Diesel ist zu schmutzig, Wasserstoff zu teuer und kompliziert: Niedersachsen setzt im Schienennahverkehr deshalb künftig auf Akku-Züge. Ab 2029 will das Land 102 Triebzüge mit Batterietechnik auf den nicht elektrifizierten Strecken einsetzen. Dies kündigte Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) am Mittwoch in Hannover an.

Auf den in der Grafik farbig markierten Strecken verkehren aktuell noch Dieselzüge. Schrittweise werden diese gegen Batterie-Modelle ausgetauscht.
Er sprach von einer Investition von zunächst rund einer Milliarde Euro. Weitere 50 Akku-Fahrzeuge sollen später folgen; im Gegenzug will die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) ihre 126 dieselgetriebenen Triebzüge schrittweise nach Alter und CO2-Ausstoß ausmustern. „Ab dem Jahr 2037 sollen zwischen Ems und Elbe nur noch Züge fahren, die abgasfrei unterwegs sind“, sagte Lies. In Niedersachsen sind lediglich 53 Prozent des Schienennetzes elektrifiziert; im Bundesschnitt sind es dagegen 61 Prozent.
Ihre Batterien sollen die neuen Züge während der Fahrt aufladen – mittels bestehender Oberleitungen. Wo diese nicht vorhanden sind oder nicht ausreichen, sind spezielle „Lade-Inseln“ geplant: mehrere Kilometer lange Abschnitte, die ohne langwierige Planverfahren elektrifiziert werden können.
Solche „Strom-Tankstellen“ sind laut LNVG-Chefin Carmen Schwabl unter anderem in Soltau mitten im Heidekreuz mit seinen Hauptverbindungen Bremen-Landwedel-Uelzen und Hannover-Buchholz-Hamburg vorgesehen. Hier im Heidekreuz sollen ab 2029 auch die ersten Akku-Züge fahren. Insbesondere im Teilnetz Weser-Ems ist auch die Ertüchtigung einzelner Abschnitte geplant. So soll die Strecke zwischen Delmenhorst und Hesepe für Tempo 120 fit gemacht werden. Bisher dürfen Züge dort nur mit 80 Stundenkilometern fahren. In Ganderkesee soll eine Kreuzungsmöglichkeit entstehen.
Mehr Platz für Passagiere
Mit 63 Metern sind die Akku-Züge länger als die Dieselzüge, die zwischen 41 und 54 Metern messen. Dadurch bieten sie mehr Platz für Passagiere und auch Fahrräder. Trotzdem beschleunigen sie deutlich schneller. „Die bessere Fahrdynamik sorgt für mehr Pünktlichkeit“, erklärte Schwabl. Weiterer Clou: Die Triebwagen verfügen über zwei Türen für die beiden verschiedenen Bahnsteighöhen von 76 und 55 Zentimeter, die es in Niedersachsen gibt. „So können auch mobilitätseingeschränkte Fahrgäste überall selbstständig ein- und aussteigen“, kündigte die Geschäftsführerin an. Längere Wartezeiten beim Umstieg seien dadurch nicht zu befürchten, meinte Schwabl. Farbige Leuchthinweise an den Türen böten Orientierung.
Die LNVG will noch in diesem Jahr den Auftrag für die neuen Akku-Züge ausschreiben. Die ersten Züge sollen ab 2029 im Heidekreuz verkehren. Dort verschwinden dann die Diesel-Züge. Vorausgegangen war eine „Markterkundung“ bei den diversen Herstellern zu den möglichen CO2-freien Antriebsarten. Ergebnis: „Akku-Züge sind im Betrieb günstiger“, konstatierte der Verkehrsminister. „Der Ausbau der Infrastruktur ist deutlich leichter. Und er schafft uns die Option, später vielleicht auch mal die gesamte Strecke zu elektrifizieren.“
Auch Wasserstoffzüge im Einsatz
Für das 123 Kilometer lange Elbe-Weser-Netz der EVB rund um Bremervörde, wo vor einigen Jahren der Umstieg von Diesel auf Wasserstoff begonnen wurde, bedeutet die Entscheidung allerdings nicht das Ende des Projekts. Ende kommenden Jahres sollen dort alle 14 Fahrzeuge mit Wasserstoff fahren. Für den Rest Niedersachsens ist diese Energietechnik allerdings keine Option mehr. Die CDU-Fraktion kritisierte dies als Fehler. „Von Minister Lies erwarten wir hier eindeutig mehr Technologieoffenheit, um den Forschungs- und Energiestandort Niedersachsen klimatechnisch und technologisch nicht aufs Abstellgleis zu stellen“, meinte der Abgeordnete Marcel Scharrelmann.
Ein ganz wichtiger Baustein der klimaneutralen Umstellung des Personennahverkehrs in Niedersachsen soll laut Minister Lies die Elektrifizierung der Strecke Osnabrück-Oldenburg sein. Hier habe die Markterkundung ergeben, dass dies besonders wirtschaftlich sei. „Wir wollen, dass die Deutsche Bahn die Verbindung bis 2034 mit Fahrdraht ausbaut“, forderte der Ressortchef. Die Chancen dafür stünden gut. Die LNVG will auf der Nord-Süd-Verbindung, die wegen des Jade-Weser-Ports bereits zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg elektrifiziert wurde, künftig 27 echte Elektrotriebfahrzeuge einsetzen.