Frage: Herr Thümler, im CDU-Schattenkabinett waren Sie noch als Finanzminister vorgesehen, jetzt sind Sie auf einmal Wissenschaftsminister. Wie kommen Sie mit dieser Umstellung klar?
Björn Thümler: Das ist schon etwas anderes: Statt der Hüter des Geldes bin ich ja nun jemand, der Geld ausgeben darf. Die Aufgabe ist sehr reizvoll. Der Wissenschafts- und Kulturbereich galt in seinen Möglichkeiten, die Zukunft für Niedersachsen und seine Menschen zu gestalten, immer als notorisch unterschätzt. Das möchte und werde ich schnell ändern. Insofern bin ich sehr froh, dass ich hier gelandet bin.
Stichwort Geld ausgeben. Sie haben den Hochschulen des Landes bereits einen satten Zuschlag bei der Finanzausstattung durch das Land versprochen. Nennen Sie uns auch eine Summe?
Wir können über die Höhe noch nichts sagen, weil wir ja auch noch mit dem Bund über zusätzliche Hochschulmittel verhandeln müssen. Wir wollen die Zuschüsse aus den diversen Programmen in die Grundförderung überführen, um den Universitäten mehr Planungssicherheit zu gewähren. Das werden wir nach und nach vorbereiten, sodass wir für den Haushaltsplan 2019 mit ersten Ergebnissen aufwarten können.
2018 müssen die Unis also mit dem bisher eingestellten Geld auskommen.
Wir erwägen, auch schon mit einem Nachtragshaushalt für 2018 etwas mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Wie viel und wofür – für diese Antwort ist es noch zu früh. Das hängt nicht zuletzt auch davon ab, wann auf Bundesebene eine neue Regierung zustande kommt.
Sie sind bei der Landeshochschulkonferenz geradezu überschwänglich gefeiert worden. Wecken Sie da nicht zu hohe Erwartungen?
Die LHK ist ein wichtiger Partner der Landesregierung. Wir haben gemeinsam die Aufgabe, die Wissens- und Forschungslandschaft in Niedersachsen weiterzuentwickeln. Dieses Miteinander wollte ich auch dadurch signalisieren, dass ich allen Hochschulpräsidenten meine Handy-Nummer gegeben habe. Sie können mich jederzeit anrufen oder mir eine SMS schreiben. Wir brauchen einfach den kurzen Draht.
Haben Sie denn schon mit der Uni Osnabrück telefoniert, die nach dem Willen der Großen Koalition eine Imam-Ausbildung anbieten soll, sich aber offenbar sträubt?
Mit dem Osnabrücker Präsidenten sind wir uns einig, dass es dort eine grundständige Ausbildung geben soll. Den – bildlich gesprochen – theologischen Feinschliff können wir aber nicht anbieten. Das macht der Staat ja auch bei katholischen und evangelischen Geistlichen nicht; das ist Aufgabe der Kirchen selbst. Für die Ausbildung von islamischen Imamen brauchen wir auch die entsprechenden Strukturen. Das muss noch mit allen Beteiligten und den Vertretern der Muslime in Niedersachsen besprochen werden.
Nach den Absprachen zwischen SPD und CDU sollen die Zuständigkeiten für Religion und Gedenkstätten vom Kultusministerium in Ihr Ressort wandern.
Diese Absicht besteht, aber der Schritt ist noch nicht vollzogen. Die Gespräche mit der Staatskanzlei laufen. Für Kirchenfragen brauchen wir die Nähe zu wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen des Landes.
Werden Sie einen neuen Anlauf für einen Islam-Vertrag starten?
Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass noch Gutachten in Auftrag gegeben werden sollen. Wir wollen damit unter anderem die Staatsferne des Verbandes Ditib untersuchen lassen. Wir müssen auch schauen, was überhaupt Sinn macht. Ich bin nicht jemand mit einer absoluten Vertragsgläubigkeit. Wir könnten vielmehr auch mit vielen Einzelvereinbarungen sehr weit kommen. Ich sträube mich immer noch, die Muslime in ein System staatskirchenrechtlicher Formen zu pressen. Einige Verbände sehen das zwar anders, weil sie mit einem Vertrag den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erreichen wollen. Aber das ist nicht mein vordringlichstes Ziel. Wir müssen eine vernünftige Basis finden, damit sich die Muslime hier in Niedersachsen zu Hause fühlen.
