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Made in Niedersachsen Robust, funktional, aber immer auch modisch

Bundhose „Pulsschlag High“ mit Reißverschlusstaschen, die Damenweste „Lena“ für die Gastronomie: Die Firma Carl Klatt in Achim stellt Berufskleidung her und setzt neben Funktionalität auf modische Akzente
04.12.2022, 16:22 Uhr
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Von York Schaefer

So wie sich die Arbeit selbst in den vergangenen 20 Jahren zunehmend digitalisiert und spezifiziert hat, so hat auch die Arbeitsbekleidung – der Blaumann, die Latzhose, das Kochhemd – eine Zeitenwende durchlaufen. Manche Berufe sind ebenso fast ausgestorben wie die formlos-sackige Arbeitsklamotten in Einheitsgrößen oder das rein zweckmäßig gefertigte Schuhwerk mit Stahlkappe. 

Arbeitssicherheit ist in Zeiten eines nahezu manischen Versicherungsschutzes für oder gegen eigentlich alles wichtiger denn je. Deswegen darf aber die Arbeitsbekleidung, die längst „Workwear“ genannt wird, heute nicht mehr ohne die Aspekte Komfort und Design daherkommen. Die Stoffe sind bunter geworden, die Schnitte modischer, die Materialien raffinierter. 

Carl Klatt etablierte sich als Ausstatter für die Fischindustrie 

Eine Entwicklung, die man auch bei der Firma Carl Klatt in Achim so mitgegangen ist. Im Jahr 1850 im heutigen Polen gegründet, kamen die Eltern von Geschäftsführer Jan Peter Klatt über Bad Bederkesa Mitte der 50er Jahre nach Bremen. Groß wurde das Familienunternehmen kurz darauf als Bekleidungsausstatter für die Fischindustrie in Bremerhaven. Seit 1980 schmiegt sich die langgezogene Produktions- und Lagerhalle von Carl Klatt an die Autobahn A1 zwischen Mahndorf und Oyten. 

“Die Branche ist in den letzten 25 Jahren enorm gewachsen und vielfältiger in der Bekleidung geworden. Früher gab es nur grün, schwarz und blau, heute gibt es eine riesige Auswahl an Farbkombinationen, Materialien und Größen“, berichtet Anka Sylvia Klatt, die im Unternehmen für verschiedene organisatorische Aufgaben zuständig ist.

Jüngere Leute hätten irgendwann von ihren Vorgesetzten schickere Arbeitskleidung verlangt, erklärt ihr Mann Jan Peter Klatt die höheren Ansprüche auch an Berufsbekleidung – die man ja schließlich auch oft ganze Tage lang anhat. Es geht um smarte Funktionen, um Robustheit, Tragekomfort und Hygiene – um Funktionalität, aber auch um die positive Repräsentation des Unternehmens nach außen.

In einem Prospekt mit dem Titel „Corporate Casual“, also die legere Geschäftskleidung, zeigt der 57-jährige gelernte Bankkaufmann eine Arbeitshose aus Stretch-Material, ausgestattet mit vielen praktischen Taschen und modisch-engem Schnitt. „Das geht schon teilweise in Richtung Freizeitkleidung“, meint der Firmenchef, der auch die Bereitschaft kennt, heute mehr Geld für Berufsbekleidung auszugeben. Just hätte er zwei Kunden gehabt, die „kalt lächelnd“ zwei Jacken für 90 Euro das Stück bestellt haben. „Das hätte es früher nicht gegeben“, erinnert sich Klatt, der seit über 30 Jahren für das Unternehmen seiner Familie arbeitet.

War Berufsbekleidung früher einfach nur notwendig, ist sie heute ein bewusst nachgefragtes Produkt auch außerhalb der Arbeitswelt. 

