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Rüstungsindustrie Nicht nur Panzer

Bis zu 200 neue Arbeitsplätze in Bremen und bis zu 400 in Unterlüß: Rheinmetall ist vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges auf Wachstumskurs. Dabei baut der Konzern nicht nur Panzer.
14.07.2022, 17:32 Uhr
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Nicht nur Panzer
Von Peter Mlodoch

Draußen vor einer Halle stehen sechs Marder – entrostet, generalüberholt und frisch gestrichen. Die neue Farbe ist ein schlichtes Grün. Denn einen Abnehmer dieser und weiterer Schützenpanzer gibt es offiziell noch gar nicht. „Wir warten auf die Exportgenehmigung“, sagt ein Mitarbeiter des Rüstungskonzerns Rheinmetall am Standort Unterlüß (Landkreis Celle). „Das Kanzleramt ist etwas zögerlich unterwegs.“ Die aus Altbeständen der Bundeswehr stammenden und von dem Unternehmen auf eigene Kosten aufgemöbelten Marder sollen eigentlich in die Ukraine geliefert werden. Bis September könnten 30 solcher Panzer von Rheinmetall an den neuen Eigentümer wechseln; bis zu 100 sind insgesamt denkbar.

Doch die Modalitäten – ob direkt oder im Ringtausch mit Nato-Partnern wie Tschechien – sind politisch heikel. „Wir stehen im täglichen Kontakt mit der Bundesregierung“, gibt sich  Vorstandsvorsitzender Armin Papperger am Donnerstag beim Besuch von Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) diplomatisch. Dass zeitgleich eine Delegation des ukrainischen Verteidigungsministeriums die Waffenproduktion in der Südheide besichtigt, dementieren die Vertreter des Konzerns nicht. „Ich hoffe, dass die 30 Marder der Ukraine bald zur Verfügung gestellt werden“, appelliert Althusmann in Richtung Berlin.

Aber auch ohne den bevorstehenden Ukraine-Deal stehen die Panzerproduzenten bestens da. An über 100 Standorten weltweit beschäftigt der Konzern insgesamt rund 28.000 Mitarbeiter. Der Vorstandschef berichtet, dass das Bundesverteidigungsministerium soeben den Weg für die Bestellung von 200 neuen Puma-Schützenpanzern der zweiten Generation für die Bundeswehr freigegeben habe. Dieser Auftrag war vor dem russischen Angriff auf die Ukraine noch höchst umstritten. Jetzt steht er in einer Reihe vieler weiterer Rüstungsprojekte. Papperger, von Hause aus Maschinenbau-Ingenieur, macht keinen Hehl aus seinen optimistischen Prognosen. Betrug das gesamte Auftragsvolumen im vergangenen Jahr 24,5 Milliarden Euro, erwartet er 35 Milliarden Euro für 2023 und sogar 50 Milliarden Euro im Folgejahr. Der Konzern profitiert massiv vom 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr und dem deutlich erhöhten Wehretat in den kommenden Jahren.

150 bis 200 neue Arbeitsplätze in Bremen

Für diesen Boom braucht es neue Arbeitnehmer. „Auch der Bremer Standort wird aufwachsen“, kündigt Papperger im Gespräch mit dem WESER-KURIER an. „Dort werden 150 bis 200 neue Leute gesucht.“ Bisher beschäftigt die Rheinmetall Electronic GmbH in Bremen-Hemelingen rund 1900 Personen, davon 1000 IT-Spezialisten. Sie produzieren unter anderem komplette Ausrüstungssysteme für Soldaten, für den „Infanteristen der Zukunft“ (IdZ), wie er bereits im Bundeswehr-Jargon heißt. Dazu gehören Helmkameras, Ortungsgeräte wie Bluetooth-Tracker, integrierte Maschinenpistole und modernste Digitaltechnik. Der Rucksack ist mit zwölf Kilogramm Elektronik vollgestopft, dank der der Träger jederzeit mit Gefechtsständen, Fahrzeugen und Kameraden verbunden ist. „Das haben selbst die Amerikaner nicht“, berichtet Papperger stolz. „Dieser Soldat verfügt über eine bessere Info-Lage als jeder andere Soldat der Welt.“

400 neue Stellen in Unterlüß

In Unterlüß, einem Dorf mit 3500 Einwohnern, soll die Belegschaft von derzeit 2100 um zusätzlich 400 Mitarbeitende erweitert werden. Hier sollen die neuen Puma-Panzer gebaut werden; die bereits von der Bundeswehr eingesetzten Puma werden hier nachgerüstet. Rheinmetall fertigt hier außerdem gepanzerte Kabinen für Militärlastwagen; diese verfügen neben 80-Millimeter dicken, kugelsicheren Scheiben über ein eigenes Raketenabwehrsystem. Auch der erst vor einigen Wochen neu präsentierte Kampfpanzer Panther mit einem 130-Millimeter-Kanonenrohr wurde hier entwickelt. Der Standort befindet sich auf einem 62 Quadratkilometer großen Heidestück; davon umfassen 56 Quadratkilometer das firmeneigene Versuchsgelände für regelmäßige Schießerprobungen auch über mehrere tausend Meter Distanz.

„Niemand will Krieg. Aber man muss sich verteidigen können“, sagt Reservehauptmann Althusmann. Der Wirtschaftsminister verweist auf die große Bedeutung der Rüstungsindustrie für Niedersachsen, auf die Wertschöpfung, auf die Arbeitsplätze, auf die vielen Zulieferer in der Region. 75 Prozent der Aufträge gebe man an mittelständische Unternehmen weiter, meint der Konzernchef und spricht von einer „sozialen Aufgabe“. Dazu zähle auch, dass der Konzern im vergangenen Jahr 270 Millionen Euro Steuern gezahlt habe – „wohlgemerkt in Deutschland“, betont Papperger mit einem Seitenhieb auf andere Weltkonzerne.

Neues Rechenzentrum in der Heide

Sein nächstes Projekt: In der Heide will Rheinmetall ein neues konzernweites Rechenzentrum mit zwei voneinander unabhängigen Standorten errichten. Es soll die höchste Sicherheitsstufe erfüllen und ohne klimaschädliche Kühlung betrieben werden können. Das Unterlüßer Werk selbst soll bis 2025 komplett CO-2-neutral arbeiten. Dazu sollen neben neuen Blockkraftwerken auch neue Holzhackschnitzel-Anlagen dienen. Darin will Papperger die Produkte aus der nach Firmenangaben nachhaltigen Forstwirtschaft im 3500 Hektar großen Wald auf dem Firmengelände verwerten.

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