Bei den Opfern der Nazi-Verbrechen gibt es große Vorbehalte, wenn künftig ein Vertreter der AfD im Stiftungsrat der Gedenkstätten sitzen sollte. Schließlich fordern Teile dieser rechtspopulistischen Partei eine Abkehr von der Erinnerungskultur. Planen Sie neue Regeln?
Ich kann die Bedenken der Hinterbliebenenverbände sehr gut nachvollziehen. Aber das muss eine Demokratie aushalten. Man sollte die AfD nicht dadurch aufwerten, dass man sie hier mit neuen Vorschriften ausgrenzt. Man muss sie mit Argumenten konfrontieren.
Konkret im Koalitionsvertrag sind bis zu 200 neue Medizin-Studienplätze vorgesehen. Wie und wo wollen Sie diese schaffen?
Wir wollen an der Universitätsmedizin in Göttingen die derzeitigen Teilstudien-plätze, also die für den vorklinischen Abschnitt, zu Vollstudienplätzen erweitern. Zudem sollen an der European Medical School in Oldenburg zusätzliche Plätze entstehen. Dort müssen wir aber zunächst noch die räumlichen Kapazitäten wie Hörsäle und Seminarräume errichten. Derzeit sind die Mediziner auf dem Campus in Wechloy untergebracht. Doch dieser platzt schon jetzt aus allen Nähten.
Vage bleibt der Koalitionsvertrag bei den neuen Studienplätzen im gesamten Bereich Digitales. Was schwebt Ihnen als Richtzahl vor?
Das kann man noch nicht genau sagen. Wir haben vereinbart, dass es neue Digital-Professuren in Niedersachsen geben soll. Das Offis-Institut in Oldenburg soll in Kooperation mit dem L3S-Institut in Hannover zu einem landesweiten Kompetenzzentrum ausgebaut werden. Dieses soll dann die Digitalisierungsstrategie in alle Hochschulen hineintragen, vernetzen und bündeln. Wir brauchen keine Doppel- und Dreifachstrukturen, sondern ein effektiv und schnell wirkendes System.
Das kostet doch.
Wir stellen landesweit für Digitalisierung eine Milliarde Euro bereit. Davon soll es im ersten Schritt 500 Millionen Euro im Nachtragshaushalt 2018 geben. Wir können dieses Geld aber nur ein einziges Mal aus-geben. Davon müssen die notwendigen Bauten ebenso wie die technische Aufrüstung und das zusätzliche Personal bezahlt werden. Das will ordentlich geplant und durchgeführt werden.
Auch in einem dritten Bereich wollen Sie die Studienkapazitäten ausweiten. Wie viele neue Plätze planen Sie denn bei der Sonderpädagogik?
Wir haben einen erheblichen zusätzlichen Bedarf in diesem Bereich. Deswegen müssen wir auch hier die Studienplätze ausbauen. Dadurch, dass wir per Koalitionsvertrag der Inklusion an den Schulen mehr Zeit geben, bekommen wir für die Ausbildung auch mehr Vorlauf. Das entspannt die Situation etwas. Auf jeden Fall müssen wir bei den Kapazitäten draufsatteln und das Ganze mit Geld hinterlegen. Wir brauchen ja dafür auch die entsprechenden Hochschullehrer. Der Finanzminister freut sich schon.
Den Kollegen Reinhold Hilbers kennen Sie ja noch bestens aus der CDU-Fraktion. Wie er haben Sie die Seiten gewechselt, müssen sich als Regierung künftig vom Parlament auf die Finger schauen lassen. Haben Sie schon etwas Bammel vor Ihren eigenen Leuten?
Vor den Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags habe ich einen hohen Respekt. Ich bin seit 14 Jahren selbst mit Leib und Seele Mitglied des Parlaments. Und die sieben Jahre als Fraktionsvorsitzender legen Sie nicht so einfach an der Tür ab. Die Abgeordneten sind unsere Chefs. Sie stellen unser Budget zur Verfügung. Wenn sie uns kein Geld geben, können wir uns noch so tolle Dinge überlegen, Realität werden diese dann nicht. Das Parlament hat also eine ganz überragende Bedeutung.