In der Produktionshalle des Unternehmens mit 15 Mitarbeitern stehen in zwei Reihen hintereinander etwa ein Dutzend spezielle Nähmaschinen, an denen Industrienäherinnen die eigenen Kreationen der Firma produzieren. Die Leiterin Jolanthe Kutz macht dafür am Computer zuerst einen Entwurf für den Schnitt zum Beispiel einer Arbeitshose. Der wird dann auf Papier ausgedruckt, auf die Stoffbahnen platziert und zugeschnitten. Im nächsten Schritt verarbeiten die Näherinnen die Zuschnitte, in der Bekleidungsbranche wird das Konfektionieren genannt. Etwa 800 Teile werden in der Halle pro Woche genäht.

Ein Teil der Produktion findet inzwischen aber aus Kostengründen auch in Polen statt. In Kartons werden die Schnittteile und Zubehör wie Knöpfe und Reißverschlüsse gesammelt und dann an die Produktionsstätte im Nachbarland verschickt. 

Die Kunden von Carl Klatt sind Industrie- und Logistikbetriebe, die Medizin- und Pflegebranche, Firmen für Tiernahrung sowie Bäckereien, Schlachtereien und die Gastronomie. Aber auch Zulieferer, die andere Firmen beliefern, gehören dazu. Zum Beispiel Wäschereien, die Berufsbekleidung vermieten. „Bei metallverarbeitenden Betrieben etwa kann man den Leuten nicht zumuten, ihre mit Öl und Metallstaub verschmutzte Wäsche selber zu waschen“, erklärt Jan Peter Klatt. 

In den vergangenen Jahren ist bei Carl Klatt der Großhandel mit Bekleidungsware enorm angestiegen und macht inzwischen einen höheren Anteil am Geschäft aus als die eigene Produktion. „Die Waren sind in zwei, drei Tagen just in time lieferbar“, weiß der Geschäftsführer. Im firmeneigenen Webshop bildet sich die immense Vielfalt ab: Jacken für Herren zum Beispiel gibt es in 14 verschiedenen Größen von der Burschen- bis zur Übergröße, für den schlanken oder untersetzten Typ.

Momentane Bestseller laut Firmen-Homepage sind die Bundhose „Pulsschlag High“ mit modischen Kontrastelementen und Reißverschlusstaschen für Smartphones, die Damenweste „Lena“ in den Farben schwarz, Bordeaux und Navy für die Gastronomie sowie ein Schlupfkasack für den medizinischen Bereich, erhältlich in 14 Farben. 

Auch Karl Clatt hat mit Lieferengpässen zu kämpfen

Derzeit hat das Achimer Traditionsunternehmen aber – wie viele andere Branchen – mit gestiegenen Preisen der Zulieferer und mit Lieferengpässen zu kämpfen. Wartezeiten bis März 2023 seien nicht selten, berichtet Jan Peter Klatt. „Momentan gibt es so gut wie keine Bestellung eines Kunden, die man einfach so auslösen kann. Man muss ständig nach Ersatzartikeln suchen und einen Plan B haben“, sagt er über Großhandelsware wie T-Shirts oder Zubehör. Trotzdem: „Das Geschäft läuft gut, der Umsatz stimmt, wenn auch am Ende nicht mehr ganz so viel übrig bleibt“, konstatiert Anka Sylvia Klatt.

Das Ehepaar führt in einen weiteren Raum, in dem drei Mitarbeiterinnen an einer großen Maschine mit tentakelartigen Metallschläuchen und mehreren Pressen arbeiten. Hier werden Kleidungsstücke und kleinere Accessoires wie Taschen mit Logos und Stickern bedruckt, entweder direkt auf die Kleidung oder auf „textiles Trägermaterial“, wie es in der Fachsprache heißt. 

„Vielen Unternehmen ist die Corporate Identity wichtig, der einheitliche Look der Mitarbeiter“, erklärt Anka Sylvia Klatt diese Art der Veredelung. Echte Handarbeit, die man bei Carl Klatt als Alleinstellungsmerkmal betrachtet.  

Experten aus den Handwerkskammern und aus der Modebranche sagen schon länger, dass moderne Arbeitskleidung immer mehr zum Marketinginstrument werde, die Botschaften wie Bodenständigkeit und Verlässlichkeit in einer aus den Fugen geratenen Welt ausstrahlen soll. 

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