Aufmerksam schaut Belissimo sich in der Gegend um. Die Route zum See könnte der Alpakahengst sicher längst mit geschlossen Augen unternehmen. Über die Brücke des Hemmelbäker Kanals geht es hinunter zum Wasser. Doch das Tier am Halfter bleibt ein sensibler Beobachter seines Umfelds. Ein echter Flaneur mit Fell.
Belissimo ist eins der "Alpakas vom Tweelbäker See". Sein Zuhause ist ein Hof ganz am Rande der Stadt Oldenburg – eine Idylle draußen auf dem Land besonders an diesem Sommertag. Auf Wiesen an einem Maisfeld grasen die Alpakas im Sonnenschein. Ihr flauschiges Fell am Kopf weht sacht im Wind. Kerstin Ahlers gehört die Herde hier. Regelmäßig bietet die Oldenburgerin Spaziergänge mit ihren Alpakas an. Dabei war das gar nicht so geplant.
Vor sieben Jahren ging es mit der Zucht als Hobby los. "Aus Spaß an der Freude – ohne ein Ziel", sagt Ahlers. Als sie damals im Freundeskreis erzählt habe, dass sie sich vier Alpakas kaufen werde, "da hat mich jeder ausgelacht". "Kerstin, was willst du damit?", hieß es. Doch die junge Frau mochte die da noch recht unbekannten Tiere einfach.
Später brachten Freunde Ahlers auf die Idee, dass die Spaziergänge mit den Alpakas Menschen Freude bringen könnten, als sie der Züchterin beim Halftertraining der Fohlen halfen. In der Karawane ging es mit dem Nachwuchs und erfahrenen Alpakas an den See. Die Freunde seien sich einig gewesen: "Das ist so toll! Das musst du unbedingt anbieten!" Ahlers war skeptisch. Und die Zeit dafür fehlte der Lehrerin. Doch irgendwie kam doch alles in Bewegung.
Heute teilt Ahlers ihre Begeisterung für die Tiere gerne. In der Tat strahlen die Alpakas eine besondere Ruhe aus. Die zierlichen Tiere mit ihrem langen Hals und den großen Augen sind neugierig, aber halten einen höflichen Abstand. "Alpakas sind ganz passive Tiere", sagt Ahlers auf der Wiese bei Jack, Sheldon, Belissimo und den anderen. "Die werden dich niemals angreifen."

Die Mähne streicheln? "Generell mögen Alpakas nicht so gerne angefasst werden – und erst recht nicht am Kopf", sagt Kerstin Ahlers.
Gleich nebenan liegen die Stuten mit dem Nachwuchs unter einer großen Buche im Schatten. Insgesamt gehören 15 Tiere zur Herde. Stuten und Hengste werden getrennt gehalten und auch die Aufgaben sind verteilt: Die Stuten kümmern sich um den Nachwuchs, die Hengste sind bei den Spaziergängen dabei. Und die sind gefragt. Für diese Saison bis in den Herbst gibt es schon keine freien Plätze mehr. Erst im Januar werden wieder neue Termine vergeben.
Viele berichten im Anschluss im Internet begeistert über den Besuch auf dem Hof. "Das ist wie zwei Tage Urlaub", solche Rückmeldungen erreichten Ahlers schon. Ihr geht es auch um das Tempo: Die Besucher sollen die Zeit in der Natur mit den Alpakas genießen und runterkommen. Doch viele hätten zunächst Schwierigkeiten. Die Entschleunigung an der Seite der Tiere gelingt nicht allen sofort.

