Das war‘s. Für die Kirchenglocken mit Hakenkreuzen und nationalsozialistischer Inschrift. Am vorläufigen Ende langwieriger und engagiert geführter Diskussionen über die Glocken, ihre ortsgeschichtliche Bedeutung und ihre Zukunft steht die Entscheidung: Sowohl die „Vaterlandsglocke“ in der Schweringer Kreuz-Kirche von 1934 als auch die Hakenkreuzglocke mit Luftwaffenadler der Michaelkirche, der einstigen Faßberger Garnisonskirche, haben keinen Platz mehr in den Glockentürmen.
Aber damit ist das Thema nicht vom Tisch, geschweige denn die Geschichte zu Ende. In Faßberg, einem Heide-Ort, der in den 1930er-Jahren am dort gebauten Fliegerhorst entstanden war, hatte sich die Kirchengemeinde mit ihrem Gotteshaus arrangiert und einen offenen Umgang mit dessen Geschichte beschlossen.
Zum 70. Jahrestag der Kirchweihe, 2008, wurde eine Broschüre herausgegeben, die auch über die Glocke informiert. „Die vier Evangelisten sind sehr groß an der Südwand dargestellt, wie germanische Recken schauen sie ernst über die Gemeinde. Die Taube auf dem Kanzeldeckel wird schnell als Adler erkannt“, beschreibt die Gemeinde ihre Kirche.
Im vergangenen Jahr waren in Süddeutschland sogenannte Hitler-Glocken entdeckt worden. Daraufhin hatte die evangelische Landeskirche Hannovers um Nachschau gebeten – zwei Gemeinden meldeten sich. Arend de Vries, Geistlicher Vizepräsident des Landeskirchenamtes, meldete prompt Bedenken an: „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass wir nach der geschichtlichen Aufarbeitung mit diesen Glocken weiterhin zu Gottesdiensten oder zum Beispiel zu Friedensgebeten einladen.“
Beide Glocken wurden stillgelegt. Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Orte und damit ihrer Kirchengemeinden als Eigentümer der Glocken war in Schweringen wie in Faßberg: Man nimmt das Angebot der Landeskirche an, den Guss neuer Glocken zu finanzieren. Nachdem in Schweringen kurz vor Ostern Unbekannte Fakten geschaffen hatten, indem sie Hakenkreuz und Teile der Nazi-Inschrift von der Glocke schliffen, reagierte der von der Kapellengemeinde angerufene Nienburger Kirchenkreisvorstand mit einem Beschluss.
Ansätze zur "Gestaltung des Gedenkens"
Darin wird die „unzulässige Vermischung der christlichen Botschaft mit Aussagen der nationalsozialistischen Ideologie“ hervorgehoben und klargestellt, das Problem sei durch bloßes Abflexen nicht aus der Welt zu bringen. Zudem stellte sich heraus, dass die Glocke durch den groben Maschineneinsatz irreparable Schäden erlitten hatte.
Was mit der alten Glocke geschieht, steht gegenwärtig in den Sternen. Pastor Fabian Gartmann, Sprecher des Sprengels Hannover, geht davon aus, dass „die wenigen Gießereien“, die sich auf eine entsprechende Ausschreibung hin melden könnten, ohnehin vorerst ausgebucht seien und „erst nächstes Jahr“ Zeit hätten. So bleibe die 1,2 Tonnen schwere beschädigte Glocke, wo sie ist, bis ihre Nachfolgerin in den Stuhl gehängt wird, kündigt Gartmann an. „Auch aus logistischen Gründen.“
Die Faßberger haben da andere Probleme, aber auch Möglichkeiten. Dort war zunächst argumentiert worden, „das Erbe der Zeit, in der diese Kirche entstand“, sei nicht auf Symbole zu begrenzen, den Einfluss der Nationalsozialisten auf die Kirche und den ganzen Ort könne man schwerlich beseitigen. Nun soll bei einer Bürgerversammlung am 8. Juni versucht werden, Ansätze zu entwickeln, wie die „Gestaltung des Gedenkens“ aussehen könnte, wie Pastor Rudolf Blümcke es nennt.
Kirchen- und Militärhistoriker halten Referate, Befürworter und Gegner der alten Glocke kommen zu Wort, die Landeskirche habe darüber hinaus „professionelle Unterstützung“ zugesagt. Die Versammlung beginnt um 18 Uhr in der „Oase“, dem ehemaligen Soldatenheim. „Das ist neben der Kirche der größte Versammlungsraum in der Gemeinde“, sagt Blümcke, „und die Kirche wäre nicht neutral gewesen.“