber forderte ein Frühwarnsystem und ein effizientes Sicherheitsnetz für den EU-Milchmarkt. Zumindest in Krisenzeiten müsse die Milchanlieferung gedeckelt werden. „Die aktuellen Milchpreise gehen zu Lasten von Mensch und Tier. Wir Bauern brauchen die Unterstützung der Politik“, so Schaber.

Das niedersächsische Landvolk fordert ebenfalls eine staatliche Intervention in Krisenzeiten, vor allem aber eine Begrenzung der Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels. „Einige wenige nutzen ihre Marktmacht aus und fügen unseren Milchvieh haltenden Familien großen wirtschaftlichen Schaden zu“, sagte Landvolkvizepräsident Heinz Korte. Zudem plädiert Korte für ein freiwilliges Versicherungssystem, wie es in den Vereinigten Staaten etabliert ist. Dort lassen sich die Bauern die Marge zwischen Milchpreis und Futterkosten absichern, damit ein Preissturz nicht gleich in die Pleite führt. Verbindliche Selbstbeschränkungen bei der Milchproduktion lehnt das Landvolk allerdings ebenso ab wie eine Wiedereinführung der Milchquote oder anderer staatlicher Regulierung des Milchmarktes.

Landwirtschaftsminister setzt auf Weidemilch

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft indes saß am Montag nicht mit am Tisch in Hannover. Sie richtet ihre Forderung vor allem an die Molkereien. Diese sollten denjenigen Milchbauern einen Bonus zahlen, die ihre Milchmenge kurzfristig reduzieren, um die Preise zu stabilisieren. „Es ist allemal besser, zu viel Milch gar nicht erst zu erzeugen als sie zu trocknen und in staatliche Lagerhallen zu stapeln“, sagt der stellvertretende AbL-Vorsitzende Ottmar Ilchmann. Die AbL fordert die Landwirte auf, auf Klasse statt Masse zu setzen. „Eine Tierhaltung in Großanlagen stößt in der Nachbarschaft immer stärker auf Ablehnung“, so Ilchmann, „Für richtig halten es die Menschen, dass die Kühe zumindest im Sommerhalbjahr auf die Weide kommen.“ Das sei die Stärke der kleineren und mittleren Betriebe.

Landwirtschaftsminister Meyer will denn auch die Weidemilch in Niedersachsen etablieren: „Die hübschen Bilder auf den Milchverpackungen mit grasenden Kühen sind schon jetzt oft eine Täuschung der Verbraucher. Dieser Etikettenschwindel muss aufhören“, forderte Meyer. Weidemilch habe einen hohen Stellenwert beim Verbraucher. Das bestätigt eine vom Ministerium in Auftrag gegebene Studie der Universität Göttingen, wonach die reine Stallhaltung mehrheitlich kritisiert wird. Vielen Konsumenten sei gar nicht bewusst, dass immer mehr Kühe ausschließlich im Stall leben, so der Verfasser der Studie, der Professor für Lebensmittelmarketing Achim Spiller. Dass sich Weidemilch als Markenzeichen etablieren lasse, hätten die Niederländer vorgemacht. Bei den Nachbarn sei Weidemilch ein Verkaufsschlager.

Für das Landvolk dagegen ist die Weidemilch allenfalls ein höherpreisiges Nischenprodukt, ein „Sahnetupfer“, wie Landvolkvize Korte es ausdrückte. Tatsächlich werde weniger als fünf Prozent der in Niedersachsen produzierten Milch als Trinkmilch verkauft. Jedes zweite Milchprodukt werde exportiert, meist innerhalb der Europäischen Union. Drittlandsmärkte ließen Zuwachsraten erwarten, so Korte.

Die Milchquote war 1984 von der Europäischen Gemeinschaft eingeführt worden, um die Milchproduktion in den Mitgliedsstaaten zu beschränken. Zuvor hatte die Überproduktion in der 70er Jahren zu Milchseen und Butterbergen geführt. Zum April dieses Jahres wurde die Quote abgeschafft, um den Handel zu liberalisieren. Vorbei sind die Zeiten, da Bauern Quoten kauften oder für zu viel gelieferte Milch Strafe zahlten. Vorbei ist es aber auch mit der Regulierung der Milchflut in Europa.

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