Alpakas sind die Lieblingstiere von Kerstin Ahlers geworden. Als Kind plante die Oldenburgerin noch, Kamele auf dem Hof der Eltern zu halten.
Warum die Alpakas so besonders aufmerksame Begleiter sind? Das liegt auch daran, dass sie Fluchttiere sind. "Sie müssen immer alles richtig gut im Blick haben", sagt die Oldenburgerin. Die Spaziergänger hätten darum oft den Eindruck, die Alpakas flanierten erstmals um den See.
Ahlers ist das Wohl ihrer Alpakas wichtig. Hofbesichtigungen sind ausgeschlossen. Höchstens einen Gang am Tag unternehmen die Alpakas, hauptsächlich an den Wochenenden in der Zeit von April bis Oktober. Unter der Woche unterrichtet Ahlers nämlich weiter an einer Förderschule Mathe, Englisch und Biologie. Ihre Schüler kennen die Alpakas und fieberten teils mit: "Frau Ahlers, ist das Fohlen schon da?"
Trotz der charmanten Zurückhaltung gilt, wenn Alpakas etwas nicht gefällt, dann spucken sie. Einfach losstreicheln sollte man nicht. "Generell mögen Alpakas nicht so gerne angefasst werden – und erst recht nicht am Kopf." Wer ihr Zutrauen gewonnen hat, kann manche Alpakas vom Tweelbäker See aber am Hals oder Rücken streicheln.

Trotz der angenehm zurückhaltenden Art: Alpaks können auch spucken, wenn ihnen etwas nicht passt.
Manchmal erlebt Ahlers auch Spaziergänger, denen es vor allem um Fotos für Instagram geht und nicht so sehr um das Erlebnis mit den Tieren. Das merke man schon bei der Anfrage per Mail. Ahlers selbst ist auf den Kanälen im Netz kaum unterwegs neben der Homepage. Werbung mache sie nicht, weil die Nachfrage schon von allein groß sei. Viele posten Fotos ihres Ausflugs am See. "Jeder hat die Bilder im Status. Das verbreitet sich so schnell."
Ahlers bietet auch verschiedene Workshops an, unterstützt mit ihren Alpakas beim Teambuilding und trainiert Führungskräfte. Die Sonderpädagogin und Ergotherapeutin hilft auch bei der Stressprävention. Beim Umgang mit den Tieren nehme sie viel wahr, was die Menschen beschäftige. Neben ihr begleitet auch Mitarbeiterin Louisa Drees als "Coach für alpakagestützte Interventionen" Termine. Besonders sind für Ahlers die Besuche des Vereins Kinderlachen, der sich um Kinder in schwierigen Situationen kümmert. "Die Kinder hier zu erleben, ist immer toll."
Hilfe bekommt die Oldenburgerin auch von ihrem Mann Matthias. Dabei rechnet Ahlers schon seit einer ganzen Weile damit, dass der Hype um Alpakas etwas nachlässt. "Ich sage das jedes Jahr zu meinem Mann, weil es auch echt viel Arbeit ist." Dadurch hat Ahlers schon selbst Grenzerfahrungen mit Stress gemacht. Im Moment ist die Nachfrage aber weiter groß. In der Region gibt es dabei weitere Anbieter: Lorenzos Alpakas in Dörverden, Heinken Alpakas in Stuhr oder den Herzfeldhof Worpswede.
Einmal im Jahr müssen die Alpakas geschoren werden. Die meiste Wolle landet dabei in Bettdecken. Die Besucher können die auf Wunsch auch kaufen – zum Beispiel mit dem Hinweis: Füllung von Belissimo.
Alpakas sind heute Kerstin Ahlers Lieblingstiere. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Als Kind besuchte sie einen Zirkus. Dabei schloss Ahlers Kamele besonders in ihr Herz. "Ich habe als Kind gedacht, dass die Kamele irgendwann auf dem Hof meiner Eltern im Stall stehen werden." Nun sind es die Alpakas geworden, die auf dem Hof des Schwiegervaters leben, der ebenfalls bei der Arbeit unterstützt. "Es sind einfach tolle Tiere", findet Ahlers inmitten ihrer Alpakas. "Allein das Rupfen von Gras, wenn die Alpakas fressen, könnte ich mir stundenlang anhören."