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Kaiser-Wilhelm-Brücke für zwei Jahre gesperrt Wilhelmshaven saniert sein Wahrzeichen

Wilhelmshaven. Sandstrahlen, ausbessern, anmalen - fertig. So würde Klein-Willi wohl eine Stahlbrücke sanieren. Die Kaiser-Wilhelm-Brücke in Wilhelmshaven macht den Brückenbauern das Leben bedeutend schwerer.
20.09.2010, 05:59 Uhr
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Von MARTIN WEIN

Wilhelmshaven. Sandstrahlen, ausbessern, anmalen - fertig. So würde Klein-Willi wohl eine Stahlbrücke sanieren. Die Kaiser-Wilhelm-Brücke in Wilhelmshaven macht den Brückenbauern das Leben bedeutend schwerer. Die Konstruktion aus 759 Tonnen Nürnberger Stahl ist inzwischen so verzogen, dass bei Sonnenschein die Fahrbahn mit einem Wasserschlauch gekühlt werden muss, damit sie sich durch Erwärmung nicht einseitig verzieht. Mit all dem soll jetzt Schluss sein: Ab Mittwoch wird die Brücke saniert.

Die Konstruktion aus 759 Tonnen Nürnberger Stahl ist inzwischen so verzogen, dass bei Sonnenschein die Fahrbahn mit einem Wasserschlauch gekühlt werden muss, damit sie sich durch Erwärmung nicht einseitig verzieht. Mit all dem soll jetzt Schluss sein: Ab Mittwoch wird die Brücke saniert.

Die luftige, drehbare Stahlkonstruktion schwingt sich zwar so elegant über den Großen Hafen wie seit ihrer Einweihung 1907. Und nachdem eine ähnliche Brücke im französischen Brest 1944 zerstört wurde, hält man in Wilhelmshaven sein Wahrzeichen heute für die größte Drehbrücke Europas. In Wahrheit aber ist die Landmarke von Rost zerfressen und ächzt im wahrsten Sinne unter der Last ihres Alters.

Experten wollen dem hoch betagten Patienten nun mit gebotener Vorsicht zu Leibe rücken. Für die Sanierung wird die 59 Meter lange Brücke zwei Jahre lang für den gesamten Verkehr gesperrt. Auch Fußgänger und Radfahrer können sie nicht passieren. Linienbusse bringen stattdessen Besucher stündlich vom Hauptbahnhof über den Grodendamm zum Südstrand. Außerdem kann während der Arbeiten nur ein Brückenteil gedreht werden, um kleinere Schiffe in den inneren Hafen zu lassen.

Im Juni 2011 kommt 'MS Europa'

Für die Fregatten der Marine, die zum Entmagnetisieren durch die Brücke fahren, könnte es damit eng werden. 1998 hatte ein Marineschiff bereits bei vollständig geöffneter Brücke den nördlichen Pfeiler gerammt und den Drehmechanismus schwer beschädigt. Beide Flügel werden nur für das Kreuzfahrtschiff 'MS Europa' geöffnet, das sich für Juni 2011 angekündigt hat.

'Das alles wird ein spannendes Unterfangen', berichtet Stadtbaurat Klaus-Dieter Kottek, der die Fachaufsicht über die Arbeiten hat. Der alte Anstrich enthält derart viele Giftstoffe, dass er nur unter einer massiven Verkleidung mit Luftschleuse per Sandstrahl entfernt werden darf. Allerdings sind die Winde in direkter Meeresnähe und bis in 37 Metern Höhe so stark, dass nur ein Viertel einer Brückenhälfte ins Häuschen darf. Sonst könnte ein Sturm die ganze Brücke in den Hafen reißen.

Was sich unter dem Anstrich verbirgt, ahnen die Experten bislang nur. Viele Stahlteile sind rissig und müssen ausgetauscht werden. Allerdings dürfen die Arbeiter dazu keinen Schweißbrenner verwenden. Der alte Stahl enthält derart viel Schwefel, dass Explosionsgefahr bestünde.

Auch Nieten sollen in Wilhelmshaven künftig keine tragende Rolle mehr spielen. Wo nötig, werden sie durch ähnlich aussehende Schrauben ersetzt. 'Und zu allem Überfluss können wir die Brückenteile nicht länger als eine Woche offen lassen, da die beiden Teile sonst nicht mehr aufeinander passen würden', erklärt Stadtbaurat Kottek.

Den ganzen Spaß lässt die Kommune sich fünf Millionen Euro kosten, der Europäische Regionalfonds gibt rund 950000 Euro, die Stiftung Denkmalschutz 50000. Bund und Land priesen die Brücke kürzlich als nationales Kulturdenkmal und werden nach Ende der Arbeiten auch ein großes Schild aufhängen. Sie sind aber je nur mit symbolischen 19000 Euro im Boot. 'Das wird sich trotzdem lohnen', glaubt Kottek, verschlangen Reparaturen doch bislang immer 100000 Euro im Jahr. Außerdem soll die Brücke nicht nur mit einer modernen Beleuchtung zum echten Wahrzeichen werden.

Auch das Umfeld des Jugendstil-Baus soll wieder originalgetreu hergerichtet werden. Über eine breite Treppe, begrenzt durch zwei Pilaster, wird man künftig wieder zu den Häuschen der Brückenwärter mit ihren leuchtenden Bronzedächern aufsteigen können. Nur die Brückenwärter werden merken, dass eine neue Zeit beginnt. Per Laptop sollen sie künftig die gesamte Brücke steuern und überwachen können. In der Vergangenheit kam es schließlich nicht selten vor, dass verträumte Touristen standhaft auf der Brücke ihre Fotos machten, allen Ansagen und Klingelzeichen zum Trotz. Sie wird der Brückenwärter künftig ebenso erkennen wie jene Freizeitkapitäne, die ihre Jollen ahnungslos an den Drehkränzen vertäuen.

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