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Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg auf Borkum Munition unter Wasser gesprengt

Borkum. Mehrere Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg sind vor Borkum und am Strand von Wangerooge teilweise gesprengt worden. Naturschutzverbände fordern ein verbindliches Konzept für die Entsorgung von Altmunition in deutschen Gewässern.
26.07.2012, 05:00 Uhr
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Munition unter Wasser gesprengt
Von Hans Ettemeyer

Borkum. 1,6 Millionen Tonnen konventionelle und 5000 Tonnen chemische Munition liegen nach Schätzungen einer Bund-Länder-Kommission in den deutschen Hoheitsgewässern der Nord- und Ostsee.

Am Nordstrand von Wangerooge spülte die Nordsee dieser Tage den Sprengkopf eines Torpedos an, vor Borkum wurden im Wasser drei Seeminen entdeckt. Alle vier Sprengkörper hatten auch 66 Jahre nach Kriegsende nichts von ihrer Gefährlichkeit verloren. Zwei Altlasten hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst am Dienstag und gestern unschädlich gemacht, zwei Minen sollen in der kommenden Woche gesprengt werden. Naturschützer kritisieren, dass es für die Entsorgung von Altmunition bislang keine verbindliche Strategie gibt.

Etwa neun Kilometer nördlich von Borkum hatte die Besatzung eines Fischkutters die englische Mine entdeckt und sie aus Sicherheitsgründen außerhalb der üblichen Schifffahrtswege abgelegt. Polizeitaucher aus Oldenburg brachten an der sogenannten Ankertaumine in acht Metern Wassertiefe eine Sprengladung an. Aus sicherer Distanz ließen sie die militärische Altlast dann unter Wasser detonieren.

Die in der Nähe schwimmenden Seehunde seien zuvor mit Ultraschallgeräten aus dem Gefahrenbereich vertrieben worden, sagt Jörg Fels-Hohensee, Chef der Wasserschutzpolizei in Emden. "Die Detonation war diesmal nicht so heftig, an der Wasseroberfläche hat man kaum etwas gesehen", habe ihm der Sprengmeister berichtet. Das ist nicht immer so. Bei der Detonation von 300 Kilogramm Sprengstoff türmt sich das Wasser sonst gewaltig in die Höhe, die Auswirkungen der Druckwelle sind deutlich zu sehen. Aus Sicht des NABU, der Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) und der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) gehen mit Unterwassersprengungen erhebliche Gefahren für den Nationalpark Wattenmeer einher.

"Noch in mehr als zehn Kilometern Entfernung können bei Schweinswalen, Seehunden und Kegelrobben Hörschäden entstehen und in einem Radius von vier Kilometern Lungen- und Trommelfellrisse", sagt Kim Cornelius Detloff vom NABU. Die Umweltverbände rechnen damit, dass es beim Bau von Offshore-Anlagen und ihren Netzanschlüssen verstärkt zu Funden von Sprengkörpern kommen wird. So waren auch zwei der drei Borkum-Minen nach Auskunft der Wasserschutzpolizei bei Vorbereitungsarbeiten zum Bau einer Seekabeltrasse für den Windpark "Riffgat" entdeckt worden. Sie lagen in der Osterems zwischen Juist und Borkum. "Allein diese Trasse schneidet ein Munitionsversenkungsgebiet, in dem bis zu 2000 Tonnen Minen sowie Torpedosprengköpfe, Bomben, Granaten und Kleinmunition vermutet werden", sagt NABU-Sprecher Detloff. Er befürchtet, dass die starke Belastung deutscher Küstengewässer durch Altmunition bei der Vielzahl der geplanten Offshore-Projekte zu einem Hindernis für die Energiewende werden könnte.

Besseren Schallschutz angeregt

Bislang fehle ein strategisches Konzept für den Umgang mit den gefährlichen Weltkriegsrelikten, kritisiert Detloff. NABU, GRD und GSM forderten daher die schnelle Einrichtung eines Runden Tisches, um das Vorgehen beim Fund von Altmunition im Zusammenhang mit dem Ausbau der Offshore-Windkraft festzulegen. Neben dem Einsatz von Schallschutzanlagen müssten auch alternative Bergeverfahren eingesetzt werden, um die Meeresumwelt ausreichend zu schützen, sagt Detloff. Als Beispiel nennt er den "großer Blasenschleier", ein Verfahren, bei dem um den Sprengkörper herum Luftbläschen erzeugt werden, die bei der Detonation einen Großteil der Schallwellen absorbieren.

Besser als jede Unterwassersprengung sei jedoch die "trockene Sprengung" an Land, sagt Detloff. Was jedoch nur geht, wenn sich die alte Munition noch gefahrlos transportieren lässt. Bei der am Dienstag gesprengten Mine war das offenbar nicht der Fall. Die beiden anderen Minen dagegen sollen nächste Woche auf eine Sandbank verholt und dort gesprengt werden. Seehunde und andere Tiere wollen die Sprengmeister vorher durch Hubschraubergedröhne verjagen lassen.

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